Die Digitalisierung an Schulen löst viele Sorgen und Debatten aus. Sie wird Schule verändern und durch das Land geht die berechtigte Sorge, dass Schulen die Erfordernisse und Chancen der Digitalisierung verschlafen. Gut gemeinte Absichtserklärungen des Kultusministeriums helfen nicht gegen fehlende Infrastruktur, mangelhafte Ausstattung, fehlende Konzepte und nicht qualifizierte Lehrkräfte.
Gleichzeitig stehen Bildungseinrichtungen vor der Herausforderung, junge Menschen auf eine – u.a. – digitale und sich immer beschleunigter verändernde Zukunft vorbereiten zu müssen. Ausdrückliches Bildungsziel allgemeinbildender Schulen ist es, die Grundlage dafür zu legen, dass sie in einer sich stetig wandelnden Lebens- und Arbeitswelt im Laufe ihres Lebens ihre private sowie berufliche Handlungsfähigkeit aufbauen, erhalten und weiterentwickeln können.
Dazu gehört auch die Entwicklung von Haltungen und Einstellungen den digitalen Medien und Werkzeugen gegenüber mit dem Ziel ihrer reflektierten Nutzung und eines kompetenten Umgangs mit ihnen. Denn das Verständnis für die digitalen Technologien und das Wissen, wie man sie sinnvoll und sicher für sich nutzen und adaptieren kann, wird zunehmend zur Grundlage für aktive Teilhabe an der sozialen Welt sowie Bildungsgerechtigkeit. Denn eine digitale Spaltung der Teilnehmer*innen im Bildungswesen ist nur zu vermeiden, wenn die digitalen Endgeräte nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch der eigenen Aus- und Weiterbildung. 1 „Wer nicht ankommt in der Welt des Digitalen, wer die Regeln nicht verstehen lernt und wer die Chancen nicht zu nutzen weiß, wird im 21. Jahrhundert zunehmend benachteiligt sein“ (Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin Initiative D21 e.V., 2017).
Der Konzeptionslosigkeit des Kultusministeriums setzen wir unsere Perspektiven, unsere Erwartungen und unsere Forderungen entgegen.
1.) „Digitale Kompetenz bedeutet die Fähigkeit, Informationen zielgerichtet zu suchen, zu bewerten und eigene Inhalte in digitaler Form für andere Nutzer zur Verfügung zu stellen (suchen – bewerten – verbreiten). Anstelle von Wissensvermittlung rückt die Vermittlung von Kompetenz zum selbsttätigen Lernen in den Vordergrund. Sie umfasst auch ein technisches Grundverständnis, das über die Bedienung aktueller Gerate hinausgeht und Grundkenntnisse über ihre Funktionsweise und diejenige digitaler Medien, über die Software-Entwicklung und Algorithmik, über Netzwerktechnologien und IT-Sicherheit bzw. Datenschutz beinhalten muss. Dazu zählen nicht zuletzt Grundfertigkeiten im Programmieren („coding“).
Digitale Kompetenz als im besten Sinne integraler Bestandteil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung muss bereits früh vermittelt werden. Sie umfasst auch Medienkompetenz als Fähigkeit, Medien kontext- und zielgruppenspezifisch auszuwählen, Formate und Inhalte zu bewerten und für die eigenen Arbeits- und Kommunikationsprozesse zu nutzen“ (Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft, S. 8, Hg. BMBF 2016). Zur Medienkompetenz gehört darüber hinaus ein Verständnis über den Einfluss digitaler Medien auf die Formen der Kommunikation, Veränderungen auf die Privacy sowie von den digitalen Medien ausgehenden Gefahren wie z.B. die Möglichkeiten zum Datenmissbrauch durch Firmen usw.
Wir sind überzeugt!
Auch in der Zeit des digitalen Wandels, in der die digitalen Medien Teil unserer Lebenswelt geworden sind, besteht das Primat der Pädagogik. Weil weiterhin die Menschen, nämlich die Lehrenden und die Lernenden im Mittelpunkt stehen und Ausgangspunkt aller Bildungsbemühungen sind, bestimmen sie den Einsatz der digitalen Medien. Die Lehrkräfte aller Schulen und aller Fächer erhalten den Auftrag, den Umgang mit digitalen Informationen sowie die Nutzung der digitalen Werkzeuge als fächerübergreifende Schlüsselkompetenzen zu entwickeln. Die digitalen Medien sind sowohl Unterrichts- und Erziehungsgegenstand als auch Unterrichts- und Erziehungswerkzeug, die durchgängig in den Unterricht, das Schulleben und pädagogische Bezüge hineinwirken und diese beeinflussen. In ihrer pädagogischen Verantwortung stellen die Schulen einen altersangemessenen und sinnvollen Einsatz von digitalen Medien sicher. Neben vielen Chancen birgt die digitale Welt aber auch erhebliche Risiken. Wir sehen Schule daher als zentralen Ort zur Sensibilisierung und Prävention: In der Schule werden der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten, Gefahren durch Betrug und der Umgang mit Pornografie und Gewalt im Internet besprochen und kritisch diskutiert. Genauso ist es Aufgabe der Schule, Schüler*innen für das Suchtpotential digitaler Medien, sozialer Netzwerke und von Spielen zu sensibilisieren und ihnen Strategien zu selbstschützendem Verhalten mit auf den Weg zu geben.
Wir fordern ein didaktisch-methodisches Rahmenkonzept des Landes!
Grundlage für die technische Ausstattung der Schulen muss ein landesweit verbindliches didaktisch-methodisches Rahmenkonzept sein. Das landesweite Konzept ist unter Einbeziehung von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern zu erstellen und ist mit den Kommunalen Spitzenverbänden als Vertreter der Schulträger abzustimmen. Es enthält Standards auch zur technischen Ausstattung von Schulen.
Endlich Grundsätze der Ausstattung klären und nach ihnen handeln!
Das landesweit für alle Schulen gültige didaktisch-methodische Rahmenkonzept ist Grundlage für das von jeder Schule zu erstellende pädagogische Konzept zur digitalen Bildung, aus dem die jeweils erforderliche technische Ausstattung abzuleiten und mit dem Schulträger abzustimmen ist. Die Ausstattung der Schulen erfolgt nach für sie transparenten Kriterien und berücksichtigt schulindividuelle Herausforderungen. Die Beschaffung orientiert sich an Nachhaltigkeitskriterien wie Nachrüstbarkeit, Zukunftsfähigkeit, Reparierbarkeit und Recyclebarkeit.
Im Rahmen größtmöglicher Lehrmittelfreiheit stellt die Landesregierung technische Endgeräte grundsätzlich kostenlos zur Verfügung.
Lehrkräfte werden vom Dienstherrn mit jeweils notwendiger Hard- und Software ausgestattet. Ihnen wird ein leistungsfähiger technischer Support zur Verfügung gestellt. Die Landesregierung stellt den Schulen eine technisch jeweils aktuelle digitale Infrastruktur, etwa Lehr- und Arbeitsplattformen, zur Verfügung.
Digitale Medien werden als Lernmittel anerkannt.
Es sollte grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, eigene technische Endgeräte im Unterricht zu nutzen. Dies darf allerdings nicht Teilnahmevoraussetzung oder Gelingensbedingung im Unterricht sein. Sofern die digitalen Endgeräte der Schüler*innen regelmäßig im Unterricht zum Einsatz kommen, sorgt die Landesregierung für eine Unterstützung der Eltern bei der Wartung dieser als Lernmittel anzuerkennenden Geräte im Rahmen der Lernmittelhilfe. Sie setzt sich hierbei auf Bundesebene für eine Anpassung der entsprechenden Regelungen im Sozialgesetzbuch ein.
Um die Qualifizierung der Lehrkräfte kümmern!
Die Digitalisierung in der schulischen Bildung wird verbindliches, verpflichtendes Element der Lehrer*innenaus- und weiterbildung, also in allen Ausbildungsphasen (1. Phase an der Universität, 2. Phase an den Studienseminaren, 3. Phase in der Fortbildung der Lehrkräfte, hier orientiert an dem jeweiligen schulischen Konzept zur Digitalisierung.
Pädagogische Chancen nutzen!
Die Digitalisierung der Schule im o.g. Sinne führt zu einer verstärkten Zusammenarbeit in Teams sowohl der Pädagog*innen als auch der Schüler*innen. Basis schulischen Lernens wird vor allem individuelles Lernen und Teamwork sein. Fächerübergreifendes Lernen in Projekten wird durch den Einsatz digitaler Medien unterstützt und provoziert.
Die Lehrer*innenrolle wandelt sich von der Wissensvermittlung zur Organisation und Begleitung von Lernprozessen, weil die Anforderungen an die Menschen sich sowohl im privaten als auch in beruflichen Zusammenhängen wesentlich verändern.2 (Dabei bleibt der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, der weit über Wissensvermittlung hinausgeht, unberührt.)
Durch digitale Medien unterstützte und getriebene Lernprozesse ersetzen nicht die pädagogischen Prinzipien der Handlungsorientierung und der realen Begegnung. Schule muss erlebbar machen, dass es kein Leben in zwei Welten – einer physischen und einer digitalen – gibt, sondern dass die digitale Weltvernetzung unser In-der-Welt-sein insgesamt prägt.
Das Curriculum des Faches Informatik sieht ausdrücklich vor allem fächerübergreifende Projekte vor. Im Rahmen von Wahlpflichtfachangeboten und Arbeitsgemeinschaften werden Vertiefungen angeboten.
2.) U.a. folgende überfachliche Kompetenzen werden in der digitalen Welt immer wichtiger werden:
- komplexe Problemlösungsfertigkeiten
- Kreativität
- soziale Intelligenz
mathematische und technische Kompetenzen im ICT-Bereich (Studie zur Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern) zu Fähigkeiten, die es erlauben, „Computer und neue Technologien zum Recherchieren, Gestalten und Kommunizieren von Informationen zu nutzen und diese zu bewerten, um am Leben im häuslichen Umfeld, in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft erfolgreich teilzuhaben“. (Übrigens: Deutsche Schüler*innen haben dabei extrem schlecht abgeschnitten! Grund neben fehlender Technik u.a. ist die Auffassung einer Vielzahl der Lehr*innen, die digitalen Medien würden die Schüler*innen vom eigentlichen Lernen und vom Unterrichtsgegenstand ablenken! Folge: D ist Letzter im Ranking!!!)
Rahmenbedingungen endlich klären!
Kommerzielle und nicht-kommerzielle Angebote werden deutlich erkennbar getrennt. Die Landesregierung sorgt für Rechtssicherheit in Hinblick auf Lizenzen und Datenschutz.
Die Landesregierung stellt sicher, dass alle lizenz- und urheberrechtlichen Fragen und Kosten geklärt sind.
Einseitige Abhängigkeiten von Schulen an Anbieter werden vermieden. Open Source ist Vorrang zu gewähren.
Die besonderen Erfordernisse der berufsbildenden Schulen berücksichtigen!
Mit der Veränderung der Arbeitswelt muss sich auch die Berufsausbildung in BBSen bzw. in der Kooperation der dualen Ausbildung weiterentwickeln. Dies ist eine Aufgabe sowohl für die Wirtschaft als auch für das Land wie auch für die BBSen. Dafür bedarf es eines intensiven Austausches zwischen diesen drei Partnern.
Angesichts des stetigen Wandels in der Arbeitswelt im Allgemeinen wie auch in digitalen Anwendungen im Besonderen kann es deshalb nicht zielführend sein, den BBSen eine präzise, arbeitsplatzgenaue Vorbereitung von Auszubildenden auf die speziellen Anforderungen der Betriebe abzuverlangen. Deshalb werden auch die BBSen übergreifende fachliche sowie personale Kompetenzen entwickeln, nicht zuletzt die Befähigung, den fortlaufenden Wandel der Arbeitswelt bzw. der Arbeitsplätze zu bewältigen.
Die Digitalisierung ist eine Chance insbesondere für die berufliche Aus- und Weiterbildung im ländlichen Raum, etwa durch Blended Learning. Die physische Anwesenheit wird in der beruflichen Aus- und Weiterbildung nicht gänzlich überflüssig werden, jedoch bietet die Digitalisierung neue Lernsettings, die Präsenzphasen verkürzen und intensiver werden lassen. Es müssen dringend die personellen und technischen Voraussetzungen für ein Wechselspiel zwischen Präsenzphasen, Onlinelernen und Webinarphasen, die in virtuellen Klassenzimmern stattfinden, geben. Auch an weniger zentralen Standorten können BBSen sich spezialisieren und Schwerpunkte setzen.