Am 15. und 16. Oktober 2015 wurde in Bundestag und Bundesrat das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz beschlossen. Die Bundesregierung ist damit endlich in die schon lange geforderte dynamische finanzielle Unterstützung eingestiegen. Mit der Einstufung weiterer Balkanländer als sogenannte sichere Herkunftsstaaten, Arbeits- und Bildungsverboten, Regelungen zum längeren Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen, Leistungskürzungen und dem Verbot der Ankündigung von Rückführungen enthält das Gesetz gleichzeitig aber auch Maßnahmen, die falsch und wirkungslos sind. Sie bieten keine Lösungsansätze für die Herausforderungen, vor denen das Land in der Flüchtlingssituation steht. Vielmehr erschweren sie das menschenrechtsorientierte politische Handeln der rot-grünen Landesregierung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen konnten dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz im Bundesrat daher nicht zustimmen.
Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes sehen wir die Bundesregierung weiterhin in der Pflicht:
- die Dauer der Registrierung von der Asylantragstellung bis zum Bescheid zeitnah deutlich zu reduzieren,
- ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen,
- auf eine gesamteuropäische Lösung hinzuwirken,
- sich für eine substanzielle Verbesserung der Bedingungen für Geflüchtete in den Unterkünften in den Krisenregionen einzusetzen,
- die Einführung humanitärer Standards für Geflüchtete, die auf dem Weg in die EU sind, voranzutreiben,
- gemeinsam mit Partnern den Fluchtursachen vor Ort entgegenzuwirken.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen haben im rot-grünen Regierungshandeln deutlich gemacht, dass Humanität in der Flüchtlings- und Asylpolitik notwendig und machbar ist. Die Lebensbedingungen von Geflüchteten und AsylbewerberInnen in Niedersachsen konnten wir verbessern (beispielsweise durch Bargeld statt Gutscheinen, Ankündigung von Rückführungen und keinen Familientrennung).
Seit dem Spätsommer 2015 haben wir eine neue Situation und stehen damit vor der Herausforderung, den Tausenden von Geflüchteten Zuflucht und Sicherheit zu gewähren. Die veränderte Lage bedeutet täglich neue Herausforderungen für Niedersachsen, seine Landkreise, Städte und Gemeinden sowie die vielen haupt- und ehrenamtlichen UnterstützerInnen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen stehen auch in der aktuellen Situation für die Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Verankerung des individuellen Grundrechts auf Asyl. Menschenrechte und Humanität bleiben auch in schwierigen Zeiten Maßstab unseres politischen Handelns. Die von CDU/CSU ins Spiel gebrachten Transitzonen mit der Inhaftierung von AsylbewerberInnen lehnen wir ab. Auch die Einschränkung des Familiennachzugs lehnen wir ab. Vielmehr ist der verstärkte Ausbau von dezentralen Erstaufnahmeeinrichtungen notwendig, in denen die Geflüchteten in kurzer Zeit aufgenommen und registriert werden. Grüne Ziele sind eine gesteuerte Zuwanderung und beschleunigte Verfahren, statt weiterer Sanktionen und Leistungseinschränkungen.
Die vielen engagierten haupt- und ehrenamtlichen Kräfte in der Flüchtlingsarbeit machen deutlich, dass die Willkommenskultur – trotz der gewaltigen Herausforderungen für alle gesellschaftlichen AkteurInnen – in Niedersachsen gelebt wird. Ziel grüner Politik in Niedersachsen ist es, die gesellschaftlichen Herausforderungen anzunehmen, Optionen und Lösungen zu erarbeiten und diese im Interesse der Geflüchteten und der BürgerInnen in Niedersachsen in Regierungshandeln umzusetzen.
Dies gilt insbesondere auch für langfristige Aufgaben wie beispielsweise Bildung und Qualifikation, die Schaffung von Angeboten auf dem Arbeitsmarkt und von ausreichend Wohnraum. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass anerkannte Flüchtlinge bundesweit endlich echte Chancen auf Integration und Teilhabe bekommen.