Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen übernehmen das von der
Landesarbeitsgemeinschaft Sport am 20.09.2025 beschlossene Positionspapier
„Gleichberechtigung im Sport – für eine gerechte und inklusive Sportkultur für Frauen“:
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz verankert (Artikel 3, Absatz 2 GG) und verpflichtet den Staat, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Im Bereich des Sports besteht jedoch nach wie vor eine deutliche Kluft zwischen diesem verfassungsrechtlichen Anspruch und der Realität. Wir setzen uns für einen Sport ein, der allen Menschen gleiche Chancen bietet – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sexueller Identität.
Sexualisierte Gewalt und Sexismus im Sport
Im Sport sind Frauen und Mädchen besonders häufig von sexualisierter Gewalt und Sexismus betroffen. Die Strukturen im Sport – geprägt von Hierarchien, körperlicher Nähe und Abhängigkeitsverhältnissen – begünstigen Grenzüberschreitungen. Verbale Übergriffe, unangemessene Kommentare zum Körper und sexistische Darstellungen in den Medien sind für viele Sportlerinnen Alltag. Studien zeigen, dass fast jede dritte Athletin bereits sexualisierte Gewalt im Sportkontext erfahren hat. Die bestehenden Präventions- und Interventionsstrukturen sind unzureichend, und Betroffene finden oft kein Gehör. Wir fordern daher verpflichtende Schutzkonzepte in allen Sportorganisationen, die Stärkung unabhängiger Anlaufstellen für
Betroffene und die konsequente Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt. Wir begrüßen die geschaffene Anlaufstelle und setzen uns für eine fortlaufende Evaluierung dieser ein.
Zeitgleich zeigt sich das Sexismusproblem auch in der Bezahlung der Sportlerinnen, welche in den meisten Fällen deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Dieses Problem hat auch equalchamps erkannt und arbeitet an der Lösung dessen. Diese Initiative unterstützen wir uns setzen uns für eine gerechte Bezahlung, auch im Sport, ein.
Trainerinnenförderung
Der eklatante Mangel an weiblichen Trainerinnen, besonders in traditionell männlich dominierten Sportarten, verstärkt bestehende Ungleichheiten. Für Mädchen und junge Frauen fehlen wichtige Identifikationsfiguren, die den Einstieg in diese Sportarten erleichtern könnten. Die Rahmenbedingungen für Trainerinnen sind oft unattraktiv: Training zu Randzeiten erschwert die
Vereinbarkeit mit Familie und anderen Verpflichtungen, während die überwiegende Beschäftigung als Honorarkraft ohne soziale Absicherung zu Versorgungslücken und letztlich Altersarmut führt. Im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die der Landesebene diesbezüglich zur Verfügung stehen, setzt diese sich unter anderem für die Anrechnung der Ehrenamtlichkeit auf die Rentenpunkte ein
um das Engagement als Trainerin attraktiver zu gestalten. Wir setzen uns für Mentoringprogramme für angehende Trainerinnen, flexible Ausbildungsmodelle, bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene soziale Absicherung ein. Ziel ist es, den Anteil von Trainerinnen auf allen Ebenen signifikant zu erhöhen und gleichzeitig ihre berufliche Situation nachhaltig zu verbessern.
Diversität in Vereinsvorständen
Die Führungsebenen im organisierten Sport sind nach wie vor männlich dominiert. Im Jahr 2021 waren nur rund 30% der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Diese Unterrepräsentation führt dazu, dass frauenspezifische Perspektiven und Bedürfnisse in Entscheidungsprozessen zu wenig Berücksichtigung finden. Vereinsstrukturen und -angebote bleiben dadurch oft an männlichen
Lebensrealitäten ausgerichtet. Wir begrüßen die Initiative des LSB, Frauen in Vorständen zu stärken und die Sichtbarkeit von Frauen in Vorständen zu erhöhen. Damit die Sportvereine die Parität bei Sportvorständen und/oder Verbandsgremien erreichen können, sollen gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen in Führungspositionen sowie die Etablierung familienfreundlicher Sitzungszeiten und –Formate weiter gefördert werden. Nur durch eine ausgewogene Beteiligung aller Geschlechter in Entscheidungsgremien kann der Sport zu einem
wirklich gleichberechtigten Raum werden.
Spitzensport: Vereinbarkeit von Familie und Leistungssport
Die Vereinbarkeit von Familiengründung und sportlicher Karriere stellt für Spitzensportlerinnen eine besondere Herausforderung dar. Während eine Familienpause in anderen Berufen rechtlich abgesichert ist, bedeutet eine Schwangerschaft für Athletinnen oft das faktische Karriereende.
Sponsoringverträge werden gekündigt, Fördergelder gestrichen und der Wiedereinstieg ist kaum geregelt. Diese strukturellen Hindernisse zwingen Sportlerinnen zu einer künstlichen Entscheidung zwischen Familie und Karriere, die Männern nicht abverlangt wird. Wir setzen uns für einen
gesetzlich verankerten Mutterschutz für Berufssportlerinnen ein, der Lohnfortzahlung während der Schwangerschaft, Erhalt von Kaderplätzen und Fördergeldern sowie unterstützende Maßnahmen für den Wiedereinstieg umfasst. Sportverbände müssen zudem verpflichtet werden, familienfreundliche
Trainingsbedingungen zu schaffen und Kinderbetreuung bei Wettkämpfen anzubieten.
Als positiv Beispiel ist hier der TSG Hoffenheim zu nennen, welcher Spielerinnen eine Vertragsverlängerung bei Schwangerschaft im letzten Vertragsjahr bei gleichen wirtschaftlichen Bedingungen garantiert. Das ist ein wichtiger Schritt und wir begrüßen diesen.
(https://www.spiegel.de/sport/fussball/fussball-tsg-hoffenheim-fuehrt-vertragsverlaengerung-bei-
schwangerschaft-ein-a-d2f2156e-871c-41ce-8256-adb312880e64)
Spitzensport: Inklusion von trans Personen
Die Teilhabe von trans Personen am Wettkampfsport wird in vielen Sportarten durch pauschale Ausschlüsse verhindert. Insbesondere trans Frauen sehen sich mit dem unbegründeten Vorwurf konfrontiert, sie würden über „unfaire Vorteile“ verfügen. Diese Annahme ist wissenschaftlich nicht haltbar und ignoriert die Vielfalt körperlicher Voraussetzungen, die bei allen Sportler*innen existiert.
Wir setzen uns für eine evidenzbasierte, menschenrechtskonforme Regelung ein, die den Schutz vor Diskriminierung in den Mittelpunkt stellt. Sportverbände müssen verpflichtet werden, inklusive Teilnahmeregeln zu entwickeln, die die Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung respektieren. Dabei sind pauschale Ausschlüsse abzulehnen und stattdessen Lösungen zu finden, die
die Teilhabe aller Menschen am Sport ermöglichen.
Nichtbinäre Menschen sind durch die Zweiteilung nach Geschlecht häufig generell von Sportvereinen ausgeschlossen oder müssen sich einer Gruppe zuordnen, zu der sie nicht wirklich gehören. Auch sind die Sanitäreinrichtungen der meisten Sporteinrichtungen nur binärgeschlechtlich. Sportverbände sollten Regelungen und Vorschläge entwickeln, die nichtbinären Menschen eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilnahme an Training und Wettbewerben ermöglicht.
Genderorientierte Sportwissenschaft
Die Sportwissenschaft und -medizin hat sich historisch vorwiegend an männlichen Körpern orientiert (gender data gap). Trainingslehre, Ernährungsempfehlungen und Leistungsdiagnostik basieren überwiegend auf Studien mit männlichen Probanden, deren Ergebnisse unreflektiert auf Frauen übertragen werden. Die spezifischen physiologischen Bedingungen des weiblichen Körpers,
insbesondere des Menstruationszyklus’ und dessen Auswirkungen auf Training und
Leistungsfähigkeit, werden kaum berücksichtigt. Wir fordern daher eine systematische Förderung der gendersensiblen Sportwissenschaft, die Etablierung von zyklusorientiertem Training als Standard sowie die Integration dieser Erkenntnisse in die Ausbildung von Trainer*innen. Nur durch die Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Trainingsansätze können alle Sportler*innen ihr volles Potenzial entfalten und Verletzungsrisiken minimieren.
Gleichberechtigung im Sport: Unsere Forderungen
Um die Gleichstellung im Sport voranzubringen, setzen wir uns für folgende konkrete Maßnahmen ein:
• Förderung der Parität bei Führungspositionen in Sportverbänden und -Vereinen
• Bundesweites Programm zur Förderung von Trainerinnen mit besonderem Fokus auf Frauen mit Migrationsgeschichte
• Gesetzliche Verankerung eines Mutterschutzes für Berufssportler*innen
• Equal Pay im Spitzensport durch Koppelung öffentlicher Fördergelder an gleichwertige Vergütung
• Gleichwertige Ressourcenaufteilung im Breiten- und Spitzensport
• Verpflichtende Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt in allen geförderten
Sportstrukturen
• Einrichtung eines Forschungsschwerpunkts „Gendersensible Sportwissenschaft“ mit ausreichender finanzieller Ausstattung
• Entwicklung inklusiver Regelungen für die Teilhabe von trans-, inter- und nicht-binären Personen am Wettkampfsport
Der Sport muss seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und zu einem Ort werden, an dem Gleichberechtigung gelebt wird. Mit unserem Beschluss legen wir einen umfassenden Ansatz vor, um strukturelle Benachteiligungen abzubauen und allen Menschen die gleichberechtigte
Teilhabe am Sport zu ermöglichen. Nur so kann der Sport sein volles Potenzial als verbindendes und stärkendes Element unserer Gesellschaft entfalten.
https://www.dw.com/de/kirsty-coventry-ioc-transgender-frauensport-transfrauen/a-58675555
https://www.sportjugend-nds.de/fileadmin/user_upload/NEU_Angebote_Betroffene.pdf
https://www.lsb-niedersachsen.de/fileadmin/user_upload/Ausschreibung_Systemcoaching-2024.pdf
Verfasst von dem Schreibteam der LAG Sport um Koordinatorin Onyeka Oshionwu
Beschlossen bei der Präsenzsitzung der LAG Sport am 20.09.2025