Grüne Kernforderungen für einen Politikwechsel auf Bundesebene

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 11.November 2017 in Hameln

Auf Bundesebene treten die Sondierungsverhandlungen von GRÜNEN mit CDU, CSU und FDP in die heiße Phase. Die Verhandlungen sind nicht einfach, weil CSU, FDP und CDU in vielen Politikfeldern von der Verkehrspolitik, über die Agrarpolitik, den Kohleausstieg über die Flüchtlings- und Europapolitik bis zur Steuer- und Sozialpolitik oft das Gegenteil von dem wollen, wofür wir bei der Bundestagswahl gewählt worden sind.

Im Vorfeld der Bundesdelegiertenkonferenz, die bewerten soll, ob die Sondierungsergebnisse für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen reichen, haben Niedersachsens Grüne folgende Erwartungen für einen echten Politikwechsel in Deutschland:

Klima- und Küstenschutz für Niedersachsen

Niedersachsen ist als Küsten- und Agrarland in besonderer Weise von der Klimakrise betroffen. Der steigende Meeresspiegel bedroht unser Bundesland ganz konkret; die immer häufiger stattfindenden Extremwetterereignisse, wie die Herbststürme, die gerade halb Norddeutschland lahmlegten, stellen uns im Hochwasserschutz vor neue Herausforderungen – an der Küste und im Binnenland. Extreme Niederschläge, Stürme, Hagelschläge und regionale Dürren führen zu immensen Schäden an der Infrastruktur und in der Landwirtschaft, wie beispielsweise massive Ernteausfälle. Hier bei uns in Europa und noch stärker in vielen anderen Regionen der Welt, wo der Lebensraum unzähliger Menschen in Gefahr ist.

Auf Bundesebene muss nach 12 Jahren Stillstand endlich wieder konsequenter Klimaschutz betrieben werden. Der Kohleausstieg, die Agrar- und die Verkehrswende sind für uns ein Muss bei einer Regierungsbeteiligung im Bund. Alle aktuellen Studien zeigen, dass wir in unseren Klimazielen nicht nachlassen dürfen, sondern noch ehrgeiziger werden müssen. Erfolgreicher Klimaschutz und eine andere, gerechte Agrarpolitik sind entscheidende Bausteine bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Die zukünftige Bundesregierung muss sich daher nicht nur auf die Klimaziele für 2020, 2030 und 2050 verpflichten, sondern diese auch mit konkreten Reduktionsminderungen umsetzen. Da Treibhausgase sich in der Erdatmosphäre anreichern, ist es für das Klima entscheidend, dass unverzüglich der Ausstoß des klimaschädigenden CO2 reduziert wird. Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, dann muss die Dekarbonisierung sofort stattfinden. Dafür erwarten wir auf Bundesebene eine Verpflichtung zu konkreten Maßnahmen:

  • Bis zum Jahr 2020 müssen die 20 dreckigsten Kohlekraftwerksblöcke abgeschaltet werden und es einen festen Fahrplan zum kompletten Ausstieg aus der Kohlekraft geben.
  • Niedersachsen ist unter der Grünen Regierungsbeteiligung zu einem Vorreiter der Erneuerbaren Energien geworden. Damit das trotz einer drohenden Großen Koalition in Hannover so bleibt, muss in Berlin die Deckelung des Ausbaus im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) weg. Wir wollen 100 Prozent Erneuerbare Energien, Mobilität und Wärme.
  • umweltschädliche Subventionen, wie das Dienstwagenprivileg, die Reduzierung der Mineralölsteuer bei Kerosin- und Diesel-Treibstoff gehören abgeschafft, stattdessen müssen Steuern zukünftig an ökologischen Kriterien ausgerichtet werden.

Fracking-Verbot jetzt

Niedersachsen ist Erdöl- und Erdgasförderland. Rund zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammt von hier. 2016 hat die Bundesregierung die Chance vertan, Fracking komplett zu verbieten. Wir GRÜNEN werden uns daher dafür einsetzen, Fracking im Bundesbergrecht ausnahmslos zu untersagen und Risiken für Umwelt, Klima und Gesundheit durch die Erdgasförderung auch ohne Fracking zu minimieren.

Atomausstieg vollenden, gerechte Endlagersuche

Niedersachsen ist von der verfehlten Atompolitik der Vergangenheit mit Asse, Konrad und Gorleben besonders betroffen, daher wollen wir, dass Sicherheit bei der Endlagersuche oberste Priorität hat. Das gilt auch für eine vergleichende Standortsuche für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll. Im Bund brauchen wir jetzt endlich eine definitive Aufgabe des verbrannten und geologisch ungeeigneten Standorts Gorleben. Wir wollen keine neuen Castortransporte nach Gorleben und die beschleunigte Abschaltung der Atomkraftwerke. Statt Reststrommengen auf alte Atomkraftwerke wie Brokdorf und Lingen II/ Emsland zu übertragen, müssen Atomkraftwerke früher von Netz, um den Platz im Netz freizumachen für die Erneuerbaren.

Agrarwende bundesweit – für klares Wasser, fairen Handel und gesunde Tiere

Fünf Jahre Agrarwende in Niedersachsen zeigen erste wichtige Erfolge. Die Bürger*innen schreiben uns GRÜNEN zu recht hohe Kompetenz in diesem Politikfeld zu. Der nächste Schritt muss sein, die Agrarwende im Bund und in Europa einzuleiten. Dazu müssen in Berlin in den nächsten vier Jahren folgende Punkte umgesetzt werden:

  • Ein konkreter Ausstiegsplan aus der Massentierhaltung nach dem Vorbild Niedersachsens. In einem neuen Tierschutzgesetz muss ein Fahrplan mit verbindlichen Jahreszahlen für den Verzicht auf Amputationen von Schnäbeln und Schwänzen sowie das Rauslassen der Sau und ein tiergerechter Umbau der Ställe festgelegt werden.
  • Das Düngerecht muss deutlich verschärft werden, um die Belastung unseres Grund- und Oberflächenwassers mit Nitrat und Phosphat zu reduzieren.
  • Gifte wie Glyphosat und die Gentechnik müssen sich vom Acker machen.
  • Die Agrarsubventionen der EU müssen gerechter verteilt werden und Umwelt- und Tierschutz sowie den Ökologischen Landbau stärker fördern.
  • Alle tierischen Produkte müssen nach dem Vorbild der Eierkennzeichnung nach Herkunft und Haltungsform verbraucherfreundlich gekennzeichnet werden.
  • Verbraucher- und umweltfeindliche Freihandelsabkommen wie CETA, TTIP und JEFTA dürfen in dieser Form nicht ratifiziert werden.

Die Verkehrswende muss kommen

Die Schwerpunktsetzung des Bundesverkehrswegeplans der Bundesregierung steht klar im Widerspruch zu den Klimazielen und bedarf einer grundlegenden Überarbeitung. In Niedersachen wissen wir, dass die wirklichen verkehrspolitischen Herausforderungen nicht mit neuen Autobahnen und Fernstraßen zu meistern sind. Ohne Mobilitätswende hat nicht nur VW keine Zukunft, sondern auch das Weltklima. Das Autoland Niedersachsen und die gesamte Bundesrepublik bedarf einer verkehrspolitischen Transformation. Die Investitionsschwerpunkte müssen eindeutig auf den Ausbau der klimafreundlichen Verkehrsträger verschoben werden, anstatt wie die gerade geplante Große Koalition in Niedersachsen den Bau von A20, A39 und A33 abzufeiern. Fossile Verbrennungsmotoren haben keine Zukunft. Ein Umstieg auf alternative Antriebe ist daher zwingend notwendig. Zusätzlich gilt es die Dieselprivilegien bei der Mineralölsteuer abzuschaffen und für die konsequente Umsetzung der Luftreinhaltung einzutreten. Gesunde Luft ist nicht verhandelbar.

Finanzwende – Investieren in die Zukunft

Vielen Kommunen in Niedersachsen steht das Wasser bis zum Hals, sie profitieren kaum von der guten Wirtschaftslage. Wir brauchen eine finanzpolitische Wende, die in Zukunft investiert. Die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer in eine kommunale Wirtschaftssteuer wäre ein erster Schritt. Statt den Solidaritätszuschlag von heute auf Morgen abzuschaffen und damit vor allem die Besserverdienenden zu beschenken, bedarf es dringend Investitionen, beispielsweise in Bildung, Pflege und Gesundheit sowie Digitalisierung. Ziel der Steuerpolitik der neuen Bundesregierung mit Grüner Beteiligung muss sein, dass der Chefarzt nicht mehr profitiert als die Krankenschwester. Nicht erst die gerade enthüllten Paradise Papers zeigen, dass bei einer konsequenten Bekämpfung von Steuerflucht und gesetzlichen Schlupflöchern der Staat die Mittel hätte, um die soziale Spaltung zu reduzieren anstatt sie weiter zu vergrößern.

Aufbruch zu sozialer Gerechtigkeit

Grün steht für eine solidarische Gesellschaft, Bekämpfung der Kinderarmut und Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerschlupflöchern von Konzernen und Reichen. In Niedersachsen leben knapp zweihunderttausend Kinder von Hartz IV. Der Verzicht auf die Wiedererhebung der Vermögenssteuer, eine Erbschaftssteuerreform sowie die steuerliche Gleichbehandlung von Kapitalerträgen ist kein Signal für mehr Solidarität und darf erst recht nicht mit weiteren Steuersenkungen für Besserverdienende und Vermögende einhergehen.

Jamaika darf kein Bündnis der Gutverdienenden sein, sondern muss die soziale Ungleichheit entschieden bekämpfen. Daher erwarten wir:

  • Die entschiedene Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerschlupflöchern sowie der Finanzspekulation durch Einführung der Devisentransaktionssteuer
  • eine bundesweite Kindergrundsicherung zur Armutsbekämpfung
  • eine paritätisch finanzierte, solidarische Bürgerversicherung für alle, einen Ausstieg aus der Privatisierung der Rentenversicherung durch „Riestern“ und die Einführung einer existenzsichernden Garantierente
  • Eine Anhebung des Hartz IV – Regelsatzes, die Abschaffung von Sanktionen zugunsten individueller Förderangebote und die Einführung eines nachhaltigen sozialen Arbeitsmarktes

Weltoffenes Niedersachsen – Keine Verschärfung des Asylrechts

Wir Grünen haben in den letzten Jahren in Niedersachsen gezeigt, dass eine Willkommenskultur möglich ist. Wir stehen aktiv für die Menschenrechte ein und mit uns wird es keine verfassungswidrige Obergrenze geben. Wir setzen uns für Familienzusammenführungen Geflüchteter ein anstatt Abschiebezentren errichten zu wollen. Abschiebungen nach Afghanistan oder andere Krisengebiete sowie die Einstufung von Ländern wie Algerien oder Tunesien als sogenannte sichere Drittstaaten lehnen wir nach wie vor ab. Wir wollen ein Einwanderungsgesetz das seinen Namen verdient und keine Abschottung und Verschärfung des Flüchtlings- und Asylrechts.

Wir Grüne in Niedersachsen erwarten, dass die Grünen auf Bundesebene nur dann Koalitionsverhandlungen aufnehmen, wenn in den sozial-ökologischen Kernfeldern der GRÜNEN echte Fortschritte für einen Politikwechsel erreicht werden. Menschenrechte und Klimaschutz sind für uns nicht verhandelbar. Mit uns gibt es keine Koalition um jeden Preis. Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen müssen nochmals zur Diskussion gestellt werden. Auf den Inhalt kommt es an!

 

 

 

Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 11.November 2017 in Hameln