Neue Zeiten – neue Antworten

Ein Bericht über das Regionalforum zum Grundsatzprogramm am 31. Januar

Neue Zeiten – neue Antworten.

Unter diesem Motto kamen beim Regionalforum zum Grundsatzprogramm am 31. Januar rund 200 Grüne aus Niedersachsen und Bremen zusammen, um gemeinsam darüber zu reden was Grüne Politik im Kern ausmacht. Im Herbst 2020 wird ein neues Grünes Grundsatzprogramm beschlossen – ein Grund uns auf unsere Werte und Standpunkte zu besinnen und zu verständigen. Die zahlreichen und teils kontroversen Diskussionen machten eines klar: Wir Grünen sind vielfältig. Das betonte auch die Bundesvorsitzende Annelena Barbock in ihrer Keynote.

„Doch wer Vielfalt mit Beliebigkeit verwechselt, der macht es genau falsch. Wir schreiben Bündnispartei drauf. Wir sagen: In jeder Herausforderung steckt auch eine Chance. Aber – und das steht deswegen seit 40 Jahren in jedem Grundsatzprogramm ganz am Anfang – wenn man verändern will, wenn man Menschen zusammenführen will, dann muss man wissen, auf welchem Fundament dieses Haus gebaut ist. Wir müssen wissen, was unsere Grundlagen, was unsere Werte sind. Und diese Werte haben sich bei uns in 40 Jahren nicht verändert“, stellte Annalena Baerbock fest.

Ökologie. Gerechtigkeit. Selbstbestimmung. Demokratie. Frieden. Diese Werte einen uns gemeinsam in Vielfalt als Bündnispartei – und sie stehen einführend im Zwischenbericht, der zum Grundsatzprogrammprozess geschrieben wurde. Doch was bedeuten diese Werte für Grüne Politik?
Die Teilnehmer*innen des Regionalforums diskutierten in sechs verschiedenen Workshops in Kleingruppen zu konkreten Themen- und bearbeiten oder ergänzten einzelne Aspekte aus dem Zwischenbericht.

Im Folgenden geben wir einen kleinen, wenn auch sicher unvollständigen, Einblick in die Debatten der Kleingruppen:

Außenpolitik und Menschenrechte
Ein globales Menschenbild soll die internationale Zusammenarbeit prägen – auf Augenhöhe und unter Einhaltung der Menschenrechte . Entwicklungszusammenarbeit ist immer auch machtkritisch zu denken. Wandel kann durch Austausch erreicht werden – dafür ist gerade auch in den Bereichen Wissenschaft und Kultur eine gute internationale Zusammenarbeit wichtig. Die Vereinten Nationen und ihre Institutionen müssen reformiert und demokratisiert werden, um faire Repräsentation und Machtverteilung zu gewährleisten.

 

Um in Europa visionär voranzugehen, sollte die Europäische Union als föderale europäische Republik weitergedacht werden. Das heißt: die EU nach Innen stärken und demokratisieren. Außenpolitik muss breiter (nicht nur militärisch) gedacht werden.
In der Asylpolitik müssen Humanität und Prävention im Mittelpunkt stehen. Dafür müssen Fluchtursachen bekämpft und Seenotrettung aktiv gefördert werden. Wichtig ist, dass auch Kommunen die Möglichkeit haben, Geflüchtete selbstständig aufzunehmen. Um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu gewährleisten, ist es notwendig, legale Zugangswege zu schaffen und eine Alternative zum Dublin-Verfahren zu finden.

Demokratie
Nicht nur der Mensch sollte im Mittelpunkt der Politik stehen, sondern die Würde aller Lebewesen. Für die Teilhabe in der demokratischen Gesellschaft sollten Volksentscheide auf Bundesebene möglich werden. Diese können vom Parlament mit einer zweidrittel Mehrheit beantragt werden. Außerdem müsste das Wahlrecht ausgeweitet werden: Neben der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre sollte es auch unter 16 schon möglich sein, zu wählen. Dies könnte mit einem Antragswahlrecht umgesetzt werden – so könnten (zusätzlich zum allgemeinen Wahlrecht) Menschen unter 16 beantragen, wählen gehen zu dürfen.
Eine demokratische Gesellschaft braucht auch gute Bildung. Das Recht auf Bildung sollte mit einer Schule für alle umgesetzt werden, die ein langes gemeinsames und inklusives Lernen ermöglicht. Um als Teil der Gesellschaft wahrgenommen und gelebt zu werden, muss sich Schule demokratisieren und mit ihrem Sozialraum vernetzen.

Gerechtigkeit und Wirtschaft
Eine grundsätzliche Vermögensverteilung soll ein Gleichgewicht herstellen. Ein Instrument gegen Ungleichheit sollte die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sein.
Es braucht ein zukunftssicheres, einfaches und transparentes Sozialsystem. Das derzeitige Instrument der Grundsicherung sollte über die Garantiesicherung langfristig zum bedingungslosen Grundeinkommen führen.
Um einen Rechtsanspruch auf Teilhabe zu gewährleisten wird ein ein Recht auf fair bezahlte Arbeit vorgeschlagen. Gleichzeitig sollte es aber auch möglich sein, grundsätzlich weniger zu arbeiten.

Ökologie und Wohlstand
Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation, bei der ökologische Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe zusammen gedacht werden. Diese Grundsätze müssen Vorrang haben vor Wettbewerb und Profit. Ein Grundrecht auf ein Minimum an sozial-ökologischer Teilhabe sollte festgeschrieben werden.
Kritisiert wurde der Begriff des Wachstums im Zwischenbericht – eine endliche Welt kann nicht endlos wachsen. Nicht Wachstum, sondern Lebensqualität sollte deshalb das Ziel sein. Hierfür muss der Begriff der Lebensqualität (im Zwischenbericht heißt es „Wohlstand“) sowie dessen Messbarkeit konkret und detailliert definiert werden.
Ökologische Nachhaltigkeit muss auch einhergehen mit technologischen Lösungen und Innovationen. Hierfür ist gute, differenzierte Forschung nötig. Das Thema muss dabei immer unter dem Gesichtspunkt der „Verantwortung vor der Schöpfung im Anthropozän“ behandelt werden.
All das kann nur gelingen, wenn die Politik Regeln schafft, die weiter reichen als die besten Vorsätze und Prioritäten. So wichtig das Engagement Einzelner ist: Es reicht nicht aus, die Unternehmer*innen oder Verbraucher*innen individuell die Verantwortung für die ökologische Modernisierung zu geben.

Selbstbestimmung und Vielfalt
Unsere Utopie ist eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. Dafür müssen Mechanismen entwickelt werden, die Benachteiligungen ausgleichen und echte Chancengleichheit gewährleisten. Sensibilisierung für Vielfalt von Beginn an ist dafür zentral.
Die Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft muss enden. Es gilt, Rollenstereotype von Geburt an verhindern. Ein sensibler Umgang mit medialen Bildern und Inhalten ist dafür wichtig. Sprache ist Macht – Gendern gehört in unsere Sprache. Wir müssen uns wegbewegen vom weißen Mann als Norm. Wichtig für all das ist eine feministische Erziehung – nicht nur von Mädchen sondern gerade auch von Jungs.
Auch muss die Gewalt gegen Frauen beendet werden und. Schutzräume müssen ausfinanziert werden. Es muss Angebote für die speziellen Bedarfe von Frauen geben und eine Stärkung der Sicherheit im Netz. Menschenhandel muss gestoppt, Beratungsstellen und Therapieplätze ausgebaut werden.

Technologischer Wandel
Digitalisierung sollte als eigener Punkt im Grundsatzprogramm erscheinen, da sie in alle Lebensbereiche ausstrahlt. Dabei gilt es, die Chancen der Digitalisierung stärker zu betonen. Digitalisierung ist eine zentrale öffentliche Infrastruktur-Aufgabe. Aber auch Bildung für die Digitalisierung muss als wichtiges Thema seinen Platz im Programm haben.
Die Gentechnik braucht Regulierungen, die nicht zu Monopolen führen. Sie muss im Rahmen von Open Souce, Start Ups und staatlichen Institutionen stattfinden. Die Regelungen hierfür müssen auf europäischer Ebene getroffen werden. Die landwirtschaftliche Nutzung von Gentechnik sollte jedoch prinzipiell in Frage gestellt und andere Verfahren bevorzugt werden. Alte Sorten und samenfestes Saatgut sollten favorisiert werden.

 

Fazit
Alle diskutierten Themen sind sehr vielfältig, groß und komplex, was es unmöglich macht, alles ausführlich an einem Abend zu einem Ergebins zu bringen. Die vielen Punkte in einem Grundsatzprogramm zusammenzuführen, ist eine Herausforderung und eine Chance. Die Debatten werden weiter geführt, neue Ideen geboren und viele Fragen gestellt.

Wir freuen uns, dass sich in Hannover so viele motivierte Menschen am Grundsatzprogrammprozess beteiligt haben und blicken gespannt auf das, was kommt.