Wir begrüßen, den durch einen gesellschaftlichen Konsens getragenen und maßgeblich auch von der Grünen Niedersächsischen Justizministerin durchgesetzten Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht zu “Nein heißt Nein“.
Jetzt müssen die Weichen für die Umsetzung der Reform gestellt werden. Ein Gesetz allein hilft nicht, gesellschaftliches Denken zu verändern: Parallel dazu benötigen alle relevanten Berufsgruppen Informationen, damit sie stärker sensibilisiert werden. Die Reform ist auch ein Bildungsauftrag für Schulen. Mädchen und Jungen benötigen Unterstützung und Hilfestellung für einen veränderten Umgang unter- und miteinander.
Die Herausforderungen rund um die Nachweisbarkeit von Sexualdelikten müssen jetzt angepackt werden.
Bündnis 90/Die Grünen fordern:
- Videovernehmung während der ersten Aussage, um die Glaubwürdigkeit der Opfer zu stärken
- Vernehmung von Opfern durch Fachkommissariate
- Vernehmung der Opfer durch speziell geschultes Fachpersonal
- Information über alle Optionen, die Situation des Opfers zu stärken. Kann eine Frau sich noch nicht entschließen, Anzeige zu erstatten, muss sie auf die Möglichkeit der Beweissicherung ohne Ermittlungsverfahren durch “Pro Beweis“ hingewiesen werden.
- Dokumentationspflicht für die Hinweise von Opferzeugen
Mit ihrer Regierungsübernahme in Niedersachsen hat rot-grün die psychosoziale Prozessbegleitung flächendeckend auf- und ausgebaut. Ab dem 1. Januar 2017 gibt es einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung.
Wichtig ist es jetzt, dass jedes Opfer dieses Angebot kennenlernt und nutzen kann. Nur wenn Frau Ihre Rechte kennt, kann sie sie in Anspruch nehmen und durchsetzen. Die Qualitätsstandards sind in Niedersachsen vorbildlich im Gesetz verankert.
Das “Braunschweiger Modell“ – Vernehmung durch eine Richter*in vor der mündlichen Hauptverhandlung – erspart in den meisten Fällen die Vernehmung im Prozess und damit die Begegnung mit dem Täter und die Vernehmung durch dessen Verteidiger.
Bündnis 90/Die Grünen fordern, dass von sexueller Gewalt Betroffene, vor allem für Frauen, das “Braunschweiger Modell“ flächendeckend angeboten wird! Dazu ist eine Änderung der Bundesgesetzgebung überfällig. Die Grünen in Niedersachsen werden sich für eine entsprechende Bundesratsinitiative einsetzen.
Der Schutz der Opfer darf nicht mit der Verurteilung des Täters enden. Kinder und Jugendliche müssen genauso wie Frauen vor einem ungewollten Kontakt mit dem Täter geschützt werden. Kinder und Jugendliche dürfen gar nicht erst zum Opfer werden. In allen Einrichtungen, auch in Sportvereinen, müssen Schutzkonzepte entwickelt und umgesetzt werden. Es muss sichergestellt sein, dass keine einschlägig vorbestraften Täter als Betreuer eingesetzt werden. Aus diesem Grunde sind Fort-und Qualifizierungsmaßnahmen notwendig sowie deren Nachweis. Ein normales Führungszeugnis ist nicht ausreichend, notwendig ist bei der Aufnahme einer Tätigkeit als Betreuer in Einrichtungen und Vereinen der Nachweis eines “qualifizierten erweiterten Führungszeugnis“.
Der gesamte Bereich des Sexualstrafrechts, insbesondere die Verurteilungsquote bei Sexualstraftaten muss durch eine groß angelegte Studie, die Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte einbezieht, evaluiert werden, um weitere qualitative Verbesserungen durchzusetzen.