Grundrecht auf Asyl ist und bleibt Menschenrecht!

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode

Verantwortung für Asylsuchende – Land und Kommunen handeln
gemeinsam für eine humanitäre Aufnahmepolitik in Niedersachsen!

Immer mehr Menschen sehen sich aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Krisen
und Konflikten gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Seit dem Bürgerkrieg 2011 in
Syrien steigen die Flüchtlingszahlen in Deutschland wieder deutlich an. BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN Niedersachsen kritisieren, dass sich die schwarz-rote Bundesregierung
– trotz der beschlossenen humanitären Aufnahmeprogramme für syrische und irakische
Flüchtlinge, weiter zunehmender Krisen und Konflikte in Afrika, sowie der anhaltenden
systematischen Diskriminierung von Roma und Sinti in Europa – einer geordneten und
humanitären Aufnahmepolitik verweigert.

Statt Länder und Kommunen zu unterstützen, polarisieren Bundesinnenminister De
Maiziere und der bayerische Ministerpräsident Seehofer beispielsweise gegen Menschen
aus Herkunftsländern wie Bulgaren und Rumänen mit Parolen „Wer betrügt, der
fliegt“. Damit treiben sie ein gefährliches Spiel mit den Ängsten und Vorbehalten der
Bevölkerung auf Kosten von Zugewanderten.

Sichere Herkunftsländer lösen nicht die Probleme der deutschen Flüchtlingspolitik

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen halten die Einstufung von Bosnien-
Herzegowina, Mazedonien und Serbien als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ für
falsch, da sie keines der vielen Probleme der deutschen Flüchtlingspolitik löst. Damit
wird weder den Flüchtlingen, noch dem Land Niedersachsen und schon gar nicht den
Kommunen geholfen. Die Große Koalition versucht in der Öffentlichkeit den falschen
Eindruck zu erwecken, man könne auf diesem Wege die Zuwanderung aus dem
Westbalkan stoppen und schon vorhandene Engpässe bei der Unterbringung in den
Ländern und Kommunen lösen.

Die Grünen Niedersachsen halten es für richtig, dass die niedersächsische
Landesregierung der Gesetzesvorlage im Bundesrat nicht zugestimmt hat.

Niedersachsen geht voran für mehr Humanität in der Flüchtlings- und Asylpolitik

Die rot-grüne Landesregierung hat in kurzer Zeit in Niedersachsen deutlich gemacht,
dass Humanität in der Flüchtlings- und Asylpolitik, mehr Menschlichkeit im Umgang mit
Flüchtlingen und ihren Familien, notwendig und machbar ist. Die seit 30 Jahren
erfolgreiche Beratungs- und Unterstützungsarbeit für den Niedersächsischen
Flüchtlingsrat wird endlich wieder gefördert. Jeder Flüchtling hat das Recht auf
angemessene soziale Beratung und Betreuung! Das sollte eine Selbstverständlichkeit
sein, ist es aber nicht.
Die neue Willkommenskultur in den Kommunen baut mit Unterstützung des Landes
Niedersachsen ein notwendiges positives Klima auf. BÜNDNS 90/DIE GRÜNEN danken
den vielen Landkreisen, die sich beteiligen und damit offensiv dazu beitragen, dass sich
die Lebenssituation von Flüchtlingen und Asylbewerber verbessert.

Seit dem Frühjahr 2013 erhalten Flüchtlinge in Niedersachsen in allen Landkreisen
wieder Bargeld statt der entwürdigenden und stigmatisierenden Wertgutscheine für die
Sicherung ihres Lebensunterhalts. Der Vorrang für Geldleistungen gilt auch für die
Erstaufnahmestellen in Niedersachsen.

Mit dem Rückführungserlass hat das rot-grüne Niedersachsen im September 2014
deutliche, transparente und vor allem nachvollziehbare Vorgaben für die
Ausländerbehörden zur Durchführung von Abschiebungen auf den Weg gebracht.
Damit wird sichergestellt, dass ein anderer humaner Weg bei Nachtabschiebungen und
Familientrennungen in Niedersachsen gegangen wird. Das sind wichtige Schritte, den
Paradigmenwechsel auch in der Abschiebungspraxis konsequent umzusetzen.

Die Grünen Niedersachsen halten diesen Erlass für bundesweit wegweisend, um die
Familieneinheit zu wahren und die Menschenwürde zu schützen. Insbesondere die
Neuregelung zur Vermeidung von Abschiebungshaft bringt uns unserem erklärten
grünen Ziel, die Abschiebungshaft überflüssig zu machen, ein großes Stück näher.
Mit der grundlegenden Reform der Härtefallkommission ist Niedersachsen ebenfalls
seinem humanitären Auftrag gerecht geworden.

Es ist und bleibt Aufgabe der Politik, sowohl auf kommunaler als auch Landes- und
Bundesebene die Aufnahme und Unterbringung der Menschen in der Zeit von der
Erstaufnahme bis zur Verteilung und Unterbringung in unseren Kommunen so zu
organisieren, dass die Flüchtlinge vor Ort gut aufgenommen werden können. Dieser
Aufgabe hat sich Rot-Grün in Niedersachsen im Regierungshandeln von Anfang an
gestellt.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen bedanken sich bei den zahlreichen
Willkommensinitiativen und ehrenamtlichen UnterstützerInnenkreisen, die sich im
ganzen Land gegründet haben. Sie unterstützen die Kommunen ehrenamtlich bei ihren
Aufgaben und zeigen den Flüchtlingen, dass sie willkommen sind.

Gemeinsam Verantwortung für Schutzsuchende übernehmen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern alle demokratischen Parteien auf,
den aufkommenden rechtspopulistischen Slogans wie „Das Boot ist voll“ entschieden
entgegenzutreten. Wir alle haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber
Schutzsuchenden, sondern auch eine verfassungsrechtliche und internationale
Verpflichtung jedem Menschen ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu ermöglichen.
Die Grünen Niedersachsen verurteilen die in jüngster Zeit zunehmenden Angriffe auf
Asylbewerberheime scharf und treten entschieden gegen jede Form von Rassismus und
anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft ein. Die
unfassbaren Bedrohungen und Misshandlungen in einer Flüchtlingsunterkunft in
Burbach und weiteren Einrichtungen müssen aufgeklärt und bestraft werden. Zudem
müssen aus diesen Vorfällen umfassende Konsequenzen gezogen werden.
Flüchtlingsunterkünfte dürfen keine rechtsfreien Räume werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen werden weiterhin gemeinsam mit
Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Moscheengemeinden, Verbänden der
Selbstorganisationen der Russlanddeutschen, der Sinti und Roma und anderer
MigrantInnenorganisationen den Herausforderungen der gestiegenen Flüchtlingszahlen
begegnen und den konsequenten Weg der rot-grünen Landesregierung für ein
weltoffenes Niedersachsen unterstützen – trotz der inhumanen Politik im Bund und in
Europa.

Menschenwürdige Flüchtlingspolitik muss zur zentralen politischen Aufgabe werden

Die Sicherstellung einer menschenwürdigen Unterbringungs- und Lebenssituation für
Flüchtlinge wird alle Bundesländer in den kommenden Jahren anhaltend beschäftigen.
In Niedersachsen leben zurzeit etwa 70.000 Flüchtlinge. Bis zum Jahresende werden
Prognosen zufolge etwa weitere 20.000 Menschen einen Asylantrag in Niedersachsen
stellen.
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik muss zur zentralen Aufgabe der politischen
Akteurinnen und Akteure beim Bund, den Ländern und auf kommunaler Ebene werden.
Nur wenn alle drei Ebenen gleichberechtigt miteinander an der Lösung dieser
elementaren Aufgabe zusammenarbeiten, kann es gelingen den Flüchtlingen eine
Perspektive zu geben.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern ein Handlungskonzept, um Land
und Kommunen finanziell sowie organisatorisch zu unterstützen. Damit sollen Chancen
eröffnet werden, um die ankommenden Flüchtlinge bestmöglich aufzunehmen und zu
integrieren.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen halten einen landes- und bundesweiten
Handlungsplan für unabdingbar und fordern:

  1. Landesaufnahmeeinrichtungen und ein integriertes Aufnahmemanagement
    Eine Aufstockung der Kapazitäten in den Einrichtungen ist dringend notwendig.
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern, dass sich der Bund an Lösungen
    beteiligt und geeignete Bundesliegenschaften zur Verfügung stellt. Wir haben in allen
    niedersächsischen Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Bramsche, Braunschweig und
    Friedland), über die das Land die Aufnahme des bundesweiten humanitären
    Aufnahmeprogramms organisiert, eine Überbelegung. Über zwei Jahrzehnte waren die
    AsylbewerberInnenzahlen rückläufig – von 438.000 im Jahr 1992 auf 27.649 im Jahr
    2009. Dementsprechend wurden in vielen Kommunen Kapazitäten und Strukturen der
    Flüchtlingshilfe und -aufnahme abgebaut.
  2. Humanitäre Standards für die Unterbringung in den Kommunen
    In den Kommunen werden Flüchtlinge sehr unterschiedlich untergebracht.
    Mindeststandards gibt es nicht. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern eine
    ständige Arbeitsgruppe unter Federführung der Landesbeauftragten für Migration und
    Teilhabe, die hierfür Kriterien erarbeitet. Des Weiteren sollten die Kommunen
    gemeinsam mit dem Land eine Absichtserklärung für humanitäre Mindeststandards zur
    Unterbringung Unterbringung auf den Weg bringen. Die schwarz-rote Bundesregierung
    muss Mittel für die Bereitstellung von geeignetem Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
    Die Kommunen sollten das Wohnraumförderungsprogramm des Landes für die
    Zielgruppe der Flüchtlinge nutzen.
  3.  Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern die Abschaffung des
    Asylbewerberleistungsgesetzes. Dies ist eine Grundvoraussetzung zur Verbesserung der
    Situation von Flüchtlingen und zur Entlastung der Länder und Kommunen. Mit der
    Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes hätten die BezieherInnen dieser
    Leistungen endlich Anspruch auf Leistungen nach SGB II und SGB XII. Damit würden
    die Rechte von AsylbewerberInnen und Geduldeten gestärkt. Auch würden sie damit
    endlich Zugang zu medizinischen Leistungen und zu Arbeitsmarktinstrumenten
    erhalten.
  4. Bundesamt ür Migration und Flüchtlinge
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern den personellen Ausbau des
    Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Eine zeitnahe und gute Bearbeitung von
    Asylanträgen ist nur mit zusätzlichem geschultem Personal möglich. Ein Beharren auf
    dem niedrigen Status quo wird den Bedarfen nicht gerecht und trifft die Menschen, die
    bei uns Zuflucht suchen.
  5. Arbeitsmarktzugang
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern, dass die Arbeitsmarktintegration
    von Asylsuchenden und Flüchtlingen erleichtert wird. Die Jobcenter und
    Arbeitsagenturen sind hier die wichtigsten Akteure. Die Kommunen können in viel
    stärkerem Maße diese Angebote nutzen und damit vor Ort umfassende
    Unterstützungsmöglichkeiten anbieten.
    Zudem wollen die Grünen Niedersachsen mit der neuen EU-Förderperiode sicherstellen,
    dass dieser Personenkreis weiterhin Zielgruppe von Fördermaßnahmen der ESFBundesprogramme
    (z.B. berufsbezogene ESF-Sprachkurse, Netzwerk „Arbeitsmarktliche
    Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“) ist.
  6. Migrations- und Sprachkurse
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern die Bundesregierung auf,
    Integrationskurse auch für Asylsuchende und Geduldete zu öffnen. Gegenseitiges
    Verstehen erleichtert das Verständnis mit- und untereinander.
  7. Nationale Flüchtlingskonferenz
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern die Bundesregierung auf, die
    Situation in den Kommunen ernst zu nehmen sowie ihre Verantwortung und
    Gestaltungsrolle anzunehmen. Die Unterbringung und Verteilung der neu
    ankommenden AsylbewerberInnen braucht eine Koordinierung und flexible Lösungen.
    Eine nationale Flüchtlingskonferenz unter Einbezug aller Ebenen ist hierfür ein erster
    richtiger Schritt.

Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode