Am 7. April 1994 begann in Ruanda der Völkermord an den Tutsi. In weniger als 100 Tagen wurden mehr als 800.000 Menschen – Tutsi und auch Angehörige der Hutu getötet. 25 Jahre danach gedenken Bündnis 90/die Grünen den Opfern dieses Völkermordes. Das alleinige Gedenken ist jedoch nicht ausreichend!
Bündnis 90 /Die Grünen sind sich bewusst, dass die begangenen Gewalttaten nicht Ergebnis einer unerklärbaren Mordlust sind, sondern vielmehr das Endprodukt eines organisierten Machtkampfes – an dem die früheren Kolonialmächte darunter auch Deutschland selbst beteiligt waren.
Gerade der deutsche Kolonialismus war es, der die in Ruanda bestehenden beiden sozialen Gruppen der Tutsi als Viehzüchter und Hutu als Ackerbauern zu zwei verschiedenen Ethnien erklärten. Durch diese rassistischen Zuschreibungen wurde die bestehende Durchlässigkeit zwischen den sozialen Gruppen der Tutsi und Hutu erschwert. Dies geschah aus reinem Machtkalkül und diente ausschließlich dem Erhalt der Kolonialmacht.
In der weiteren historischen Entwicklung Ruandas blieben die rassistischen Zuschreibungen erhalten und bilden bis heute den Nährboden ideologisierter Machtkämpfe.
Aus unserer eigenen geschichtlichen Verantwortung heraus, wollen und müssen wir dafür sorgen, dass sich ein solches Verbrechen niemals wiederholt, nirgendwo auf der Welt! Auch Ruanda gedenkt jedes Jahr den Gräueltaten aus dem Jahr 1994. Nie wieder! – ist auch das Motto dieser Gedenkfeiern. Dies muss immer und überall gelten.
Nach 25 Jahren sind viele der ruandischen Täter und z.T. Täterinnen mittlerweile zur Verantwortung gezogen worden. Die juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung jedoch dauert bis heute an. Insbesondere die Frage nach den Hintergründen des Auslösers des Genozids, des Abschusses des Flugzeugs, in dem u.a. der damalige ruandische Präsident Habyarimana ums Leben kam, ist weiterhin nicht beantwortet. Hier sind Juristen, Regierungen und Geheimdienste aus aller Welt in der Verantwortung, endlich ihr Wissen preiszugeben. Auch die Frage nach Kriegsverbrechen aller beteiligten Seiten im ruandischen Bürgerkrieg, der bereits am 1. Oktober 1990 begann, muss ohne Tabus aufgeklärt werden, um eine Basis für echte Versöhnung in Ruanda zu schaffen. So bleibt es nötig, die Aufarbeitung, das Gedenken und das Versöhnungsbestreben weiterhin zu stärken und ohne Tabus voranzutreiben.
Teile der strafrechtlichen Aufarbeitung haben in Deutschland stattgefunden, weil sich Täter hierher geflüchtet haben. Möglich wurde dies durch das Völkerstrafrecht. Deutschland muss auch vor diesem Hintergrund seine Unterstützung der internationalen Strafjustiz ausbauen und das nationale Strafprozessrecht an die Erfordernisse des internationalen Strafrechts anpassen.
Nicht politisch aufgearbeitet wurde bisher die Rolle der deutschen Soldaten, die 1994 in Ruanda stationiert waren, in den Ereignissen vor und um den 7. April 1994. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht, endlich ihre Archive zu öffnen.
Neben all dem Willen zur juristischen und historischen Aufklärung dürfen die Geschichten der Opfer nicht vergessen werden. Sie prominent und angemessen zu erzählen, kann Ruanda helfen, seine schreckliche Vergangenheit aufzuarbeiten und zu bewältigen. Für das ganze Land ist dies ein weiterer Baustein für eine respektvolle Erinnerungskultur, die Tutsi und Hutu weiter zusammenbringt.
Wir Grüne in Niedersachsen werden diese Aufarbeitung, das Gedenken und das Versöhnungsstreben weiter unterstützen.
Ruanda hat sich in den letzten 25 Jahren weiterentwickelt und erkannt – Bildung ist der Schlüssel für Frieden, Wohlstand und Stabilität. So ermöglichen Bildungsinitiativen wie „Chancen International“ jungen Menschen in Ruanda eine gute Hilfe zur Selbsthilfe.
Hervorzuheben ist die Tatsache, dass Ruanda inzwischen eine Vorreiterrolle bei der Gleichberechtigung von Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Afrika hat. Dies ist bemerkenswert, haben doch gerade die Frauen aufgrund ihres Geschlechts während des Genozids vor 25 Jahren besonders gelitten. Viele sind bis heute körperlich und psychisch davon gezeichnet.
Trotz dieser beeindruckenden Entwicklung und trotz eines Wirtschaftswachstums von jährlich 6-7% leben immer noch breite Bevölkerungsschichten in Ruanda in Armut. Die niedersächsischen Grünen unterstützen daher alle Aktivitäten, die weiter eine nachhaltige Entwicklung Ruandas unterstützen. Unser Ziel ist es mit der Ruandischen Zivilgesellschaft eine Zusammenarbeit zu erreichen, die vor allem auf den Werten und Prinzipien der Demokratie, der Gleichberechtigung und des Schutzes der Umwelt beruhen. Dabei sehen wir mit Sorge, dass das autokratische Regime unter Präsident Kagame bis heute grundlegende Freiheitswerte und Menschenrechte trotz einer guten verfassungsrechtlichen Lage in Ruanda nicht gewährleistet.
Deshalb fordern Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen die Regierung Kagame auf, diese grundlegenden Werte und Menschenrechte wie die Pressefreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht, eine friedliche Opposition zu bilden, aktiv zu unterstützen und so die Transformation Ruandas in eine freie rechtsstaatliche Demokratie zu vollenden.