Unser Ziel ist ein gerechtes und leistungsfähiges Gesundheitssystem. Eine solidarische Gesundheitspolitik für die Menschen heißt, die bisherige Zweiklassenmedizin in Form zweier Versicherungssysteme abzulösen und die Bürgerversicherung einzuführen. Hierfür machen wir uns auf Bundesebene stark.
Die Gesundheitspolitik für die Menschen in Niedersachsen muss die Prävention stärken, eine wohnortnahe medizinische Versorgung bieten und ein flächendeckendes Pflegeangebot schaffen. Mit der Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen haben wir GRÜNEN hierzu die Voraussetzungen deutlich verbessert. Die Basis hierfür sehen wir in einer flächendeckenden, verlässlichen hausärztlichen Versorgung. Um die Versorgungskapazitäten von Facharztpraxen zu erhalten und teure Mehrfachuntersuchungen einzudämmen, sollen Hausärzt*innen die Funktion von Lotsen übernehmen. Ein solches System verbessert die Versorgungsqualität, da eine ganzheitliche, fachübergreifende Beratung zur individuellen Situation angeboten wird: Hausärzt*innen besprechen alle medizinisch sinnvollen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mit den Patient*innen und veranlassen, wenn erforderlich, entsprechende Überweisungen. Ein Lotsensystem stärkt die freie Arztwahl. Ergänzt wird ein solches hausarztzentriertes Gesundheitssystem durch ein gut ausgebautes Netz von Pflegestützpunkten und Patienteninformationszentren.
Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sicherstellen
Für die Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) einen Sicherstellungsauftrag übernommen. Sie ist daher auch für die Besetzung von Hausarztpraxen im ländlichen Raum in der Pflicht und muss diesen gesetzlich erteilten Auftrag auch durch entsprechende Auflagen und Beschränkungen bei der Zulassung von Kassenärzten erfüllen. Gemeinsam mit der KV hat die Landesregierung begonnen, die Attraktivität des ländlichen Raums über Niederlassungsanreize wie Stipendien zu erhöhen. Die Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an besonders geschultes medizinisches Personal, den oder die VERsorgungsAssistent*in in der Hausarztpraxis (VERAH), ist im Rahmen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen neu geregelt und ist viel weitreichender als bisher einsetzbar. Besonders mobilitätseingeschränkte Personen können besser zu Hause versorgt werden. Darüber hinaus muss in ländlichen, unterversorgten Regionen geprüft werden, inwieweit Fahrdienste mobilitätseingeschränkte Patient*innen in die Hausarztpraxen bringen können – möglichst kostenfrei.
Wir GRÜNEN setzen auf eine sektorenübergreifende integrierte medizinische Versorgung, die die ambulanten und stationären Angebote besser vernetzt. Dieses gilt insbesondere für alle Versorgungssektoren einschließlich der Geburtshilfe. Freie Hebammen leisten einen unersetzlichen Beitrag zur selbstbestimmten Geburt, zur Prävention von komplizierten Schwangerschaftsverläufen und zur Stärkung von jungen Familien. Da jedoch die Haftungsrisiken in der Geburtshilfe enorm hoch sind, sind auch die Beiträge zur Berufshaftpflicht für Hebammen in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen. Wir GRÜNEN wollen den Berufsstand der freien Hebammen unbedingt erhalten und dafür deren Haftungsrisiken gesellschaftlich (mit-)tragen.
Für mehr Qualität in Krankenhäusern
Die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens und besonders der stationären Versorgung in Krankenhäusern führt vermehrt dazu, dass Leistungen nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden und dass sich weniger am Patienten als an der Wirtschaftlichkeit orientiert wird. Besonders Träger mit hohen Renditeerwartungen stehen im Hinblick auf ihren Versorgungsauftrag häufig in der Kritik. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen ist für uns GRÜNE Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Lukrative Geschäftsmodelle von Gesundheitsgroßkonzernen richten sich zu wenig an den Versorgungserfordernissen der Gesellschaft aus. Wir fordern daher, wo immer möglich, den Erhalt einer öffentlichen Trägerschaft. Wir wollen die qualitative Krankenhausaufsicht weiter ausbauen. Die Landesregierung hat darüber hinaus die Krankenhausinvestitionen mit einem Sondervermögen von über 600 Millionen Euro massiv erhöht. Das sichert die bestehende Infrastruktur auch im ländlichen Raum und stärkt die Versorgungsqualität für die Menschen.
Als Konsequenz aus dem „Sonderausschuss Patientenschutz“ wollen wir das Niedersächsische Krankenhausgesetz anpassen und so die Interessen der Patient*innen wieder in den Fokus rücken. Neben der verpflichtenden Einführung von Patientenfürsprecher*innen und Stationsapotheker*innen ist in jedem Krankenhaus ein Fehlermeldesystem einzuführen, um Methoden anzuwenden, die sich in anderen Risikobereichen bewährt haben und anerkannt sind. Mit diesem System wird die Bereitschaft der Mitarbeiter*innen gefördert, Fehler anonym anzugeben. Das größte Problem, nämlich eine zu geringe Personaldecke vor allem im pflegerischen Bereich, ist jedoch längst identifiziert. Damit in niedersächsischen Krankenhäusern eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patient*innen gewährleistet ist, müssen Pflegefachkraftquoten auf Grundlage pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt und verbindlich über das bundesweite Fallpauschalensystem oder über eine Pflegepersonalverordnung eingeführt werden. Die Finanzierung der stationären medizinischen Versorgung über Fallpauschalen steht in der Kritik. Wir GRÜNEN unterstützen Bemühungen, um zu einer neuen Bewertungs- und Finanzierungskonzeption bei der Finanzierung stationärer Leistungen zu kommen. Gerade die kindermedizinische Versorgung ist über Fallpauschalen nicht abbildbar.
Reserveantibiotika dem Menschen vorbehalten
Die wachsende existenzielle Bedrohung des Menschen durch resistente Keime (zum Beispiel MRSA, ESBL) sehen wir als zentrale gesundheitspolitische Herausforderung. Es ist uns in Regierungsverantwortung gelungen, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung massiv zu reduzieren. Aber Masse ist nicht alles. Vielmehr wollen wir GRÜNEN sicherstellen, dass ausgewählte Antibiotika, insbesondere die sogenannten Reserveantibiotika, nicht in der Tierhaltung ihre Wirkung verlieren, sondern der Humanmedizin vorbehalten bleiben. Wir wollen darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass die Hygiene in den Krankenhäusern deutlich verbessert wird. Hygienestandards müssen verbindlich umgesetzt werden. Die Pflicht der Krankenhäuser zur Einstellung hauptamtlicher Hygienefachkräfte geht auf unsere Initiative zurück. Entsprechend des niederländischen Modells brauchen wir weiterführend das lückenlose Screening von Risikopatient*innen und die konsequente Umsetzung von verbindlichen Hygienestandards. Als Einstieg in ein kontinuierliches Monitoring fordern wir, in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser die Screening-Ergebnisse und die Infektionsquoten zu dokumentieren.
Versorgung psychisch kranker Menschen
Psychische Erkrankungen nehmen besonders aufgrund der rasanten Veränderungen in der Gesellschaft und insbesondere im beruflichen Umfeld dramatisch zu. Um dem vorzubeugen, wollen wir die betriebliche Gesundheitsförderung sowie den Arbeitsschutz stärken, denn Prävention ist besser als Rehabilitation. Die klassische, auf langfristige Behandlung von schweren psychischen Erkrankungen ausgerichtete Antragspsychotherapie wird der kurzfristigen Behandlungsbedürftigkeit aufgrund von Überlastung am Arbeitsplatz oder existenzieller Verunsicherung durch (drohenden) Arbeitsplatzverlust nicht gerecht. Daher hinkt die Versorgung mit ambulanten Angeboten dem Bedarf besonders im ländlichen Raum erheblich hinterher. Wir brauchen für alle Versicherten kurzfristig verfügbare und auf kurze Interventionsdauer ausgerichtete psychotherapeutische Angebote – so wie sie in den Hausarztverträgen der Krankenkassen für ausgewählte Personengruppen bereits vorgesehen sind. Mit dem ersten Landespsychiatrieplan in Niedersachsen haben wir den richtigen Schritt gemacht, um die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung sowie die ambulante psychiatrische Pflege in allen Regionen gemeindenah zu sichern. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für einen weiteren flächendeckenden Ausbau der Sozialpsychiatrie über Sozialpsychiatrische Zentren und Sozialpsychiatrische Verbünde ein. Der sozialpsychiatrische Dienst der Kommunen wird zu einer niedrigschwelligen Anlaufstelle mit Lotsenfunktion für alle Betroffenen flächendeckend ausgebaut.
Die Behandlung von traumatisierten Geflüchteten stellt eine besondere Herausforderung für unsere Regelsysteme dar. Deshalb haben wir in Regierungsverantwortung die psychiatrische Versorgung um ein psychosoziales Beratungs- und Traumazentrum für Geflüchtete und Folteropfer ergänzt. Wir werden die Behandlung traumatisierter Geflüchteter und Folteropfer für ganz Niedersachsen ausbauen.
Prävention und Selbsthilfe stärken
Wir GRÜNEN wollen Prävention und Gesundheitsförderung in Schulen, Kitas, Betrieben, Behörden sowie Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen verankern. Schwerpunkt muss dabei die Verhältnisprävention, also eine gesundheitsschützende Umgebung im Betrieb und am Arbeitsplatz sein. Hier bieten die bereits tätigen Präventionsfachkräfte die notwendige Expertise. Ziel ist es, zu verbindlichen und langfristig angelegten Kooperationsvereinbarungen zu kommen.
Wir fordern die Wiedereinrichtung von dezentralen Unabhängigen Patientenberatungsstellen (UPB) in Niedersachsen, um Menschen in allen Belangen von Gesundheit, Pflege, Rehabilitation und Selbsthilfe beraten zu können und den Verbraucher*innenschutz zu stärken. Niedersachsen kann und darf nicht länger auf die bundesweite Stiftung für Prävention warten. Die Mittel für Prävention und Selbsthilfe sind längst zum Spielball von Einzelinteressen oder der Marketing-Abteilungen der Krankenkassen geworden. Wir GRÜNEN wollen deshalb eine Landesstiftung für Prävention einrichten.
Mit Suchtmittelkonsument*innen verantwortungsvoll umgehen
Wir wollen das Netz der Sucht- und Drogenberatung im Land erhalten und ausbauen, damit individuell auf die Menschen mit Suchtproblemen eingegangen werden kann. Besondere Unterstützung muss die Arbeit mit stoffungebundenen Suchtformen – zum Beispiel Spielsucht – erfahren. Wir setzen auf Präventionsarbeit, die mündigen und risikoarmen Konsum unterstützt und somit gesundheitliche Schäden und Abhängigkeit vermeiden hilft. Kinder stark zu machen ist die beste Drogenprävention. Deshalb werden wir Schulen, Kitas, Suchtberatungsstellen sowie Familien und Gesundheitszentren hierbei weiterhin unterstützen. Auf Hilfs- und Präventionsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene, die sogenannte Partydrogen (etwa Alkohol, Cannabis, Amphetamine) in riskanter Weise konsumieren, soll ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Des Weiteren setzen wir uns für Modellversuche von Drugchecking-Angeboten ein, die mit Präventionsangeboten verbunden sind und Konsument*innen die Möglichkeit geben, gefährliche und verunreinigte Substanzen vor dem Konsum zu erkennen. In den letzten Jahren hat es bedeutende Fortschritte im Nichtraucherschutz gegeben. Für uns hat aktiver Nichtraucher*innenschutz weiterhin Priorität. Dazu gehört aus Gründen des konsequenten Gesundheitsschutzes besonders der notwendige Schutz von Kindern und Jugendlichen. Werbung für Nikotin und Alkohol lehnen wir GRÜNEN ab.
Die Kriminalisierung von illegalen Drogen hat ihre ursprünglichen Ziele nicht erreicht. Bei Konsumdelikten bedeuten die straf- und verkehrsrechtlichen Konsequenzen eine zusätzliche Hürde bei der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung vor allem junger Menschen. Den Konsum von Cannabis wollen wir deshalb entkriminalisieren und die sogenannten geringen Mengen, bis zu denen Strafverfahren eingestellt werden können, anheben. Wir unterstützen die Einführung eines Pilotprojektes zur geregelten Abgabe von Cannabis in Apotheken. Durch die legale Abgabe lässt sich der Jugend- und Verbraucherschutz wirksam verbessern und der organisierten Kriminalität ein wichtiger Nährboden entziehen. Noch wirkungsvoller wäre allerdings die umgehende Einführung eines Cannabiskontrollgesetzes, wie es die GRÜNEN im Bund vorgeschlagen haben.
Auch Schwerstabhängige haben einen Anspruch auf gesundheitliche Prävention. Wir wollen ihnen deshalb die notwendige Hilfe zuteil werden lassen. Dafür ist es notwendig, Diamorphin (Heroin) ebenso wie Methadon und andere zugelassene Substitutionsmittel als Mittel zur wirksamen Behandlung und damit auch als Medikamente anzuerkennen und ihren Einsatz weiter auszubauen. Sofern eine Versorgung mit Methadon und andere Substitutionsbehandlungen nicht durch ambulant niedergelassene Arztpraxen erbracht werden kann, sind Substitutionsambulanzen an Kliniken einzurichten. Sterile Hilfsmittel, Substitutionsbehandlung sowie Drogen und Suchtberatung gehören auch in den Strafvollzug. Wir setzen uns darüber hinaus für mehr Drogenkonsumräume, also für Räumlichkeiten ein, die die Ausstattung für einen risikominimierenden Konsum von Betäubungsmitteln für Abhängige bieten.