Alle Menschen sollen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen können. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Würde. Auch in Zeiten des Wandels müssen sich alle langfristig darauf verlassen können, dass die gesetzliche Rentenversicherung als Einkommensversicherung einen möglichst großen Teil des Lebensstandards sichert, alle vor Altersarmut schützt und diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden mussten, ausreichend absichert. Angesichts der immer weiter alternden Gesellschaft machen sich junge Menschen Sorgen oder verlieren sogar Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unserer Institutionen und den Generationenvertrag. Hier muss Politik überzeugende Antworten liefern. Nur damit können wir das Vertrauen in eine sichere Altersvorsorge aller Menschen gewährleisten.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist die mit Abstand stärkste Säule im so genannten Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung. Rund neun von zehn Euro gehen bei den Gesamtausgaben der Alterssicherung auf ihr Konto. Ihre Legitimität als Pflichtversicherung wird nur dann gewahrt, wenn langjährig Versicherte in der Regel eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erwarten können. Als Einkommensversicherung muss sie darüber hinaus gewährleisten, dass diejenigen, die über lange Jahre eingezahlt haben, eine Rente erhalten, die das während des Erwerbslebens erreichte Einkommen möglichst weitgehend sichert. Oberste Priorität ist deshalb, das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft zu stabilisieren, damit die gesetzliche Rentenversicherung den größtmöglichen Anteil zur Sicherung des Lebensstandards beiträgt, und um Altersarmut zu verhindern.
Im Vergleich zu kapitalgedeckten Formen der Altersvorsorge, besonders der Riesterrente, zeigt sich die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund ihrer Verlässlichkeit, ihrer Renditeaussichten, ihres breiten Leistungsspektrums und ihrer solidarischen Risikoverteilung in weiten Teilen als überlegen. Leistungen der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente sind weitgehend an die gesellschaftliche Wertschöpfung und die Lohnentwicklung gekoppelt. Diese entwickelt sich deutlich stetiger und damit verlässlicher als Kapitalmärkte, die den Preisschwankungen von Wertpapieren und den Stürmen von Finanzkrisen kaum geschützt ausgesetzt sind. Die Versicherten genießen im Umlageverfahren eine größere Sicherheit und können ihr Einkommen im Alter bereits frühzeitig abschätzen.
Angesichts ihrer Stärken ist die gesetzliche Rentenversicherung nicht nur für diejenigen attraktiv, die bereits Rentenbeiträge zahlen und Rentenleistungen erhalten. Ihr umfangreiches Schutzniveau kann und sollte auch den Menschen zugutekommen, die heute nur unzureichend abgesichert sind. Deshalb ist die Gesetzliche Rentenversicherung für weitere Gruppen zu öffnen und zur Bürgerversicherung weiterzuentwickeln.
Insbesondere die betriebliche Altersversorgung stellt eine Ergänzung innerhalb des Alterssicherungssystems dar. In diesem Sinne sollte die betriebliche Altersversorgung über eine Verpflichtung der Arbeitgeber, ihren Beschäftigten eine Betriebsrente anzubieten und mitzufinanzieren, verbessert werden.
In den kommenden 20 Jahren verdoppeln sich die Kosten für die Rentenversicherung auf 800 Mrd. Euro. Laut des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums würde damit die Hälfte des Bundeshaushalts benötigt, um die Renten zu stabilisieren. Das bedeutet, dass gegebenenfalls die Beiträge für die Rentenversicherungen steigen werden. Für viele jüngere Menschen, die gerade in das Arbeitsleben starten, sind jedoch starke Beitragserhöhungen kaum zu stemmen. Das macht es für zukünftige Generationen noch schwerer, eigene Rücklagen für die Zukunft aufzubauen, wodurch das Risiko für Altersarmut noch stärker steigen würde als bisher. Darum ist es politische Aufgabe, diese Härten abzufedern und eine Lösung zu finden, die einerseits keine unentwegte Rentenbeitragserhöhung bedeutet, andererseits aber nicht Tür und Tor für Renteneintrittsaltererhöhungen öffnet. Um die großen Herausforderungen der Zukunft zu lösen, müssen wir einen gemeinsamen Weg finden, den demografischen Wandel zu meistern, die Lasten zwischen den Generationen und Berufsgruppen fair zu verteilen und gleichzeitig eine auskömmliche Rente für alle zu sichern. Das ist Grüne DNA! Dafür braucht es jedoch eine gemeinsames Bekenntnis und eine ehrliche Kommunikation. Auch das ist Grüne DNA! Erst dadurch gewinnen wir das Vertrauen in eine sichere Rente besonders bei der jüngeren Bevölkerung zurück.
Darüber hinaus setzen wir uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Einrichtung eines einfachen, kostengünstigen, sicheren und öffentlich verwalteten Bürgerfonds ein. Dieser könnte besonders kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen, eine zusätzliche und transparente Anlagemöglichkeit für ihre Belegschaften auszubauen.
Der rentenpolitische Hauptfokus muss allerdings auf der Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung liegen. Hierzu gilt es,
1. eine Bürgerversicherung mit dem Ziel einzuführen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden und mittelfristig Beiträge auf alle Einkommensarten gezahlt werden. In einem ersten Schritt sind nicht anderweitig abgesicherte Selbständige, Abgeordnete, Minijobber*innen und Bürgergeld-Beziehende aufzunehmen. Bei den nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen sind dabei bereits bestehende private Altersvorsorgeformen sowie Altersgrenzen zu berücksichtigen und flexible Beitragszahlungen sowie Karenzzeiten zu ermöglichen.
2. das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft mindestens auf dem heutigen Stand zu stabilisieren und eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung über einen Maßnahmenmix sicherzustellen, indem
– die Erwerbsbeteiligung von Frauen ausgeweitet, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert und der Gender Pay Gap geschlossen wird,
– allen Arbeitnehmenden ein gesünderes und längeres Arbeiten ermöglicht wird, unter anderem über die Förderung von alterns- und altersgerechten Arbeitsbedingungen, mehr Gesundheitsprävention sowie die Schaffung von individuellen Übergangslösungen in den Ruhestand, etwa über eine Teilrente ab 60 Jahren,
– die Beschäftigungssituation von prekäre Beschäftigten verbessert wird – durch Equal Pay in der Leiharbeit ab dem ersten Tag sowie einem Flexibilitätsbonus, die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, die Anhebung des Gesetzlichen Mindestlohns auf 60 Prozent des Medianlohns sowie Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung,
– Zugewanderten einen unkomplizierten und nachhaltigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
– Vielverdienende über höhere Beiträge auch mehr beisteuern. Deshalb wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen
3. eine arbeitgeberfinanzierte Mindestbeitragsbemessungsgrundlage einzuführen, mit der vollzeitbeschäftigte Geringverdienende bei langjähriger Beschäftigung im Alter eine auskömmliche Rente erhalten.
4. die Grundrente schrittweise zu einer Garantierente weiterzuentwickeln, die den Menschen, die mindestens dreißig Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, eine Rente oberhalb der Grundsicherung garantiert.
5. die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Rentenbestand besser zu unterstützen, indem alle Personen, die heute eine Erwerbsminderungsrente beziehe und von den Verlängerungen der Zurechnungszeiten in den vergangenen Jahren nicht oder nicht vollständig profitiert haben, über einen Zuschlag besser abgesichert werden.
Die Stabilisierung des Rentenniveaus ist eine zentrale Grüne Beschlusslage und dringend notwendig. Ohne diesen Schritt würde das Niveau ab dem Ende der 20er Jahre schnell absinken und von heute 48,2 Prozent bereits 2035 auf 45,3 Prozent und ab 2040 auf unter 45 Prozent fallen. Läge das Rentenniveau heute schon bei nur noch 45 Prozent hätte eine Person, die 40 Jahre lang durchgehend genau 75 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hätte (das entspricht aktuell rund 3.200 Euro und da liegen sehr viele drunter) heute eine gesetzliche Altersrente in Höhe von 1.053 Euro. Damit wäre sie ohne weitere Einkommen in einigen Städten wie München, Stuttgart oder Frankfurt am Main fast auf ergänzende Leistungen angewiesen.
Ein Absinken des Rentenniveaus wäre besonders für Frauen und für Menschen in Ostdeutschland schwer zu bewältigen. In den neuen Bundesländern sind Betriebsrenten und die private Altersvorsorge deutlich weniger verbreitet als im Westen. Dementsprechend sind Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung hier von besonders großer Bedeutung.
Die langfristige Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus bei 48 Prozent führt laut Bundesarbeitsministerium dazu, dass der Beitragssatz (ohne Zuführungen aus dem Generationenkapital von heute 18,6% statt von 19,7% im Jahre 2028 auf 20%, im Jahre 2030 statt von 20,2% auf 20,6% und bis 2045 statt von 21,3% auf 22,7% , also mit Verlängerung der Haltelinie beim Rentenniveau um bis zu 1,4 Punkte höher steigen wird als nach geltendem Recht. Dies entspricht für Durchschnittsverdienende nach heutiger Kaufkraft einer Brutto-Mehrbelastung von rund 25 Euro pro Monat. Im Gegenzug wird das Rentenniveau stabilisiert.
Als Ergänzung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung soll eine Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet werden, die vom Bund Eigenkapital und Darlehen erhält, um bis 2036 einen Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufzubauen. Dieser soll danach weiter wachsen.
Ab 2036 sollen dann Auszahlungen allein aus den Kapitalerträgen von durchschnittlich 10 Milliarden Euro pro Jahr erfolgen. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben der GRV betrugen im Jahr 2022 rund 360 Milliarden Euro. Laut den Berechnungen des Finanzministeriums ist in den 30er Jahren mit einer entsprechend geringen Dämpfung des Beitragssatzes um 0,3 bis 0,5 Beitragssatzpunkte zu rechnen. Die Deutsche Rentenversicherung geht von 0,3 Beitragssatzpunkten aus. Anders als bisher würde damit der demographische Finanzierungsbedarf der gesetzlichen Rentenversicherung durch Kapitalmarktrenditen gemindert.
Vor diesem Hintergrund fordert die LDK die Grüne Bundestagsfraktion auf, dafür zu sorgen, dass
– die Verwendung von Beitragsmitteln für den Aufbau des Kapitalstocks gesetzlich ausgeschlossen wird, da anderenfalls mit Rentenkürzungen zu rechnen wäre;
– eine parlamentarische Kontrolle der Stiftung gewährleistet ist und auch der Erlass der Anlagerichtlinie nicht am Parlament vorbei erfolgt. Die Wahl der Anlagekriterien ist eine legislative Entscheidung.
– sichergestellt wird, dass das Generationenkapital ambitionierte ESG-Kriterien erfüllt,
– und auf die Zuführung von Eigenmitteln in Form von Bundesbeteiligungen verzichtet wird, da deren Vermögenserträge dann nicht mehr dem Haushalt zugutekommen würden
– die Weiterentwicklung von Konzepten für eine zuverlässige Rente voranzubringen, die belastbar und glaubhaft Sicherheit garantiert für die jüngere Generation