Zukunftsfähigkeit von Volkswagen und Niedersachsens Automobilindustrie sichern – Arbeitsplätze erhalten, Umbau zur Elektromobilität konsequent umsetzen

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 02./03.11.2024 in Gifhorn

„Wenn Volkswagen hustet, hat Niedersachsen eine Erkältung“: Niedersachsen und
Volkswagen haben eine enge Verbindung – in guten wie in schwierigen Zeiten.
Diese Verbindung besteht nicht ausschließlich aus dem VW-Gesetz und den 20,2 %
Aktienanteilen, welche das Land Niedersachsen an Volkswagen hält. Nein,
Volkswagen ist ein zentraler Arbeitgeber in Niedersachsen und steht für gute und
verlässliche Arbeitsplätze mit fairen Löhnen, gerade aufgrund der
Sozialpartnerschaft und der starken Stellung der Beschäftigten und ihrer
Vertretungen. Laut einer vom BMWi beauftragten Studie arbeiten in Niedersachsen
rund 340.000 Arbeiter*innen in der indirekt und direkt von der
Kraftfahrzeugherstellung abhängigen Industrie, sie leistet damit einen
wesentlichen Beitrag zum Wohlstand dieses Landes.1 Allein in Niedersachsen hat
Volkswagen sechs Werke in Wolfsburg, Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig
und Salzgitter.

Volkswagen steht aktuell vor großen wirtschaftlichen und strukturellen
Herausforderungen. Die Debatten um Werksschließungen und die Verunsicherung der
Beschäftigten sowie der Öffentlichkeit verdeutlichen, dass schnelle Maßnahmen
erforderlich sind, um das Unternehmen und damit auch seine Zulieferer zu
stabilisieren.

Als Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen stehen wir klar zum VW-Standort
Niedersachsen und den Beschäftigten. Wir setzen auch weiterhin auf eine starke
Sozialpartnerschaft, die die Beschäftigten einbezieht und den Dialog zwischen
Management, Gewerkschaften und Betriebsräten fördert.

Die notwendigen Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dürfen nicht
allein zu Lasten der Belegschaften gehen. Vielmehr geht es um eine
Gesamtstrategie, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.

Aus Sicht der Grünen in Niedersachsen ist klar:

  • Bedeutung von Volkswagen für Niedersachsen
    Volkswagen spielt eine entscheidende Rolle für die Wirtschaft
    Niedersachsens. Das Unternehmen sichert tausende Arbeitsplätze und leistet
    einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung, die durch das
    Zusammenwirken von Herstellern, Zulieferern, Entwicklungsdienstleistern,
    Forschungseinrichtungen und Hochschulen einen Mehrwert weit über die
    eigentliche Automobilindustrie hinaus hat.
  • Sozialpartnerschaft als Schlüssel für den Wandel
    Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Management, den Gewerkschaften und
    den Betriebsräten ist unerlässlich, um auch die aktuellen
    Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Die Beschäftigten müssen dabei
    aktiv eingebunden werden.
  • Elektromobilität als Chance und Notwendigkeit
    Der Wandel hin zur Elektromobilität ist unabdingbar, um die
    Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen langfristig zu sichern, zukunftsfähige
    Mobilität für die Breite der Gesellschaft zu ermöglichen und gleichzeitig
    die Klimaziele zu erreichen. Niedersachsen ist aufgrund seiner
    geografischen Lage und als Land der Erneuerbaren Energien prädestiniert,
    eine Vorreiterrolle in diesem Bereich einzunehmen.

Um das zu erreichen, sind folgende Maßnahmen aus Sicht der niedersächsischen
Grünen von zentraler Bedeutung:

1. Arbeitsplätze sichern und Sozialpartnerschaft stärken

Dank der Landesbeteiligung sitzen mit dem Ministerpräsidenten und der
stellvertretenden Ministerpräsidentin zwei Personen im Aufsichtsrat, die die
Lösung nicht in Werksschließungen oder massenhaften Entlassungen sehen.

  • Der Vorstand von Volkswagen und die IG Metall müssen weiterhin
    konstruktive Gespräche über eine langfristige, weitreichende
    Beschäftigungssicherung führen.
  • Die Beschäftigten und die einzelnen Standorte sind wichtige Ressourcen
    auch für die Zukunft von Volkswagen. Bevor über Abbau von Beschäftigung
    nachgedacht wird, sollten alle Möglichkeiten beispielsweise durch
    Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme genutzt werden, um den
    Beschäftigten den Übergang in neue Tätigkeiten und
    Entwicklungsperspektiven zu ermöglichen.
  • Wir schauen auch über unsere Landesgrenzen hinaus und solidarisieren uns
    mit anderen Bundesländern, in welchen Volkswagen Werke betreibt. Konkret
    sind das die Werke in Kassel, Zwickau, Chemnitz und Dresden.

2. Umbau zur Elektromobilität konsequent umsetzen

Ein „Aus vom Verbrenneraus“ oder die gern beschworene „Technologieoffenheit“
sind Scheindebatten, die weder den Unternehmen, noch den Menschen helfen. Solche
Positionen führen zur Verunsicherung in der Bevölkerung und zur
Kaufzurückhaltung bei Elektrofahrzeugen. Der EU-Beschluss zum Verbrenneraus ab
2035 ist nicht nur wichtig, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Es
bedeutet auch einen verlässlichen Rahmen für Investitions- und
Pfadentscheidungen der Unternehmen. . Denn diese haben die Weichen bereits
gestellt und benötigen nun von der Politik Planbarkeit und Verlässlichkeit statt
ideologischer Scheindebatten. Wer hier nun zurück in die Vergangenheit, zurück
zum Verbrenner will, hat nicht nur die Klimakrise nicht verstanden, sondern auch
wenig wirtschaftliches Verständnis. Volkswagen hat zwar spät, aber dann
konsequent auf Elektromobilität gesetzt. Davon abzuweichen, würde das
Unternehmen Milliarden kosten und langfristig noch mehr Arbeitsplätze gefährden.

Auch E-Fuels werden immer wieder in die Debatte eingebracht. Hier gelten die
gleichen Argumente: E-Fuels können nur extrem unwirtschaftlich eingesetzt werden
und sind dann auch nur im besten Fall klimaneutral. Aber gerade aufgrund der
extremen Unwirtschaftlichkeit werden diese E-Fuels ihre Verwendung eher in
Bereichen finden, in welchen eine Elektrifizierung nicht möglich ist, also
beispielsweise im Flugverkehr.

  • Auf Bundesebene müssen Rahmenbedingungen für eine beschleunigte
    Transformation hin zur Elektromobilität geschaffen werden, insbesondere
    durch den Abbau bürokratischer Hürden und neue Anreize für den Kauf von
    bezahlbaren Elektroautos. Das schafft Klarheit und muss die Weichen dafür
    stellen, auch im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Bei der
    Gestaltung dieser Programme gilt es insbesondere auch Menschen mit
    geringerem oder mittlerem Einkommen in den Blick zu nehmen.
  • Volkswagen muss ein breites, bezahlbares Angebot an E-Fahrzeugen
    entwickeln und so auch den Mittelstand und einkommensschwächere Gruppen
    erreichen. Ein „E-Volkswagen“ muss Wirklichkeit werden. Gleichzeitig gilt
    es auch bereits bei der Produktion auf Nachhaltigkeit zu setzen, von
    Umwelt- und Sozialstandards bis zur Wahrung der Menschenrechte. Hierfür
    setzen wir Grüne uns ein.
  • Infrastruktur und Investitionen sicherstellen

Das Elektroauto soll den Verbrenner ersetzen, nicht ergänzen. Um die
Elektromobilität voranzutreiben und attraktiv nutzbar zu machen, braucht es eine
gute Ladeinfrastruktur nahe Wohnorten und Arbeitsplätzen.

  • Die intelligente Ladeinfrastruktur muss massiv ausgebaut werden.
    Tankstellenbetreibende sollten verpflichtet werden, Ladepunkte anzubieten.
    Es bedarf weiterhin vereinfachter Genehmigungsverfahren für den Ausbau der
    Ladeinfrastruktur.
  • Intelligente Ladesysteme, die Elektrofahrzeuge in das Stromnetz
    integrieren, sind zu fördern, um das Energiemanagement effizienter zu
    gestalten.

4. Strompreise senken

Es braucht zum einen bezahlbaren Strom zum Laden der Fahrzeuge, zum anderen
einen günstigen Strompreis zur Herstellung der Fahrzeuge.

  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Ausbau der Stromnetze muss
    vorangetrieben werden, um die Strompreise stabil und bezahlbar zu halten.
  • Die Reduzierung der Netzentgelte in Regionen mit erneuerbaren Energien ist
    ein richtiger Schritt, ebenso Maßnahmen wie dynamische Stromtarife und die
    Förderung von Ladeinfrastruktur.
  • Industriestrompreis: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und
    diverse Krisen haben die Inflation und die Energiepreise stark steigen
    lassen, was besonders auch energieintensive Unternehmen belastet. Die
    Forderung nach einem Industriestrompreis unterstützen wir, jedoch darf es
    keine Rabatte ohne Gegenleistung geben, während Bürger*innen weiterhin
    hohe Strompreise zahlen. Wir wollen Lösungen, um Unternehmen in der
    Transformation, wie die Salzgitter AG bei grünem Stahl oder Volkswagen bei
    der Elektrifizierung, mit günstigeren Strompreisen zu unterstützen.

5. Sondervermögen für Transformation im Grundgesetz verankern

  • Die Schuldenbremse ist gleichzeitig eine Investitionsbremse und muss
    reformiert werden. Nur so können große öffentliche Zukunftsaufgaben
    gemeistert werden. Die privatwirtschaftlichen Investitionen müssen mit
    staatlichen Infrastrukturmitteln flankiert werden, um die notwendigen
    verlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
  • Um den wirtschaftlichen Wandel zu finanzieren, fordern wir die Schaffung
    eines kreditfinanzierten „Sondervermögens Transformation“. Dies ermöglicht
    dringend notwendige Investitionen in die Ladeinfrastruktur, Forschung und
    Entwicklung sowie die Dekarbonisierung, ohne die Schuldenbremse
    aufzuweichen.

6. Langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern

  • Volkswagen muss in neue Technologien und Märkte investieren, um
    international konkurrenzfähig zu bleiben und seine Position als führender
    Standort in der Automobilbranche sichern und ausbauen. Insbesondere die
    Wertschöpfungspotenziale um die Batteriezellproduktion in Niedersachsen
    müssen besser gehoben werden.
  • Eine enge Kooperation zwischen der EU und der Bundesregierung ist
    notwendig, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und deutsche
    Automobilhersteller im globalen Wettbewerb zu stärken.

Volkswagen ist von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Stabilität
Niedersachsens, ist Identifikationsfaktor und wichtiger Arbeitgeber für tausende
Menschen hier im Land. Um den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs und der
notwendigen Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität gerecht zu werden, muss
das Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch sozial abgesichert werden. Das
wird nur gelingen, wenn die Herausforderungen entschlossen und mit einer Vision
für die Zukunft angegangen werden: Klimagerecht, sozial und verlässlich für den
Erhalt der Industriearbeitsplätze in unserem Land.