2015 ist das Jahr des Klimagipfels in Paris und damit das Jahr der entscheidenden klimapolitischen Weichenstellung. Es muss endlich gelingen, die Weltgemeinschaft auf ein verbindliches Klimaschutz-Abkommen zu verpflichten, damit überhaupt noch realistische Chancen auf die Einhaltung der sogenannten Zwei-Grad-Grenze bestehen. Eine Erderwärmung über zwei Grad in den kommenden Jahrzehnten hätte unvorhersehbare Klimaveränderungen zur Folge. Um das zu verhindern, muss der Klimaschutz als die zentrale ökologische, soziale und ökonomische Herausforderung in diesem Jahrhundert erkannt und konsequent angegangen werden. Faktisch ist die Weltgemeinschaft aber aktuell auf einem Pfad, der eher bei knapp fünf Grad Celsius am Ende des Jahrhunderts landet. Die Zwei-Grad-Grenze impliziert eine Reduzierung der CO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 80 bis 95 Prozent und um 55 Prozent bis 2030. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen geht davon aus, dass deshalb mehr als 95 Prozent der heute bekannten fossilen Ressourcen im Boden verbleiben müssen.
Global gibt es bislang keine Verständigung über ein langfristiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Die Hoffnungen für einen globalen Klimavertrag konzentrieren sich daher auf Paris im Herbst dieses Jahres. Ohne ehrgeizige CO2-Reduktionsziele und die Vereinbarung konkreter Maßnahmen, die für alle Nationen gelten, ist die Klimakrise nicht beherrschbar.
Schon jetzt sind überall auf der Welt zahlreiche negative Auswirkungen der durch den Menschen verursachten Klimakrise deutlich spürbar: Extreme Wettereignisse nehmen zu, die Wüsten breiten sich aus, der Meeresspiegel steigt und mit ihm die Zahl der Menschen, die vor den Klimafolgen flüchten müssen. Weil die Klimakrise die Lebensgrundlage der Menschen verändert und bedroht, werden die Zahl der Konflikte um Ressourcen und die Zahl der Menschen, die vor den Klimafolgen flüchten müssen, weiter zunehmen.
Auch in Niedersachsen ist eine Veränderung des Klimas bereits spürbar; extreme Wetterereignisse nehmen auch hier zu. Als Küstenland sind wir von den Auswirkungen des Meeresspiegel-Anstiegs direkt betroffen, so dass zum Beispiel die Küstenschutzausgaben deutlich erhöht werden müssen.
Daher gilt es jetzt auf allen Ebenen – von der Kommunal- bis zur Weltpolitik – alle Maßnahmen zu ergreifen, um das Klima wirksam zu schützen. Bei diesem Prozess haben die Industriestaaten eine besondere Verantwortung, da ein Großteil der klimaschädlichen Emissionen durch unsere Art des Wirtschaftens und unsere Technologien verursacht werden. Demgegenüber sind die Länder des Südens von den Folgen der globalen Erwärmung aufgrund des ungleichmäßigen Temperaturanstiegs überproportional betroffen.
Viele Beispiele zeigen, dass es auch anders geht. Mit der Einleitung des Atomausstiegs und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der damaligen rot-grünen Bundesregierung hat Deutschland eine umfassende Energiewende eingeleitet. Heute wird bereits über ein Viertel des Stroms aus Erneuerbaren Energien produziert. Zahlreiche Kommunen haben sich auf den Weg gemacht und sich Klimaschutz sowie die Energiewende auf die Fahnen geschrieben.
Der Umbau der Energieversorgung auf hundert Prozent regenerative Energien muss einer Ausstiegshierarchie folgen, die sich an den Risiken misst. Demnach steht an erster Stelle der Atomausstieg, gefolgt von dem Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Braunkohle, Steinkohle, Öl und Gas. Entscheidend für die Ausstiegshierarchie ist eine möglichst ganzheitliche Ökobilanz, die prioritär die CO2- und sonstigen Treibhausgas-Emissionen (THG) berücksichtigt, aber auch andere Umweltrisiken beachtet. Zudem sind technische Restriktionen beim Umbau der Energieversorgung zu beachten; beispielsweise lassen sich Brückentechnologien wie hocheffiziente dezentrale Blockheizkraftwerke mit bis zu 95 Prozent Wirkungsgrad zwar mit Gas betreiben, jedoch nicht mit Braunkohle oder Steinkohle.
Vor diesem Hintergrund setzen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen dafür ein:
- Es müssen endlich verbindliche Vereinbarungen mit konkreten Zielen und Maßnahmen auf den Weg gebracht werden: Die Klimakrise ist eine globale Herausforderung, und alle Länder dieser Erde müssen ihren Teil zum Gelingen der notwendigen Wende beitragen. Der Klimagipfel von Paris darf kein weiterer Gipfel der warmen Worte und der Unverbindlichkeiten werden.
- Die Bundesregierung muss endlich mit ambitionierten Klimazielen vorangehen und mehr für Energieeinsparung und Energieeffizienz sowie den Ausbau der Erneuerbaren Energien tun: Die Bundesrepublik ist unter Schwarz-Gelb und der Großen Koalition vom Vorreiter zum Bremser der Energiewende und des Klimaschutzes geworden. In der Verantwortung der selbsternannten „Klimakanzlerin“ sind CO2-Emissionen wieder angestiegen und alte Kohlemeiler am Netz geblieben. Kardinalfehler des vergangenen Reformvorhabens zum EEG der Merkel-Regierung ist der Verzicht auf eine zeitgleiche Reform des Emissionshandelssystems. Lasche Klimaziele, zu umfangreiche Freistellungen und ein Rückgang der Wirtschaftsleistung einiger Länder im Zuge der Finanzkrise hat den Preis für ein Verschmutzungsrecht für eine Tonne CO2-Äquivalent von zeitweise etwa 30 auf heute rund fünf Euro einbrechen lassen. In der Folge ist die Verbrennung von Braunkohle und Steinkohle unter anderem zu Lasten hocheffizienter und bedarfsgerecht steuerbarer Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) deutlich lukrativer geworden – zu Lasten des Klimas. So lange der gemeinsame politische Wille in der EU nicht ausreicht, den Markt für CO2-Emissionszertifikate durch die dauerhafte Herausnahme einer großen Anzahl überschüssiger Zertifikate aus dem Markt substantiell zu stabilisieren (Set aside), muss Deutschland z.B. über einen CO2-Mindestpreis die bestehende Schieflage korrigieren.
- Klimaschutz und Energiewende funktionieren nur mit Kohleausstieg: Die Grenzwerte für den Ausstoß klima- und umweltschädlicher Emissionen wie Quecksilber und Stickoxide von Kraftwerken müssen massiv verschärft und so ein zeitnahes Abschalten der ältesten und ineffizientesten Kraftwerke realisiert werden. Ziel muss ein kompletter und schneller Ausstieg aus der Kohlekraft – beginnend mit den Braunkohlekraftwerken – bis spätestens 2030 sein. Umwelt- und klimaschädliche Subventionen konsequent abbauen und damit Milliarden Investitionen in Klimaschutz und die Energiewende finanzieren: Die Summe umwelt- und klimaschädlicher Subventionen liegt laut dem Umweltbundesamt in Deutschland inzwischen bei riesigen 52 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Politik muss konsequent beendet werden, weil sie dem Klima doppelt schadet. Die Privilegierung schwerer Dienstwagen, die milliardengroße Subventionierung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn, die Ausnahmen bei der Öko-Steuer, die Steuerbefreiung für die stoffliche Nutzung von Erdöl oder die Subventionierung des Agrardiesels verursachen nicht nur einen hohen Ausstoß an Treibhausgasen, sondern verzerren auch den Wettbewerb mit regenerativen und umweltfreundlichen Alternativen. Die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen müssen konsequent abgebaut werden. So lassen sich kurzfristig in einem ersten Schritt 10 Milliarden Euro einsparen, um damit Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Energieeffizienz und die Energiewende zu finanzieren.
- Die Industrie muss in die Pflicht genommen werden: Sie braucht klare klimapolitische Vorgaben und echte Anreize für nachhaltige, klimaverträgliche Produktionsweisen. Neben einem globalen und wirklich funktionierenden Emissionshandelssystem oder einem vergleichbaren System einer kontinuierlichen Verteuerung der Verbrennung von fossilen Rohstoffen werden klare und stringente ordnungspolitische Beschränkungen zur Flankierung benötigt.
- Niedersachsen muss weiter vorangehen und Impulse setzen: Schon jetzt ist Niedersachsen das Vorreiterland der Energiewende. Die neue Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen fördert den Klimaschutz auf kommunaler Ebene, Energieeinsparungen im Gebäudebestand und Effizienzsteigerungen in Unternehmen. Mit der Einrichtung einer Regulierungskammer hat das Land die Aufsicht über die kleinen und mittleren Stromnetze wieder selbst in die Hand genommen.
- Nun muss zeitnah ein eigenes Niedersächsisches Klimaschutzgesetz mit ambitionierten Zielvorgaben auf den Weg gebracht werden. Klimaschutz muss endlich Pflichtaufgabe auf allen kommunalen und staatlichen Ebenen sein. Bund und Länder müssen sich für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen einsetzen. Dafür sollen auch gesetzliche Grundlagen in Klimaschutzgesetzen des Bundes und der Länder geschaffen werden.
- Für eine 100-Prozent-klimaverträgliche Energiewirtschaft brauchen wir auch in Niedersachsen einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien und weitere Anstrengungen bei Energieeinsparung und Effizienzsteigerung: In Privathaushalten und öffentlichen Gebäuden sowie in Industrie und Gewerbe können sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor noch große Effizienzpotentiale erschlossen werde. Im Bereich der zukünftigen Energieversorgung bietet sowohl Off- als auch Onshore Windkraft die größten Potentiale, aber auch für die Nutzung der Sonnenenergie ist ein weiterer Ausbau notwendig. Zu einer erneuerbaren und dezentralen Energieversorgung gehört dabei auch eine Weiterentwicklung der Speichertechnologien. Bis 2030 können wir unsere Stromversorgung zu 100 Prozent erneuerbar gestalten, bis 2050 wollen wir die Wärmeversorgung unabhängig von fossiler Energieerzeugung machen.
- Forschung verstärken und ausbauen: Gerade bei der Solarenergie, Windenergie, Geothermie sowie im Bereich der Regel- und Speichertechnologien können durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Innovationen die Potentiale der erneuerbaren Energien besser ausgeschöpft werden. In Niedersachsen gibt es etwa 35 Forschungsinstitute, die in diesem Bereich innovative Forschung betreiben. Diese Arbeit gilt es weiter zu unterstützen und auszubauen.
- Klimaschutz braucht eine umfassende Mobilitätswende! Eine klimaverträgliche und damit enkeltaugliche Verkehrsentwicklung braucht ein Umdenken hin zu wirksamen Mobilitätskonzepten. Diese beinhalten u.a. multimodale Verkehrsträgerketten, einen deutlichen Ausbau des ÖPNV- und Fahrradmobilitäts-Angebotes und z.B. Modellprojekte für Car-Sharing auch im ländlichen Raum.“
- Niedersachsen muss das Land der nachhaltigsten Fahrzeuge werden: Als Miteigentümer von Volkswagen muss das Land seinen Einfluss auf Volkswagen nutzen, damit alternative Antriebskonzepte zum Regelfall werden, so dass der CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte weiter drastisch reduziert wird und die Fahrzeugentwicklung sich am technisch Möglichen orientiert. Mit einer ökologischen Verkehrspolitik werden wir uns für eine konsequente Stärkung des klimafreundlichen Verkehrs auf der Schiene und für die Streichung überflüssiger Straßenneubauprojekte einsetzten.
- Agrarwende ist aktiver Klimaschutz: Die aktuell vorherrschende Form konventioneller Landwirtschaft inklusive der Moornutzung ist in Niedersachsen mit mehr als 25 Prozent ein nicht unerheblicher Faktor der Verschärfung der Klimakrise. Eine deutlich beschleunigte Hinwendung zu ökologischer, nachhaltiger Lebensmittelproduktion im Agrarland Niedersachsen ist also überlebensnotwendig. Deswegen brauchen wir eine Abkehr von einer industriellen Agrarwirtschaft, die Masse statt Qualität in den Mittelpunkt stellt, hin zu einer bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft, die die Ökologisierung der Landwirtschaft, die Entwicklung tiergerechterer Haltungsverfahren und klimaschonende Produktionsverfahren weiter vorantreibt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden in den kommenden Monaten bis zum Klimagipfel mit vielfältigen Aktionen für konsequenten Klimaschutz kämpfen. Eine klimagerechte Zukunft ist möglich!