Raus aus den fossilen Energien – dringender denn je!
Der Weltklimarat IPCC macht in seinen Berichten deutlich: politisch wurde die letzten Jahre viel zu wenig erreicht, denn die Treibhausgasemissionen steigen weiter, ebenso das Risiko, dass ökologische Kipppunkte eintreten und damit Kettenreaktionen auslösen, die fatale Auswirkungen für Natur und unsere Zivilisation haben werden.
Derzeit ist bereits eine durchschnittliche globale Temperatursteigerung von über 1,1 Grad Celsius (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) eingetreten. Die Klimakrise ist bereits Realität. Weltweit spüren Menschen die Konsequenzen. Auch in Niedersachsen steigt der Meeresspiegel, sterben Menschen an der Hitze und vernichten Dürren einen Teil der Ernten. Noch kann die Menschheit etwas gegen eine weitere Eskalation der Lage unternehmen: Dafür müssen nun mutige politische Entscheidungen getroffen werden. Doch das zur Verfügung stehende Zeitfenster schließt sich.
Mit den völlig unzureichenden und teils sogar kontraproduktiven Maßnahmen des „Klimapakets“ hat sich die schwarz-rote Bundesregierung unter Merkel vom völkerrechtlich verbindlichen Klimavertrag von Paris verabschiedet. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich klar für starken Klimaschutz und damit die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen aus. Doch die Große Koalition inszeniert ihre Mutlosigkeit auf dem Rücken der jüngeren Generation. All die für den Klimaschutz verlorenen Jahre müssen wir dringend aufholen, bevor unser Klimabudget, also die uns maximal noch verbleibende Menge an Treibhausgasemissionen, völlig verbraucht ist. Klimaschutzpolitik aufzuschieben funktioniert nicht und ist sozial ungerecht.
Die Politik der rot-schwarzen Landesregierung Niedersachsen sieht nicht besser aus. Auch hier müssen wir die verlorenen Jahre aufholen und Maßnahmen beschließen, die unsere Treibhausgasemissionen schnell genug senken. Nur nach langem Druck von uns Grünen und den vielen bei Fridays For Future oder in anderen Zusammenhängen protestierenden Menschen hat die rot-schwarze Landesregierung nun überhaupt endlich ein niedersächsisches Klimagesetz vorgelegt. Doch inhaltlich nimmt sich die Landes-GroKo ein Beispiel am Bund und bleibt deutlich hinter dem wissenschaftlich Notwendigen zurück. Sie setzt sich sogar für den Bau neuer fossiler Infrastruktur ein, wie einem niedersächsischen Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG-Terminal).
Auch wenn die Lobby gern anderes behauptet: Erdgas ist ein Klimakiller
Im Dezember findet die nächste Welt-Klimakonferenz in Madrid statt. Dort, aber auch in bundes- und landespolitischen Debatten, versucht die Erdgas-Lobby, sich gerade ein „grünes Mäntelchen“ umzuhängen. Diesem Versuch treten wir entschieden entgegen!
Denn selbstverständlich ist Erdgas ein fossiler Energieträger und damit ein Klimakiller. Auch die Methan-Leckagen vor allem beim Fracking, bei der Förderung generell, beim Transport in Pipelines und der Verteilungsinfrastruktur, bei der LNG-Herstellung- und der Transportkette sind wesentlich höher als bisher gedacht und heizen unsere Atmosphäre besonders auf. Auch Methan ist ein Treibhausgas und zwar ein um ein vielfaches klimaschädlicheres als CO2. Deshalb kann die Konsequenz nur heißen: Schnell raus aus ALLEN fossilen Energieträgern und möglichst schnell 100% Erneuerbare! Das klappt umso schneller, je weniger Energie wir insgesamt verbrauchen. Daher braucht es auch eine beherztere Politik für Energieeffizienz und Energiesparen.
Sogenannter „blauer Wasserstoff“ bzw. „dekarbonisiertes Gas“ ist dabei keine Alternative, denn dafür wird trotzdem Erdgas gefördert, Kohlenstoff abgespalten und unter die Erde verpresst. Dieses Verfahren (CCS bzw. sogenanntes Hydrogen Cracking) verlängert fossile Geschäftsmodelle, ist teuer und riskant. Die Lösung kann beim Gas nur lauten: auf die Menge und die Farbe kommt es an! Die neue Gaswelt ist sparsamer und grüner Wasserstoff wurde aus Ökostrom hergestellt.
Warum wir jetzt am Scheideweg stehen:
Grünes Ziel für eine enkeltaugliche Energieversorgung sind 100% Erneuerbare Energien. Dafür haben wir nicht nur die Rückendeckung von Wissenschaft und vielen Schüler*innen: die breite Mehrheit der Bevölkerung möchte mehr Erneuerbare und effektiveren Klimaschutz. Ohne Atom und ohne fossile Brennstoffe. D.h. auch die Nutzung und Förderung von Erdgas und Erdöl braucht einen klaren Ausstiegs- und Umstiegspfad: um den international zugesagten Beiträgen zum Klimaschutz gerecht zu werden, um Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, und um Investitionen in Erneuerbare und Energiesparen zu lenken.
Neue fossile Infrastruktur hingegen, auch für Erdgas, bedeuten riskante und klimazerstörende Lock-In-Effekte. Vor allem in den Sektoren mit besonders langen Investitionszyklen wäre es fatal, nun falsche Fakten zu schaffen, insbesondere bei Gebäuden und Industrie.
Hinzu kommt: Jeder Euro, der heute fossile Technik finanziert, fehlt bei Investitionen für eine ambitionierte Energiewende. Jede Investition mit langen Amortisationszeiten erhöht auch den Druck auf die politischen Entscheidungsträger*innen in 10 Jahren: Jedes Erdgas-Kraftwerk, das heute nicht gebaut wird, erspart uns Debatten um Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber in der Zukunft. Erfahrungen mit solch teuren Debatten haben wir mit dem Atom- und Kohleausstieg. Diese können wir jetzt im Voraus vermeiden.
Nicht jede neue Erdgas-Infrastruktur, die heute in Planung ist, ist a) nötig und b) technisch nutzbar für neue grüne Gas-Lösungen der Zukunft. Kein Neubaugebiet braucht heute ein Gasnetz, weil Häuser, die mindestens in Passivhaus-Standard errichtet werden sollten, mit Strom und Solarthermie beheizt werden können.
Weitere Infrastrukturen (neue Gaskraftwerke, neue Import-Pipelines wie Nord Stream 2 oder LNG-Terminals etc.) sind kaum nötig. Sie verlängern nur das fossile Zeitalter und erhöhen den Druck auf die Politik, an fossilen Technologien länger als nötig festzuhalten.
Konsequenter Klimaschutz bedeutet: deutlich weniger Verbrauch und Umstieg auf erneuerbare Gase
Gasförmige Energieträger werden wir auch in einer 100% Erneuerbaren Energie-Welt brauchen. Aber a) weniger als heute und b) müssen alle auf Null-Emission sein (also z. B. Wasserstoff oder synthetisch hergestelltes Methan aus Ökostrom, Biogas aus Reststoffen). Weil diese „grünen Gase“ relativ teuer sein werden, nutzen wir sie effizient und setzen sie nur dort ein, wo andere Lösungen nicht funktionieren (z.B. hohe Temperaturen in der Prozesswärme der Industrie oder im Schwerlastverkehr auf der Straße/große Container-Schiffe). Aber Heizungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern, PKWs usw. können wir besser und günstiger ohne Gas betreiben. Die Häuser mit Solarthermie/Wärmepumpe und PKWs mit Strom, dort, wo wir sie noch brauchen.
Neben Klimaschutz wichtig: Gasförderung ist Risiko für Mensch und Umwelt
Gleichzeitig ist Niedersachsen besonders betroffen durch die Ausbeutung fossiler Ressourcen. 96% der deutschen Erdgasförderung findet in Niedersachsen statt. Bei der Erdölförderung ist Niedersachsen nach Schleswig-Holstein das förderintensivste Bundesland mit aktuell 35,5%. Und die Erfahrungen all derjenigen, die in den Erdgas- und Erdölregionen leben, zeigt: die Förderung in Niedersachsen ist nicht sauber, sie gefährdet Umwelt und Mensch erheblich.
Unfälle und Leckagen lassen sich nie sicher verhindern. Am eindrücklichsten lässt sich dies gewiss durch die riesige Leckage in Emlichheim (Grafschaft Bentheim) vergegenwärtigen. Nach aktuellem Stand sind dort bis zu 220.000 m³ belastetes Lagerstättenwasser ausgelaufen, und das in einem Zeitraum von vier Jahren. Vier Jahre lang haben alle Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen offensichtlich vollständig versagt. Doch auch beispielweise in der Erdölförderregion Landkreis Gifhorn ist es in den letzten Jahren immer wieder zu Leckagen gekommen. Diese sind zumeist durch Anwohner*innen, Landwirt*innen oder Vorbeifahrende entdeckt worden, nicht aber durch das Förderunternehmen selbst.
Kontrollsysteme haben offensichtlich auch hier keine Wirkung gezeigt. An welchen Stellen unbemerkt insbesondere kleinere Mengen Nass-, Erdöl oder Lagerstättenwasser gerade durch alte und marode Leitungen in die Umwelt gelangen, ist schwer nachvollziehbar.
Die niedersächsischen Erdgasregionen haben immer wieder mit Erdbebenereignissen zu kämpfen, die durch die Erdgasförderung verursacht werden. Aus genau diesem Grund sind die Niederlande nun aus der Erdgasförderung in der Region Groningen ausgestiegen, da der gesellschaftliche Druck durch die Erdbebenereignisse immer größer wurde. Die niedersächsischen Erschütterungen sind in ihrer Stärke mit denen in den Niederlanden auftretenden vergleichbar.
Die verbleibenden ohne Fracking erschließbaren Lagerstätten in Niedersachsen sind bei gleicher Fördermenge in wenigen Jahren aufgebraucht.
Deshalb fordern wir von der Bundesregierung:
- Vollständiger Abbau klimaschädlicher Subventionen:
- Keine Subventionen mehr für fossile Infrastrukturprojekte im Energiebereich sowie im Ressourcenabbau – weder in Deutschland, noch im Ausland. Dazu gehört auch eine Divestment-Strategie für die staatseigene kfW-Bank sowie bei Exportgarantien, Investitionsgarantien und ungebundenden Finanzkredite. Deutschland muss seinen Einfluss auch bei multilateralen Entwicklungsbanken entsprechend ausrichten.
- Keine Subventionen mehr für Öl- und Gasheizungen: keine Zuschüsse, keine verbilligten Kredite, keine Steuerboni
- Zukünftige Förderung im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz nur für den Einsatz von Erneuerbaren Energien, auch im Rahmen des Kohleausstiegs
- keine Förderung für neue Erdgaskraftwerke
- Ausweitung der Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen und Heizungen auf Basis Erneuerbarer Energien
- Eine Strategie, wie der Gasverbrauch in Deutschland deutlich gesenkt und der verbleibende Gasbedarf aus erneuerbaren Quellen wie z. B. Biogas oder synthetischem Gas (aus Ökostrom hergestellter Wasserstoff etc.), gedeckt werden kann, um das im Pariser Abkommen verankerte Ziel zu erreichen
- Weil Erdgas vor allem für Wärme genutzt wird – Energiewende im Wärmesektor endlich anpacken:
- Wirksamer und verursachergerechter CO2-Preis Solarenergie auf alle Neu- und Bestandsbauten
- Förderprogramm „Faire Wärme“ zur Sanierung von Wohngebäuden, das insbesondere Projekte in Quartieren unterstützt, wo Menschen mit geringem Einkommen wohnen, sowie auch die Sanierung von Nichtwohngebäuden in Kommunen. Ökologische Dämmstoffe sollen besonders gefördert werden
- Klimawirksames Gebäudeenergiegesetz, das für Neubauten ab sofort den Standard gemäß kfW-Effizienzhaus 40 sowie 100% Erneuerbare Wärme und für Bestandsgebäude ein Sanierungsziel von kfw-55 Standard festschreibt. Außerdem den Einbau von neuen Ölheizungen ab 2020 und von neuen Erdgasheizungen ab 2025 nicht mehr zulassen
- Unterstützung der Wärmenetzbetreiber beim Umstieg auf erneuerbare Wärme und Abwärme
- Vorsorgeprinzip zur Richtschnur machen bei der Erdöl- und Erdgasförderung:
- Gemäß den internationalen Klimazielen aus den fossilen Energien aussteigen und ein Ausstiegsgesetz beschließen, das ab sofort keine neuen Aufsuchungs- und Fördergenehmigungen mehr ermöglicht und jetzt ein Ende der Erdgas- und Erdöl-Förderung bis 2030 festlegt. So gibt es Planungssicherheit und wir verhindern hohe Entschädigungszahlungen wie beim Atom- und Kohleausstieg
- Bis zur Einigung auf solch ein Ausstiegsgesetz mindestens Fracking ausnahmslos verbieten, Erdgas- und Erdölvorhaben in Schutzgebieten ausschließen und Umweltverträglichkeitsprüfungen für alle Vorhaben verpflichtend machen
- In der Bundesrepublik unabhängiges Monitoring der Gasleitungen vorschreiben, um klimaschädliche Methanleckagen einzudämmen, und sich auch international für ein besseres und unabhängiges Monitoring bei Förderung und Transport einsetzen
- Klimagerechte europäische Gas-Strategie, die vor allem die Reduzierung des Gasbedarfs in Europa forciert und den raschen Umstieg auf grüne Gase unterstützt: u.a. durch Kooperationen mit Ländern, die Interesse daran haben, uns ihre überschüssige Energie in Form von Wasserstoff (aus Ökostrom!) etc. zu verkaufen. Dazu braucht es jedoch zuallererst eine starke europäische Ausbauinitiative von Erneuerbaren Energien
Die Landesregierung fordern wir auf:
- Sich für sofortigen Stopp neuer Aufsuchungs- und Fördergenehmigungen einzusetzen und sich klar für Ende der Erdgas- und Erdöl-Förderung bis spätestens 2030 zu positionieren
- Bis zu einer Einigung:
- Erdgas- und Erdölvorhaben mindestens in allen Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie in und unter sonstigen Gebieten, in denen Trink- oder Mineralwasser – auch für die Lebensmittelherstellung – gefördert wird oder künftig gefördert werden soll, klar auszuschließen
- Keine Erkundungs- und Förderbohrungen nach Öl und Gas mehr im niedersächsischen Wattenmeer zuzulassen, um Beeinträchtigungen der Nationalpark- und Natura2000-Gebiete auszuschließen Umweltverträglichkeitsprüfungen für neue Erdöl- und Erdgasbohrvorhaben ab sofort verpflichtend zu machen
- Den Förderzins der Unternehmen an die tatsächlichen Schadenskosten für die Gesellschaft anzupassen
- Aufsuchungs- und Förderkonzessionen im niedersächsischen Wattenmeer und den angrenzenden Gebieten nicht weiter zu verlängern und die Gebietskulisse des UNESCO-Weltnaturerbegebietes in Niedersachsen um die Gebiete zu erweitern, die als Exklaven für die Öl- und Gasförderung vorgehalten werden
- Erneuerbare-Wärme-Gesetz nach grünem Vorbild zu verabschieden, um über die Gebäude- und Heizungsmodernisierung den Anteil Erneuerbarer Wärme in Niedersachsen möglichst schnell zu steigern und den Gas- und Ölverbrauch bis auf null zu senken:
- keine neuen Ölheizungen ab 2020
- Für Neubauten ab sofort Passivhausstandard und 100% Erneuerbare Wärme als Standard
- Im Gebäudebestand wird ab 2020 bei Heizungstausch oder Sanierung ein Anteil von mindestens 20% Erneuerbarer Wärme verpflichtend, bis 2030 steigt dieser auf 100%
- Photovoltaikpflicht für Neubauten, Pachtmodelle als Möglichkeit etablieren
- Bis 2025 alle geeigneten öffentlichen Dachflächen mit Solarthermie und/oder Photovoltaik auszurüsten, auch ggf. über die Beteiligung von Bürgerenergie-Akteur*innen
- Deutlich vor 2030 auch im Bestand die Nachrüstung von geeigneten Dachflächen mit Solarenergie als Duldungspflicht zu etablieren
- Ein niedersächsisches Klimagesetz vorzulegen, das hinsichtlich der Ziele und Maßnahmen den Klimazielen von Paris entspricht
- Sich klar gegen neue fossile Infrastruktur und damit auch gegen LNG-Terminals an der niedersächsischen Küste zu engagieren (siehe auch grüner LDK-Beschluss vom 4./5.5.19 „Erneuerbare Energien und Energiesparen statt Fossile Infrastruktur – Power to X statt LNG-Terminal!“)