„Pünktlich wie die Eisenbahn“ war einmal – in Niedersachsen und in ganz Deutschland. Verspätete Züge und verpasste Anschlüsse gehören zur Tagesordnung. Bei wichtigen Terminen wird gerne der Zug eine Stunde eher genommen – mindestens eine Stunde. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr der Deutschen Bahn lag im September 2025 nur noch bei 61,9 % und auch im Nahverkehr sieht es insgesamt nicht viel besser aus. Je nach Strecke ist auch in Niedersachsen mitunter jeder dritte Zug unpünktlich oder fällt ganz aus.
Aber anstatt nun das System Bahn abzuschreiben, setzen wir Grüne schon lange auf eine starke Bahn. Sie muss das Rückgrat eines künftigen Verkehrssystem sein. Mit keinem Verkehrsträger sonst können Menschen und Güter grundsätzlich so einfach, klimafreundlich und zuverlässig transportiert werden. Doch dazu müssen nun endlich die Rahmenbedingungen erfüllt werden.
Zu unpünktlich, zu marode, zu voll
Heute aber ist das Netz der Bahn in vielen Teilen stark überlastet, und zwar insbesondere da, wo auch die meisten Pendler*innen und Güterverkehre unterwegs sind. Gleichzeitig ist der Zustand von Bahnanlagen durch Politik der letzten Jahrzehnte in einem immer schlechteren Zustand. Unter der Ampel wurde zuletzt umgesteuert: Es wurden erheblich mehr Mittel in die Schiene investiert, sodass Anfang 2025 zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Infrastruktur nicht noch schlechter wurde, was ein erster Erfolg ist. Die jetzige Regierung setzt diesen Kurs jedoch nicht fort und schadet diesem positiven Trend massiv! Der schlechte Zustand der Infrastruktur ist ein Problem, das uns in jedem Fall noch lange beschäftigen wird. Bei der Strecke Hamburg-Hannover lässt sich das exemplarisch beobachten.
Generalsanierung
Der Bund und die Deutsche Bahn setzen auf das Mittel der Generalsanierung, um die bestehende Infrastruktur zu ertüchtigen und Verkehre wieder verlässlicher fahren zu lassen. Niedersachsen ist mit rund 20% der sanierten Gleiskilometer besonders betroffen. Wir kritisieren scharf, dass der Bund trotz Sondervermögens nicht genug Geld für die Schiene bereitstellt und die Generalsanierungen nicht wie geplant umgesetzt werden können, und fordern das Land Niedersachsen auf, sich beim Bund für eine bessere Finanzierung der Bahn einzusetzen.
Trotz großer Einschränkungen während der Bauphasen erkennen wir an, dass es in der aktuellen Situation keine andere Möglichkeit gibt, den Zustand der Infrastruktur erheblich zu verbessern. Dabei fordern wir aber den Bund, das Land und die Deutsche Bahn auf, die Ersatzkonzepte zu optimieren, um möglichst viele Personen und Güter auch in der Bauphase zu binden.
Kapazitäten
Um die Kapazitäten zu steigern, wird aber zusätzliche Infrastruktur nötig sein. Für den Korridor Hamburg – Hannover wird dieser Bedarf seit Jahrzehnten breit anerkannt – und genauso lange wird über eine Umsetzung diskutiert. 2015 gab es den Versuch mit dem „Dialogforum Schiene Nord“ eine Lösung zu finden. Die Mehrheitsentscheidung ergab einen Komplex an verschiedenen Ausbaumaßnahmen, das sog. „Alpha E“. Schon bald stellte sich aber heraus, dass die Engpässe nicht beseitigt und die notwendigen Kapazitäten nicht geschaffen werden. Dies ist nur mit einer Neubaustrecke möglich.
Planungen einer Neubaustrecke gehen voran
Die im Juni 2025 endlich vorgelegten Planungen einer Vorzugsvariante präferieren die Realisierung einer Neubautrasse. Diese ist in vielen Bewertungsvarianten anderen untersuchten Varianten überlegen. Wir begrüßen, dass der Prozess fortschreitet und zeitnah die Parlamentarische Befassung im Bundestag eingeleitet werden soll. Unsere Grünen Bundestagsabgeordneten fordern wir auf, sich konstruktiv in diesen Prozess einzubringen. Eine weitere Verzögerung der Entscheidung auf der Bundesebene ist nicht hinnehmbar.
Infrastruktur ist immer auch Belastung
Ohne Frage ist jede neue Infrastruktur ein Eingriff ins Lebensumfeld von Menschen. Sie versiegelt Flächen, schafft neue Lärmquellen, beschränkt die Entwicklung von Orten oder beeinträchtigt dort lebende Tiere. Im Wissen darum muss ein möglichst großer Ausgleich geschaffen werden. Dazu sollten im Prozess der Parlamentarischen Befassung Möglichkeiten genutzt und zum Beispiel mehr Lärmschutz oder Querungshilfen für Tiere geprüft werden.
Besonders belastet ist aufgrund der schon heute vielen Autobahnen und Bundesstraßen beispielsweise die Gemeinde Seevetal. Hier erwarten wir im weiteren Prozess eine besondere Aufmerksamkeit, um große Bauwerke für die Bevölkerung vor Ort so verträglich wie möglich zu gestalten.
Regionaler Nutzen
Eine Neubaustrecke wird einer Region direkten Nutzen bringen, wenn sie gut gemacht ist. Die Bahn hat zwei mögliche Regionalhalte entlang der Bahnstrecke skizziert, obwohl dies eigentlich Aufgabe des Landes wäre. Hier fordern wir das Land auf, diese Pläne gemeinsam mit der Bahn weiterzuentwickeln, zu konkretisieren und so den betroffenen Menschen einen echten und direkten Nutzen durch konkurrenzlos schnelle Regionalzug-Verbindungen zu schaffen.
Nutzen für ganz Niedersachsen
Das Land Niedersachsen plant mittelfristig auf vielen Verbindungen Mehrverkehre. Nur mit Verdichtungen auf 30-Minuten-Takte als Regel ist eine Verkehrsverlagerung möglich. Diese sind aber nur mit zusätzlicher Infrastruktur möglich, die schnelle und langsame Verkehre entmischt. Dies ist allein durch eine Neubaustrecke gegebene und bringt somit Nutzen im ganzen Land bis nach Osnabrück oder Göttingen.
Enttäuschung bei Bürger*innen
Parteiübergreifend gibt es viele Menschen, die sich 2015 im Dialogforum Schiene Nord und in der Begleitung des weiteren Prozesses eingebracht haben. Die Beweggründe hierfür sind ganz unterschiedlich. Sie haben dies in der Erwartung getan, mit geringeren Eingriffen als jetzt vorgesehen und ohne eine Neubaustrecke die Herausforderungen der Bahn in diesem Korridor lösen zu können. Diese Erwartungen wurden damals auch von Politik auf allen Ebenen genährt.
Dies hat sich im Nachhinein als falsch herausgestellt und führt jetzt zu großen Enttäuschungen und Misstrauen in Politik und Beteiligungsprozesse. Das ist eine schwere Hypothek, die es aufzuarbeiten gilt. Bei Beteiligungsformaten muss klarer als damals geschehen der Rahmen der Beteiligungsmöglichkeiten geklärt sein. Es muss dabei auch für alle Beteiligten klar sein, welche Prämissen gegeben sind.
Nicht zuletzt durch die lange Zeit, die seit dem Abschlussbericht des Dialogforums vergangen ist, haben sich die Rahmenbedingungen zusätzlich so geändert, dass ein Festhalten an diesem Ergebnis nicht vertretbar wäre.