Wie viele Delegierte passen in einen superkleinen Saal in Wolfsburg? Stapeln mussten wir sie nicht, aber es wurde eng bei der Landesdelegiertenkonferenz unter dem Motto „Aus Mut wird morgen“. Dort diskutierten mehr als 200 Delegierte intensiv zu Themen wie Wirtschaft, Wehrpflicht und Schienenverbindungen – und das nicht nur im großen Saal. Bei Talkrunden mit den Minister*innen und inhaltlichen Workshops ging der Austausch weiter.
Gastrednerin Ricarda Lang (MdB) zeigte sich kämpferisch. Sie forderte eine gerechte Verteilung der Klimakosten, kritisierte die anhaltenden Privilegien der fossilen Lobby: „Lasst uns eine Klimapolitik machen, bei der die Mehrheit profitiert, und die, die jahrzehntelang von Umweltzerstörung zur Kasse gebeten werden, endlich Verantwortung übernehmen.“ Deutliche Worte richtete sie auch an Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche, die Solarförderung kürzt und gleichzeitig fossile Strukturen stützt. Gleichzeitig warnte Lang vor einer sozialen Spaltung: „Wenn auf den Herbst der Reformen ein Winter der sozialen Kälte folgt, dann finde ich es angebracht, dass danach der Frühling des Protestes kommt.“
Nach Langs bundespolitischem Auftakt richtete Julia Willie Hamburg den Blick auf Niedersachsen und seine Rolle als starkes Industrieland. Sie warb für eine mutige Transformation hin zu Elektromobilität und klimafreundlicher Produktion: „Unser Ziel ist raus aus den Krisen, rein in die Zukunft. Mit frischen Ideen, Mut und Zuversicht.“
Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, Belit Onay, fand deutliche Worte zur Stadtbilddebatte. Die Probleme des öffentlichen Raumes seien komplex und die Verknüpfung mit Migration sehr falsch. Anstatt Spaltung zu fördern, möchte er den Anlass nutzen, um über Verbesserung von Sicherheit, Sauberkeit, kulturelle Angebote und Klimaresilienz in den Kommunen zu sprechen. Gleichzeitig machte er klar: Ein Bundeskanzler muss Kanzler für alle Menschen in Deutschland sein. Der Schaden, den er durch seine Ausgrenzung anrichte, sei kaum zu bemessen.
Wirtschaftsleitantrag im Fokus
Die Landesvorsitzende Greta Garlichs brachte den Leitantrag „Wirtschaft stärken – Zukunft sichern“. Sie formulierte klar den Anspruch an eine moderne Standortpolitik:
„Es ist Heuchelei, wenn Markus Söder über hohe Strompreise klagt, während er in Bayern jedes Windrad verhindert. Niedersachsen liefert den Strom, den andere verbrauchen.“
Garlichs erneuerte die Forderung nach regionalen Strompreiszonen, einem Industriestrompreis und einem Recht auf Energy Sharing, um Klimaschutz und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Resolution zum 9. November
Die LDK fiel auf den geschichtsträchtigen 9.November. Die Delegierten stimmten an diesem Tag einstimmig für die Resolution „Antisemitismus bekämpfen – jüdisches Leben schützen“. Landesvorsitzender Maximilian Strautmann betonte: „Nie wieder bedeutet heute: Nie wieder Gleichgültigkeit, nie wieder Wegsehen. Antisemitismus ist nicht allein politisch zu besiegen. Jede*r muss im Alltag Haltung zeigen.“ Die Resolution fordert umfassenden Schutz jüdischer Einrichtungen, stärkere Strafverfolgung antisemitischer Straftaten und politische Bildung als Prävention von der Kita bis zur Hochschule.
Wahlen: Finanzrat und Bundesfrauenrat
Mit breiten Mehrheiten wurden die Mitglieder des Landesfinanzrats und des stellvertretenden Bundesfrauenrats gewählt:
Landesfinanzrat (6 Plätze, quotiert):
Frauenplätze: Pippa Schneider (Göttingen), Marion Gehrke (Harburg-Land), Johanna Reinker (Osnabrück-Stadt)
Offene Plätze: Andreas Hoffmann (Braunschweig), Daniel Pilgrim (Osnabrück-Land), Franz-Josef Tönnemann (Cloppenburg)
Bundesfrauenrat:
Delegierte: Mira Fels (Hannover, Votum LAG Frauen), Katharina Weinlich (KV Osterholz), Pia Lucienne Bänecke (KV Harburg-Land) und Tanja Meyer (KV Vechta)
Stellvertretungen: Bettina Schulte, Carolin Kresse und Linn Söderberg-Szymanski
Zentrale politische Entscheidungen
Am Sonntag ging es weiter: Anträge, Debatten, Entscheidungen. In zwei Kernthemen setzten die Delegierten klare Signale für die politische Ausrichtung der GRÜNEN Niedersachsen.
Nach intensiver Debatte verabschiedeten die Delegierten einen zentralen Beschluss zur Verkehrs-Infrastruktur: Für die Verbindung Hamburg–Hannover sollen die Bestandsstrecke saniert, der Regionalverkehr gestärkt und eine zusätzliche Neubaustrecke realisiert werden. So soll die stark ausgelastete Verbindung (147 % Auslastung) entlastet werden. Greta Garlichs brachte es auf den Punkt: „Wenn Reisende ihren Zug zur Sicherheit eine Stunde früher nehmen müssen, ist das ein Systemversagen.“
Auch die sicherheitspolitische Debatte zur Wehr- und Dienstpflicht beschäftigte die Delegierten auf dem Parteitag. Der Landesverband positioniert sich damit klar gegen eine Rückkehr zu Pflichtdiensten. Stattdessen setzt der Beschluss unter anderem auf den Ausbau von FSJ, FÖJ und BFD, bessere Vergütung, Deutschlandticket für Freiwillige sowie die stärkere Anerkennung ziviler Engagementformen.
Maximilian Strautmann betonte:
„Wehrhaftigkeit ist längst nicht mehr nur eine Frage des Militärs. Sie beginnt im Zivilschutz, in Pflegeeinrichtungen, in digitaler Sicherheit und in der Demokratiebildung. Eine Gesellschaft ist wehrhaft, wenn sie in Krisenzeiten zusammenhält – nicht, weil sie alle in Uniform steckt, sondern weil sie in Schulen, Verwaltungen, Vereinen und Nachbarschaften funktioniert. Wir brauchen eine ehrliche Debatte über Wehrhaftigkeit und Resilienz und keine Zwangsverpflichtung über die Köpfe von jungen Menschen hinweg.“
Der gemeinsame Antrag von Landesvorstand und Grüner Jugend wurde von den Delegierten angenommen.
