Der One-Health-Ansatz geht davon aus, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verknüpft sind. Akteure der verschiedenen Disziplinen – Humanmedizin, Veterinärmedizin, Umweltwissenschaften – arbeiten fächerübergreifend zusammen, um die komplexen Probleme wirkungsvoll zu lösen:
1. Zoonosen
Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten, Pilzen, Prionen oder Viren verursacht und wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Durch Vordringen in Wildtierhabitate – insbesondere aufgrund von Lebensraumzerstörung durch Entwaldung zum Zwecke des Anbaus von Futtermitteln –, illegalen oder schlecht regulierten Wildtierhandel, ein schnelles Bevölkerungswachstum, zunehmende Mobilität, nicht tiergerechte Haltung und Zucht, sowie Klimaveränderung, gewinnen Zoonosen immer mehr an Bedeutung.
2. Multiresistente Keime und Medikamente
Eine mindestens ebenso große Bedrohung für die menschliche wie tierliche Gesundheit ist der Verlust der Wirkung von Antibiotika als Medikamente durch die stetig steigende Resistenzentwicklung von Bakterien. Daraus entwickeln sich lebensbedrohliche Situationen, wenn sogar einfache bakterielle Infektionen nicht mehr beherrschbar sind. Die gesamte moderne Medizin mit Operationen, Transplantationen und Implantationen ist ohne Antibiotika nicht möglich. Etwa die Hälfte des Gesamtverbrauchs an Antibiotika wird bei landwirtschaftlich genutzten Tieren eingesetzt, leider auch Reserveantibiotika. Die industrielle Nutztierhaltung ist folglich für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen mitverantwortlich. Die Zucht auf einseitige Höchstleistung beeinträchtigt das Immunsystem und bedingt zusätzlichen Bedarf an Medikamenten.
3. Schutz und Nutzen
In Niedersachsen werden 98% der landwirtschaftlich genutzten Tiere auf engstem Raum gehalten. Krankheitserreger in großen Tierbeständen auf engem Raum mutieren häufiger. Die industrielle Tierhaltung stellt somit nicht nur ein Problem für den Tierschutz dar, sondern auch eine Bedrohungslage für die tierische und menschliche Gesundheit. Derzeit entscheiden auf politischer Ebene jedoch die Profiteure der Tierwirtschaft gleichzeitig auch über Tierschutzstandards. Es besteht daher ein starker Interessenkonflikt zwischen einer möglichst wirtschaftlichen Nutzung von Tieren und einem bestmöglichen Tierschutz. Die Trennung von Schutz und Nutzen wäre ein erster notwendiger Schritt zur Sicherstellung einer universellen Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.
4. One-Health StArt und Challenge One Health 2021
Die Arbeitsgruppe „One-Health StArt“ hat sich aus dem beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA) angesiedelten Begleitgremium der MRE (Multiresistente Erreger)-Netzwerke Niedersachsen heraus gegründet. Sie verfolgt den Ansatz, dass sich die Gesundheit von Mensch, Tier, Lebensmittel und Umwelt gegenseitig bedingen und nicht isoliert betrachtet und Strategien aufeinander abgestimmt werden sollten. Der „Niedersächsische Life Science Tag 2021“ hat aus wissenschaftlicher Sicht eines der bedeutendsten Themen unserer Zeit behandelt: One-Health.
Wir wollen im Land Niedersachsen den Gesundheitsschutz von Mensch und Tier durch folgende Maßnahmen verbessern:
- Die Überführung der Themen Verbraucherschutz, Tiergesundheit und Tierschutz mit allen Referaten sowie des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in das zukünftig für Humangesundheit zuständige Ministerium, wie in den meisten Flächenländern bereits üblich.
- Die gemeinsame Unterstellung der Gesundheits- und Veterinärämter unter das Landesgesundheitsamt.
- Die konsequente und finanziell wie personell deutlich verstärkte Weiterführung des Interministeriellen Arbeitskreises Antibiotikaresistenz (IMAK StArt) für die interdisziplinäre Aufarbeitung von Antibiotikaresistenzen unter Einbeziehung der Arbeitsgruppe „One-Health StArt“ und der „Challenge One Health“.
Auf Bundesebene wollen wir uns dafür einsetzen, dass
- der Einsatz aller Klassen von medizinisch wichtigen Antibiotika bei lebensmittelliefernden Tieren weiter reduziert wird. Das schließt den
vollständigen Verzicht dieser Antibiotika zur Krankheitsvorbeugung ohne Diagnose ein. - der Einsatz von sog. Reserveantibiotika bei lebensmittelliefernden Tieren vollständig verboten wird.
- Der One-Health-Ansatz auf die Organisationsstruktur des Bundes in das Bundesgesundheitsministerium umgesetzt wird.