Europa als Garantin für Frieden, Freiheit und Wohlstand: Diese einstige
 Gewissheit wird heute mehr denn je bedroht. Der russische Angriffskrieg auf die
 Ukraine macht mit all seinen Folgen deutlich, wie fragil dieses Versprechen und
 wie wertvoll ein geeintes Europa für uns alle ist. Rechtsextreme und
 Faschist*innen sind europaweit auf dem Vormarsch. Sie nutzen die Krisen und
 Unsicherheiten unserer Zeit und stellen die freie, vielfältige Gesellschaft
 überall infrage. Das System dahinter: Ängste schüren und Menschen gegeneinander
 ausspielen, um die eigene Agenda umzusetzen. Die extreme Rechte will ein
 anderes, ein gespaltenes Europa, sie lehnt Prinzipien der Demokratie ab und
 verachtet Minderheitenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Am Ende gibt sie keine
 Antwort auf die tatsächlichen Herausforderungen unserer Zeit. Für uns GRÜNE in
 Niedersachsen ist klar: Nur ein sozial gerechtes und solidarisches Europa ist
 zukunftsfähig.
Wir Grüne sind Europapartei und überzeugte Demokrat*innen. Deshalb stehen wir
 für eine souveräne, demokratische und handlungsfähige Europäische Union.
 Europäische Interessen sind für uns niedersächsische Interessen. Wir liegen im
 Herzen Europas. Die wirtschaftlichen Verflechtungen durch Import und Export mit
 der Europäischen Union sind groß. Auf kommunaler Ebene haben rund 450
 niedersächsische Kommunen Partnerschaften mit Kommunen aus anderen EU-
 Mitgliedstaaten. Nicht zuletzt haben wir darum in unserem Koalitionsvertrag
 klare Ziele festgelegt, wie Niedersachsen noch enger mit Europa zusammenwachsen
 und dadurch weiter profitieren kann. Die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie
 gefährlich anti-europäische Kräfte sind, insbesondere, wenn Europa nicht
 sichtbar und spürbar wird vor Ort und wenn Menschen daran zweifeln, dass Politik
 für sie da ist. Es gilt darum: Europa in Niedersachsen spürbar machen und
 Niedersachsen in Europa.
Soziale Gerechtigkeit garantieren
Unsere Welt befindet sich im Wandel, und damit einher gehen viele Unsicherheiten
 und finanzielle Sorgen. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter
 auseinandergeht und Menschen ihre Miete oder Essen nicht mehr zahlen können,
 stellt sich die Gerechtigkeitsfrage immer lauter. Für mehr Zusammenhalt und
 Zuversicht muss die Europäische Union darum sozial gerechter werden. Wir wollen
 eine EU, in der alle Menschen ein gutes und sicheres Leben haben: mit fairen
 Löhnen, verlässlichen Arbeitsbedingungen, sozialer Sicherheit und Schutz vor
 Diskriminierung und Ausbeutung. So stärken wir das Zutrauen der Bürger*innen in
 eine handlungsfähige Europäische Union und nicht zuletzt in unsere Demokratie.
 Eine Europäische Union als eine soziale Union ist auch ein Versprechen an die
 Breite der Gesellschaft.
Bürger*innen müssen sich darauf verlassen können, dass sie sozial abgesichert
 sind, egal ob in unvorhergesehenen Notlagen oder in der Rente. Jeder Mensch hat
 das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, und dazu gehört ein Leben ohne Armut.
 In jedem Europäischen Mitgliedsstaat braucht es starke, armutsfeste
 Sozialsysteme.
Transformation gestalten
Unternehmer*innen wünschen sich eine Umgebung, die transformationsfreundlich und
 offen ist. In der Investitionen mittel- und langfristig Früchte tragen. In der
 motivierte, gut ausgebildete Arbeitnehmer*innen sowohl nach innen als auch nach
 außen zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Für uns GRÜNE ist dies untrennbar
 mit dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit sowie Chancengleichheit der
 Arbeitnehmer*innen verbunden. Dazu zählen die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz
 sowie die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung.
Die Grundsätze für ein soziales Europa sind in der Europäischen Säule sozialer
 Rechte angelegt. Dabei darf es aber nicht bei Grundsätzen und Empfehlungen
 bleiben. Wir wollen rechtsverbindliche und einklagbare Arbeits- und
 Sozialstandards daraus ableiten.
Die Europäische Union muss zur Verbesserung des Status Quo geschlossen vorgehen
 und braucht mehr finanzielle Mittel und Instrumente, um gemeinsam Strategien
 anzuwenden. Dies bedeutet unter anderem, die Steuer für Superreiche einzuführen
 und konsequent Steuerschlupflöcher zu schließen sowie Steuerbetrug besser zu
 verfolgen. Denn wir sehen derzeit, dass die Mittelschicht zahlt, Milliardäre
 aber nicht. Es bedeutet aber auch, die bereits bestehenden Möglichkeiten
 effizienter zu nutzen. Klar ist: Aus Krisen spart man sich nicht heraus, man
 investiert sich antizyklisch heraus. Nachfolgende Generationen werden uns nicht
 dafür danken, besonders gut gespart zu haben, sondern dafür, dass wir klug und
 nachhaltig investiert haben. Dafür muss der Stabilitäts- und Wachstumspakt der
 Europäischen Union so überarbeitet werden, dass die Schuldenbremse grundlegend
 reformiert wird.
Nachhaltig wirtschaften
Damit wir in Zukunft sicher und gut leben können, muss die Klimakrise noch
 ernsthafter angegangen werden. In Niedersachsen befinden wir uns mit den
 Anstrengungen der Landesregierung auf einem hervorragenden Weg. Die Europäische
 Union muss jedoch ihre weitergehenden Hebel zur Bekämpfung der Klimakrise voll
 ausschöpfen, um ihre Bürger*innen zu schützen. Dies gelingt beispielsweise durch
 die zügige Abkehr von fossilen Energieträgern wie Erdgas, Kohle und Öl. Wir
 wollen die Vergabe von EU-Fördergeldern an Standards wie
 Transformationspflichten, Tariftreue und eine Standortgarantie knüpfen. Das gilt
 insbesondere auch für Branchen, die sich von alten Geschäftsmodellen
 verabschieden müssen. Hier muss aktiv daran gearbeitet werden, Beschäftigte für
 neue Aufgaben zu qualifizieren und zu halten. Auf Landesebene ist unser Ziel,
 den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft in den
 Mittelpunkt der Vergabe von EU-Fördermitteln zu stellen. Fördermaßnahmen müssen
 dem Erreichen der Klimaziele des Landes dienen und die Schaffung vielfältiger
 sozialer Infrastrukturen, soziale Daseinsvorsorge, regionale Wertschöpfung und
 nachhaltige Mobilitätsangebote voranbringen. Mit gezielter Regionalentwicklung
 soll die Transformation vor Ort erfolgreich umgesetzt werden, damit ländliche
 Räume mit ihren Städten und Gemeinden sowie große Städte lebenswerte Orte sind.
 Dafür muss die Förderung einfacher werden.
Arbeitsbedingungen gemeinsam verbessern
Die Gewerkschaften der Europäischen Union sind ein Schlüssel zur Durchsetzung
 fairer Löhne, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Mitsprache am
 Arbeitsplatz. Für ihre Rechte und ihre wesentliche demokratische Rolle innerhalb
 der EU-Institutionen kämpfen wir. Dafür brauchen sie mehr Rechtssicherheit,
 besseren Rechtszugang und höhere Durchsetzungsmöglichkeiten. An der Seite der
 Europäischen Betriebsräte wollen wir die EU-Kommission dazu auffordern, endlich
 die bestehende Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten zu überarbeiten und
 Ausnahmeregeln zu beenden. Insbesondere in länderübergreifenden Branchen, die
 oft aus dem Sichtfeld und damit allzu leicht ins arbeitsrechtliche Dunkelfeld
 geraten, wie etwa EU-Transporte bzw. Speditionsbranche, braucht es starke
 Vertreter*innen für die Beschäftigten.
Die Arbeitswelt wandelt sich rasant für viele Beschäftigte in Niedersachsen.
 Arbeiten wird immer digitaler und flexibler. Die Chancen, die sich daraus für
 Betriebe und Arbeitnehmende ergeben, müssen genutzt werden, ohne dabei
 Ausbeutung und Überwachung in der digitalen Arbeitswelt zuzulassen. Wir
 unterstützen ausdrücklich die Einführung einer Richtlinie, mit der EU-weit im
 Homeoffice gearbeitet werden kann. Die Mindestlohnrichtlinie ist ein konkreter
 Erfolg. In Deutschland muss dieser Weg fortgesetzt werden und die EU-Empfehlung,
 den Mindestlohn an 60% des Medianlohns zu koppeln, umgesetzt werden. Aber auch
 für ganz Europa muss es ein wirksames Monitoring geben, damit Dumpinglöhne EU-
 weit der Vergangenheit angehören und sich Arbeit lohnt.
Wer ackert, soll auch ernten können
Die Situation der Landarbeiter*innen und Landwirt*innen ist extrem
 herausfordernd. Die Klimakrise bringt höheren Risiken für Extremwetter. Unsere
 Landwirtschaft ist sowohl von Hochwasser als auch von Dürre sowie dem Verlust an
 gesunden Böden stark bedroht. Die aktuelle Agrarpolitik der Europäischen Union
 schützt kleinere und mittlere Familienbetriebe in Niedersachsen und in vielen
 EU-Ländern noch nicht ausreichend vor diesen Folgen der Klimakrise. Die
 Landesregierung setzt sich für den notwendigen Transformationsprozess auf
 unseren niedersächsischen Betrieben ein. Dazu zählt für uns GRÜNE das klare
 Bekenntnis zur bäuerlichen Landwirtschaft. Doch wir alleine können die Probleme
 nicht lösen. Die strukturellen Defizite im Agrarsektor müssen wir europäisch
 angehen, unsere kleinen und mittleren Betriebe stärken und die EU-
 Landarbeiter*innen vor schlechten Arbeitsbedingungen schützen. Unnötige Hürden
 der Bürokratie wollen wir abbauen, ohne dabei wichtige ökologische und soziale
 Standards zu schleifen – für mehr Hofarbeit statt Schreibtischzeit.
Für gute Pflege sorgen
Deutschland ist auf Pflegekräfte aus dem EU-Ausland und Drittstaaten zwingend
 angewiesen. Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen für alle
 Pflegekräfte in den EU-Mitgliedsstaaten zu verbessern. Für Pflegende sowohl im
 beruflichen als auch im häuslichen Umfeld muss die Vereinbarkeit von Arbeits-
 und Privatleben gestärkt werden.
Freiheit und Perspektiven für eine sichere Zukunft
Europa ist eine Einwanderungsunion mit großem Arbeits- und Fachkräftemangel. Wir
 fordern darum mehr Bemühungen bei der Fachkräftegewinnung durch eine umfassende
 EU-Fachkräftestrategie. Hierfür möchten wir die EU-Blue-Card auf nicht-
 akademische Berufe ausweiten, wenn ein konkretes Jobangebot zu marktüblichen
 Konditionen vorliegt. Perspektiven, Teilhabe und Integration müssen dabei stets
 gesichert sein und Hürden abgebaut werden.
Mit dem Europäischen Sozialfonds (ESF) verfügt die EU über ein gutes
 finanzielles Instrument zur Förderung von Beschäftigung und sozialer
 Eingliederung. Er unterstützt auch bei uns in Niedersachsen Maßnahmen zur
 Förderung der Beschäftigung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Die
 Beschäftigungschancen besonders von benachteiligten Langzeitarbeitslosen, jungen
 Menschen und migrantisierten Menschen werden dadurch erhöht. Diese
 Erfolgsgeschichte möchten wir fortführen und verstärken.
Wir wollen das Arbeits-, Sozial- und Aufenthaltsrecht harmonisieren – sowohl für
 EU-Bürger*innen als auch Drittstaatsangehörige. Dazu gehören das Recht der
 Arbeitnehmer*innen, sich frei zu bewegen und niederzulassen, das Zuzugs- und
 Aufenthaltsrecht für Familienmitglieder und das Recht, in einem anderen
 Mitgliedstaat der EU zu arbeiten und ebenso wie die Staatsangehörigen dieses
 Mitgliedstaats behandelt zu werden. Eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende
 unterschiedliche Behandlung in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige
 Arbeitsbedingungen darf es nicht geben.
Erstmals dürfen bei der bevorstehenden Europawahl auch Menschen ab 16 Jahren
 ihre Stimme abgeben. Damit sich junge Menschen in den politischen Prozess
 einbringen können, sollen sie mehr Mitsprache bekommen – und auch wählen dürfen.
 Dieser große Erfolg, ein eingelöstes Wahlversprechen, wirkt sich nachhaltig auf
 die bessere politische Beteiligung junger Menschen aus. Dies stärkt das
 Bewusstsein für die Verantwortung über die Zukunft der Europäischen Union, denn
 gerade für junge Menschen ist die EU elementarer Bestandteil ihrer Zukunft.
 Dafür muss Europa aber auch attraktiv und nahe an den Lebensrealitäten sein:
 Durch die Freizügigkeit können junge Menschen ganz Europa entdecken, sich mit
 anderen europäischen Jugendlichen austauschen, neue Sprachen lernen und den Wert
 eines gemeinsamen europäischen Zuhauses erleben. Das stärkt den Zusammenhalt und
 ist ein gutes Fundament für Völkerverständigung und Frieden. In Niedersachsen
 bekennen wir uns klar dazu, diese Maßnahmen voll und ganz zu unterstützen.
 Außerdem bauen wir die Europabildung an Schulen weiter aus.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, eine faire Verteilung von Macht, mehr
 Frauen in Chefpositionen und in den Parlamenten, kurz: eine geschlechtergerechte
 Gesellschaft – und ein geschlechtergerechtes Europa – ist unser Ziel. Wir
 befürworten deshalb explizit Programme, die die Gleichstellung der Geschlechter
 fördert und Maßnahmen gegen Diskriminierung umsetzt. Wir fordern in unserem
 Wahlprogramm einen Bonus für Unternehmen, die aktiv Frauen in Branchen fördern,
 in denen sie noch immer unterrepräsentiert sind. Unternehmen und Betriebe aus
 Branchen, in denen bislang unterdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt sind,
 können den Bonus bei der EU-Fördermittelvergabe erhalten, wenn sie
 überdurchschnittlich viele Frauen ausbilden oder beschäftigen. Die
 Gewerkschaften sind hierbei unsere Verbündeten. Gemeinsam mit ihnen und den
 Betrieben arbeiten wir daran, eine gleichberechtigte Teilhabe und gleiche
 Bezahlung der Geschlechter sicherzustellen. Gleichzeitig wollen wir die
 Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Anerkennung von derzeit noch überwiegend
 weiblich besetzten Berufsfeldern gezielt verbessern.
UN-Behindertenrechtskonvention auch am Arbeitsplatz wirksam umsetzen
Menschen mit Behinderung werden immer noch in vielen Lebensbereichen
 diskriminiert. Wir sagen: Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein
 Menschenrecht, das für alle gilt. Vor nun über zehn Jahren ist in der
 Europäischen Union die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Kraft
 getreten. Diese verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Teilhabe, ein
 selbstbestimmtes Leben, Zugänglichkeit und Chancengleichheit für Menschen mit
 Behinderung zu garantieren. Dennoch wird die UN-BRK nach wie vor weitgehend
 ignoriert – sei es beim Wohnen, Arbeiten oder Reisen. Wir Grüne in Niedersachsen
 sagen: Die Europäische Union muss mehr Druck auf ihre Mitgliedstaaten ausüben,
 damit die EU endlich der UN-BRK nachkommt. Wir fordern darum verpflichtende
 Diversitätsquoten, bessere Unterstützung für Unternehmen und das Auslaufen von
 Behindertenwerkstätten sowie die gezielte Stärkung von inklusiven Alternativen.
 Inklusion heißt: Menschen mit und ohne Behinderung haben die gleichen Rechte und
 können zusammen arbeiten, statt getrennt. Entsprechend gilt für alle der
 Arbeitnehmer*innen-Status und der gesetzliche Mindestlohn.
Gemeinsam sorgen wir dafür, dass die Europäische Union sowohl in sich als auch
 im europäischen Wettbewerb funktioniert. Ein starkes und geeintes Europa bietet
 die beste Garantie für Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit für alle
 Menschen. Wir wollen Europa schützen, damit es uns schützt. Wir wollen ein
 Europa der Solidarität, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, das
 nicht allein nationalstaatliches Interesse, sondern die Gemeinschaft im Blick
 hat. Wir wollen die Errungenschaften der EU erhalten und sie zugleich
 weiterentwickeln, hin zu einer nachhaltigen, demokratischen und sozial gerechten
 Gemeinschaft. So stärken wir das Zutrauen der Bürger*innen in eine
 handlungsfähige Europäische Union, die den Demokratiefeinden keinen Raum lässt.