„Es geht um nicht mehr oder weniger, als die Zukunft der Demokratie.“ Damit begrüßte unsere Landesvorsitzende Greta Garlichs die rund 100 Mitglieder beim Thementag zu grünen Strategien gegen Rechts Anfang Oktober in den ver.di Höfen in Hannover. Mit dem Satz „Wir werden von der AfD als „Gegner*in bezeichnet – und wir wollen es bleiben“ sprach sie vielen der Anwesenden aus der Seele. Doch wie sieht der Weg für uns Grüne aus im Kampf gegen rechte Ideologien, damit die Demokratie wehrhaft bleibt?
Die Gesellschaft ist erschöpft
Politikwissenschaftlerin Dr.in Julia Reuschenbach vom Otto-Suhr-Institut an der FU Berlin, wagte einen Erklärungsversuch, warum die Demokratie unter Druck geraten und was jetzt helfen könnte. In ihrer Analyse blickte sie auf die hohe Zahl an „Schockwellen“ für unsere Gesellschaft zurück. Die vergangenen acht Jahre hatten es in sich: Die hohe Anzahl von Kriegsflüchtlingen in 2015, verschiedene Terroranschläge im In- und Ausland, die Corona-Krise, der Ausbruch des Ukrainekriegs und die dadurch verstärkte fossile Energiekrise und die Inflation. Genau am Tag der Veranstaltung erreichte uns darüber hinaus die Nachricht vom terroristischen Angriff der Hamas auf Israel.
Es ist verständlich, dass die Menschen erschöpft sind und sich um ihre Zukunft sorgen. Die AfD nutzt diese Sorgen und Ängste bewusst für ihre Zwecke aus. Dr.in Julia Reuschenbach erklärte, wie gefährlich das ist: Wenn diese Grundstimmung auf einen aus der Mitte zunehmend normalisierten Rechtspopulismus stieße, führe das zu einer gesellschaftlichen Melange, durch die die Demokratie immer mehr unter Druck gerate.
Was müssen wir besser machen?
Auch wir Grünen tragen laut Julia Reichenbachs Analyse einen Anteil an der jetzigen Situation. Und zwar komme aus ihrer Sicht erschwerend eine „unzureichende politische Kommunikation“ und ein „Blame-Game“ (gegenseitige Schuldzuweisungen) innerhalb der Ampel-Koalition hinzu. Sie machte aber auch Hoffnung: Mehr als die Hälfte der der AfD-Wähler*innen gäben an, sie könnten sich vorstellen, auch eine andere Partei zu wählen.
Um diese Wähler*innenstimmen sollten wir Grüne kämpfen. Wie? Auch dafür hatte Frau Dr. Reuschenbach Vorschläge: Bessere politische Kommunikation, einfache Sprache, Zuversicht ausstrahlen und debattenfähig bleiben.
Welche Fragen müssen wir stellen im Umgang mit der AfD?
Zum Ende des intensiven Thementags flossen die in fünf Workshops erarbeiteten Lösungsansätze und Fragen in die Schlussdiskussion zum Umgang mit der AfD ein. Gleich zu Beginn der Diskussion stellte der Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Dirk Pejril, klar, dass er als oberster Verfassungsschützer des Landes an dieser Stelle nicht neutral sein könne. Im Gegenteil, er sähe es als seine Aufgabe an, auf Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung hinzuweisen, wie es das Gesetz vorsieht. Und bei der AfD sehe er diese Gefahr – auch bei der niedersächsischen AfD. Wer an Bundesparteitagen der AfD teilnimmt und rechtsextremistische Aussagen der Redner*innen unwidersprochen stehen lässt, grenze sich nicht ab und könne sich da nicht rausreden, meint Dirk Pejril. Er sieht bei der AfD einen invasiven Politikstil und die konkrete Gefahr eines mandatierten Extremismus, der sich demokratiefeindlich zeige. Ein wichtiges Mittel im Kampf gegen das weitere Erstarken rechter Ideologien besteht aus seiner Sicht in der Stärkung der Präventionsarbeit.“
Die grüne Bundestagsabgeordnete Filiz Polat brachte wichtige Fragen nach der Widerstandsfähigkeit gegen Angriffe von Rechtsaußen auf: Reicht ein Disziplinarrecht aus, um das Einsickern rechten Gedankenguts in unsere Behörden und Institutionen zu verhindern? Welche Anforderungen stellen wir an demokratische Kandidat*innen mit Blick auf ihre Einstellung zu unserer Verfassung und die freiheitlich demokratische Grundordnung?
Sie forderte alle Grünen auf, weiterhin mit aller Kraft für die Demokratie zu kämpfen: „Geht in die Räte, macht Resolutionen, zeigt, dass wir die Mehrheit sind.“
Laut Michael Lühmann, Abgeordneter und Sprecher für Innenpolitik und Antifaschismus in der niedersächsischen Landtagsfraktion, handele es sich bei der AfD um eine verfassungswidrige Partei – sie verstoße gegen die Würde des Menschen. Er sagte: „Wir brauchen mehr CDU von Daniel Günther und weniger von Friedrich Merz.“ Bei unsere Mitgliedern und Wähler*innen sähe er die Gefahr, dass sie sich von Grünen eher abwenden, wenn auch wir die rechten Diskurse aufgreifen und weitertragen.
Er stellte klar: Wir Grüne sollten unsere Politik machen; dann könnten sich die anderen Parteien an uns abarbeiten.