Die Balance von Freiheit und Sicherheit sowie die unbedingte Einhaltung der Grundrechte sind Anliegen grüner Innenpolitik. Dazu gehört eine bürgernahe, bestens ausgebildete und gut ausgestattete Polizei. Sowohl der Bundesinnen- und Heimatminister Seehofer sowie der niedersächsischen Innenminister Pistorius rühmen sich mit der polizeilichen Kriminalstatistik: Niedersachsen und Deutschland seien so sicher wie noch nie. Gleichzeitig findet bundesweit ein Wettbewerb um die härtesten Polizeigesetze statt – und auch Niedersachsen beteiligt sich hier leider daran.
Wir stehen für eine Polizei, die für Sicherheit sorgt, Grundrechte und die Freiheit aller achtet und sich nicht in den politischen Prozess einmischt. Mit dem geplanten niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) wird jedoch nicht mehr Sicherheit geschaffen, dafür jedoch unsere Grundrechte zur Disposition gestellt. Einer der größten Skandale ist die gesetzliche Vorverlagerung der polizeilichen Arbeit in den politischen Raum. Unter dem Vorwand des internationalen Terrorismus werden Grundrechte bis zur Unkenntlichkeit beschnitten, wie auch die Landesdatenschutzbeauftrage Barbara Thiel bestätigte. Wir Grüne kritisieren diesen rechtsstaatlichen Paradigmenwechsel durch die Große Koalition scharf. Statt Grundrechte zu schützen, erhebt die Landesregierung mit dem neuen Gesetz einen Generalverdacht und eine Misstrauensbekundung gegenüber allen Menschen, die in Niedersachsen leben. Unsere Bemühungen einer freiheitsorientierten Innenpolitik unter Rot-Grün und unserer ehemaligen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz sind einer Law-and-Order-Politik gewichen. Gegen diese Politik wehren wir uns!
Neues Polizeigesetz: Geprägt von Symbolpolitik und Rechtsruck
Niedersachsen reiht sich in die massiven Grundrechtseinschränkungen gegenüber den Bürger*innen der anderen Bundesländer ein. Diesem bundesweiten Trend, der von der rechtspopulistisch agierenden CSU in Bayern losgetreten wurde, stellen wir uns entschieden entgegen. Mit Symbolpolitik wird Sicherheit suggeriert, die es mit diesem Gesetz nicht geben wird. Wir kritisieren daher die geplanten Meldeauflagen und Kontaktverbote, sowie die Ausweitung der elektronischen Fußfessel, die die Polizei aus bloßem Verdacht ohne Richtervorbehalt verhängen dürfte. Diese Maßnahmen werden keine Straftaten verhindern. Sie greifen aber massiv in die Grundrechte der Bürger*innen ein. Statt immer neuer unkontrollierbarer und grundrechteverletzender Befugnisse für die Polizei einzuführen, setzen wir auf eine selbstkritische Fehlerkultur in der Organisation der Polizei, eine deutlich bessere Aus- und Fortbildung, sowie bessere Ausstattung der Polizei.
Angriff auf den Rechtsstaat: 74 Tage Präventivhaft ohne Straftat, Anklage & Pflichtverteidigung
Für nicht nur politisch fragwürdig, sondern für klar verfassungswidrig halten wir die geplante Präventivhaft von bis zu 74 Tagen. 2,5 Monate Haft ohne eine Straftat begangen zu haben und ohne Anklage. Kein europäisches Land hat eine so lange Präventivhaft. Dabei soll die Polizei vermeintliche Gefährder*innen praktisch selbst identifizieren, überwachen und sanktionieren dürfen, ohne den konkreten Vorwurf einer Straftat. Das Strafrecht wird umgekehrt und in den präventiven Bereich vorgezogen, rechtstaatliche Prinzipien und Mindeststandarts wie der Grundsatz der Unschuldsvermutung, der Grundsatz der Anlassbezogenheit sowie die Pflichtverteidigung werden ausgehebelt. Mit allen politischen und juristischen Mitteln stellen wir uns gegen diese unverhältnismäßige Ausweitung! Sollte die Landesregierung an diesen Plänen festhalten, werden wir alle rechtlichen Schritte dagegen nutzen. Im Zweifel werden wir vor dem Staatsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht klagen!
Deeskalation statt Militarisierung – Keine Aufrüstung durch Taser
Die Große Koalition will die Polizei massiv aufrüsten, beispielsweise mit Elektroimpulsgeräten, so genannten „Tasern“. Diese gelten als nicht-tödliche Waffe und haben somit eine relativ niedrigere Einsatzschwelle. Besonders für Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen stellen Taser aber eine enorme Gefahr, sogar eine tödliche Gefahr dar, die Polizist*innen in der Regel jedoch gar nicht erkennen können. Aus unserer Sicht liegt es daher auch im Interesse der Polizist*innen solch eine Gefahr gar nicht erst in Kauf zu nehmen. Daher lehnen wir die geplante Aufrüstung mit der Einführung von Tasern ab! Die geplante rechtliche Grundlage für die Body-Cams wirft noch viele offene Fragen auf, die einen solchen massiven Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen. Wir fordern in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Videokatasters bei einer unabhängigen Treuhandstelle zur kontrollierten Einsichtnahme für Beteiligte, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Dabei muss technisch sichergestellt werden, dass sämtliche erstellten Aufnahmen in voller Länge in diesem Kataster liegen, sowie ein Einsehen elektronisch dokumentiert wird. Grundsätzlich wollen wir den Einsatz nur in „Anhalte-Situationen“ mit Tonaufnahmen einsetzen. Vor der geplanten voreiligen flächendeckenden Einführung von Body-Cams braucht es eine umfassende, ergebnisunabhängige Auswertung der bisherigen Testphase.
Polizeigesetz stoppen – Trojaner verhindern
Für besonders schwerwiegend halten wir die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Niedersachsen-Trojaner) sowie die geplanten, heimlichen Online-Durchsuchungen. Die Landesregierung will mit der Schaffung und der bewussten Ausnutzung von Sicherheitslücken Tür und Tor für Schadsoftware auf Computern, Laptops und Handys der Bürger*innen öffnen. Die Pläne der GroKo stellen damit ein massives Sicherheitsrisiko und eine Misstrauensbekundung gegenüber der Bevölkerung dar!
Keine Kriminalisierung von Demonstrant*innen
Wir Grüne sind eine Partei mit Wurzeln in der Protestbewegung. Wir wollen Menschen dazu ermutigen für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen. Wir vertrauen auf die Polizeibeamt*innen im Einsatz, die Einsatzlage und Gesamtsituation am besten einschätzen können. Daher haben wir in der rot-grünen Landesregierung den Straftatbestand der Vermummung auf eine Ordnungswidrigkeit herabgesetzt. Mit Erfolg, wie deutlich ruhiger verlaufende Demonstrationen, wie die gegen das Polizeigesetz, zeigen. Die Große Koalition will auf Druck der CDU Vermummung nun wieder als Straftat einstufen und setzt damit auf unnötige Eskalation. Somit wird die Polizei dazu gezwungen, gegen die Vermummung immer und sofort vorzugehen. Bei der Beibehaltung als Ordnungswidrigkeit kann die Polizei grundsätzlich deeskalierender und je nach Einschätzung der Gesamtlage vor Ort handeln. Wir fordern Innenminister Pistorius daher dazu auf, sich nicht weiter von der CDU die Politik vorgeben zu lassen: Keine Kriminalisierung von Demonstrant*innen“!
Der Protest hat gerade erst angefangen
Das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz wimmelt nur so von unbestimmten Rechtbegriffen, schwammigen Formulierungen und handwerklichen Fehlern. Die Anhörung im Landtag war eine schallende Ohrfeige für die Landesregierung und den Innenminister. Nahezu alle Expert*innen haben das Gesetz harsch kritisiert. Dieses Gesetz trotzdem fast unverändert beschließen zu wollen, zeugt von der Starrköpfigkeit und Machtarroganz der Landesregierung.
Solange die Landesregierung an diesem Gesetz festhält, werden wir den Protest dagegen unterstützen. Wir stehen an der Seite der Jurist*innen, der Fußballfans, der Gewerkschafter*innen der Antifaschist*innen, der 15.000 Demonstrant*innen sowie der 130 Organisationen und Gruppen hinter dem #noNPOG-Bündnis und nicht zuletzt auch an der Seite der niedersächsischen Polizist*innen: Nein zum niedersächsischen Polizeigesetz!
Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Notbremse zu ziehen und dieses freiheitsfeindliche Polizeigesetz zurückzunehmen! Nur in Zusammenarbeit mit der Polizei, Zivilgesellschaft, den Kritiker*innen des Gesetzes und Bürgerrechtler*innen kann ein Neustart für ein bürgernahes, transparentes und effektives Polizeigesetz für qualifizierte Arbeit der Polizei und der Gefahrenabwehrbehörden gelegt werden. Dafür stehen wir Grüne bereit!