Was war in deinem Ministerium das wichtigste Projekt, das du in den ersten 100 Tagen angeschoben hast?
Am Anfang standen Gespräche mit den MitarbeiterInnen im Haus, in den Abteilungen und Referaten und mit dem Personalrat, Treffen mit Bürgerinitiativen und Umweltverbänden und Besuche in Gorleben, in der Asse und in Grohnde. Von besonderer Bedeutung waren in den ersten 100 Tagen natürlich die von Ministerpräsident Stephan Weil und mir ausgearbeiteten Vorschläge für einen neuen Anlauf bei der Atommülllagerung. Die Verhandlungen darüber mit der Bundesregierung, im Bundesrat und mit den anderen Fraktionen, aber auch die Unterredungen mit Anti-Atom-Initiativen im ganzen Land haben Chancen eröffnet. Gorleben kann gekippt werden; eine neue ergebnisoffene Suche könnte Wirklichkeit werden; die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die politischen Entscheidungen ist möglich. Erfolg garantieren können wir nicht – wir versprechen jedoch, dass die neue rot-grüne Landesregierung weiterhin alles dafür tun wird, dass die Tage Niedersachsens als Atomklo der Republik gezählt sind und ein echter Neubeginn für den Umgang mit dem Jahrtausend-Problem des Strahlenmülls erreicht werden kann.
Was steht für die kommenden 100 Tage ganz oben auf der Agenda?
Für den Erhalt von Natur und Umwelt arbeiten wir an Strategien für den Moorschutz, für gentechnikfreie Regionen und für Maßnahmen zum Schutz der Meere, zum Beispiel mit der Kampagne "Kein Müll ins Meer". Große Aufmerksamkeit werden wir in den nächsten Monaten besonders den Vorbereitungen für den Umbau der Energieversorgung widmen. Der Abschied von den fossilen Brennstoffen ist überfällig. Wir haben das ehrgeizige Ziel, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen. Dabei soll uns die neue Landesenergie- und Klimaschutzagentur helfen. Die Planungen dafür laufen auf Hochtouren.
Welche Aufgaben würdest du darüber hinausgehend als dringlich beschreiben?
Rot-Grün will nicht nur mit fachlichen Themen und Projekten neue Maßstäbe setzen. Auch der Politikstil muss sich deutlich von den Vorgängern unterscheiden. Regieren heißt für uns nicht einsam entscheiden oder selbstherrlich bestimmen. Im Gegenteil: wir wollen den Dialog, die Teilhabe und die Mitbestimmung der gesellschaftlichen Gruppen. Das Ziel der Bürgerdemokratie braucht eine neue Beteiligungskultur, für die es in der Vergangenheit in Niedersachsen keinen Raum gab. Besonders die von Grünen mitregierten Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz arbeiten an neuen Perspektiven für die Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie. Für die Antworten auf die Fragen, wie das Gemeinwohl wieder in den Mittelpunkt rückt und die Bevölkerung vom Objekt zum Subjekt des Regierungshandelns werden kann, brauchen wir unsere volle Konzentration, Kreativität und politische Leidenschaft.
10 zentrale Projekte aus den ersten 100 Tagen der rot-grünen Landesregierung
Interview mit den Landesvorsitzenden der niedersächsischen Grünen Julia Willie Hamburg und Jan Haude