„Wenn Volkswagen hustet, hat Niedersachsen eine Erkältung“: Niedersachsen und
Volkswagen haben eine enge Verbindung – in guten wie in schwierigen Zeiten.
Diese Verbindung besteht nicht ausschließlich aus dem VW-Gesetz und den 20,2 %
Aktienanteilen, welche das Land Niedersachsen an Volkswagen hält. Nein,
Volkswagen ist ein zentraler Arbeitgeber in Niedersachsen und steht für gute und
verlässliche Arbeitsplätze mit fairen Löhnen, gerade aufgrund der
Sozialpartnerschaft und der starken Stellung der Beschäftigten und ihrer
Vertretungen. Laut einer vom BMWi beauftragten Studie arbeiten in Niedersachsen
rund 340.000 Arbeiter*innen in der indirekt und direkt von der
Kraftfahrzeugherstellung abhängigen Industrie, sie leistet damit einen
wesentlichen Beitrag zum Wohlstand dieses Landes.1 Allein in Niedersachsen hat
Volkswagen sechs Werke in Wolfsburg, Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig
und Salzgitter.
Volkswagen steht aktuell vor großen wirtschaftlichen und strukturellen
Herausforderungen. Die Debatten um Werksschließungen und die Verunsicherung der
Beschäftigten sowie der Öffentlichkeit verdeutlichen, dass schnelle Maßnahmen
erforderlich sind, um das Unternehmen und damit auch seine Zulieferer zu
stabilisieren.
Als Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen stehen wir klar zum VW-Standort
Niedersachsen und den Beschäftigten. Wir setzen auch weiterhin auf eine starke
Sozialpartnerschaft, die die Beschäftigten einbezieht und den Dialog zwischen
Management, Gewerkschaften und Betriebsräten fördert.
Die notwendigen Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dürfen nicht
allein zu Lasten der Belegschaften gehen. Vielmehr geht es um eine
Gesamtstrategie, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.
Aus Sicht der Grünen in Niedersachsen ist klar:
- Bedeutung von Volkswagen für Niedersachsen
Volkswagen spielt eine entscheidende Rolle für die Wirtschaft
Niedersachsens. Das Unternehmen sichert tausende Arbeitsplätze und leistet
einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung, die durch das
Zusammenwirken von Herstellern, Zulieferern, Entwicklungsdienstleistern,
Forschungseinrichtungen und Hochschulen einen Mehrwert weit über die
eigentliche Automobilindustrie hinaus hat. - Sozialpartnerschaft als Schlüssel für den Wandel
Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Management, den Gewerkschaften und
den Betriebsräten ist unerlässlich, um auch die aktuellen
Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Die Beschäftigten müssen dabei
aktiv eingebunden werden. - Elektromobilität als Chance und Notwendigkeit
Der Wandel hin zur Elektromobilität ist unabdingbar, um die
Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen langfristig zu sichern, zukunftsfähige
Mobilität für die Breite der Gesellschaft zu ermöglichen und gleichzeitig
die Klimaziele zu erreichen. Niedersachsen ist aufgrund seiner
geografischen Lage und als Land der Erneuerbaren Energien prädestiniert,
eine Vorreiterrolle in diesem Bereich einzunehmen.
Um das zu erreichen, sind folgende Maßnahmen aus Sicht der niedersächsischen
Grünen von zentraler Bedeutung:
1. Arbeitsplätze sichern und Sozialpartnerschaft stärken
Dank der Landesbeteiligung sitzen mit dem Ministerpräsidenten und der
stellvertretenden Ministerpräsidentin zwei Personen im Aufsichtsrat, die die
Lösung nicht in Werksschließungen oder massenhaften Entlassungen sehen.
- Der Vorstand von Volkswagen und die IG Metall müssen weiterhin
konstruktive Gespräche über eine langfristige, weitreichende
Beschäftigungssicherung führen. - Die Beschäftigten und die einzelnen Standorte sind wichtige Ressourcen
auch für die Zukunft von Volkswagen. Bevor über Abbau von Beschäftigung
nachgedacht wird, sollten alle Möglichkeiten beispielsweise durch
Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme genutzt werden, um den
Beschäftigten den Übergang in neue Tätigkeiten und
Entwicklungsperspektiven zu ermöglichen. - Wir schauen auch über unsere Landesgrenzen hinaus und solidarisieren uns
mit anderen Bundesländern, in welchen Volkswagen Werke betreibt. Konkret
sind das die Werke in Kassel, Zwickau, Chemnitz und Dresden.
2. Umbau zur Elektromobilität konsequent umsetzen
Ein „Aus vom Verbrenneraus“ oder die gern beschworene „Technologieoffenheit“
sind Scheindebatten, die weder den Unternehmen, noch den Menschen helfen. Solche
Positionen führen zur Verunsicherung in der Bevölkerung und zur
Kaufzurückhaltung bei Elektrofahrzeugen. Der EU-Beschluss zum Verbrenneraus ab
2035 ist nicht nur wichtig, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Es
bedeutet auch einen verlässlichen Rahmen für Investitions- und
Pfadentscheidungen der Unternehmen. . Denn diese haben die Weichen bereits
gestellt und benötigen nun von der Politik Planbarkeit und Verlässlichkeit statt
ideologischer Scheindebatten. Wer hier nun zurück in die Vergangenheit, zurück
zum Verbrenner will, hat nicht nur die Klimakrise nicht verstanden, sondern auch
wenig wirtschaftliches Verständnis. Volkswagen hat zwar spät, aber dann
konsequent auf Elektromobilität gesetzt. Davon abzuweichen, würde das
Unternehmen Milliarden kosten und langfristig noch mehr Arbeitsplätze gefährden.
Auch E-Fuels werden immer wieder in die Debatte eingebracht. Hier gelten die
gleichen Argumente: E-Fuels können nur extrem unwirtschaftlich eingesetzt werden
und sind dann auch nur im besten Fall klimaneutral. Aber gerade aufgrund der
extremen Unwirtschaftlichkeit werden diese E-Fuels ihre Verwendung eher in
Bereichen finden, in welchen eine Elektrifizierung nicht möglich ist, also
beispielsweise im Flugverkehr.
- Auf Bundesebene müssen Rahmenbedingungen für eine beschleunigte
Transformation hin zur Elektromobilität geschaffen werden, insbesondere
durch den Abbau bürokratischer Hürden und neue Anreize für den Kauf von
bezahlbaren Elektroautos. Das schafft Klarheit und muss die Weichen dafür
stellen, auch im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Bei der
Gestaltung dieser Programme gilt es insbesondere auch Menschen mit
geringerem oder mittlerem Einkommen in den Blick zu nehmen. - Volkswagen muss ein breites, bezahlbares Angebot an E-Fahrzeugen
entwickeln und so auch den Mittelstand und einkommensschwächere Gruppen
erreichen. Ein „E-Volkswagen“ muss Wirklichkeit werden. Gleichzeitig gilt
es auch bereits bei der Produktion auf Nachhaltigkeit zu setzen, von
Umwelt- und Sozialstandards bis zur Wahrung der Menschenrechte. Hierfür
setzen wir Grüne uns ein. - Infrastruktur und Investitionen sicherstellen
Das Elektroauto soll den Verbrenner ersetzen, nicht ergänzen. Um die
Elektromobilität voranzutreiben und attraktiv nutzbar zu machen, braucht es eine
gute Ladeinfrastruktur nahe Wohnorten und Arbeitsplätzen.
- Die intelligente Ladeinfrastruktur muss massiv ausgebaut werden.
Tankstellenbetreibende sollten verpflichtet werden, Ladepunkte anzubieten.
Es bedarf weiterhin vereinfachter Genehmigungsverfahren für den Ausbau der
Ladeinfrastruktur. - Intelligente Ladesysteme, die Elektrofahrzeuge in das Stromnetz
integrieren, sind zu fördern, um das Energiemanagement effizienter zu
gestalten.
4. Strompreise senken
Es braucht zum einen bezahlbaren Strom zum Laden der Fahrzeuge, zum anderen
einen günstigen Strompreis zur Herstellung der Fahrzeuge.
- Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Ausbau der Stromnetze muss
vorangetrieben werden, um die Strompreise stabil und bezahlbar zu halten. - Die Reduzierung der Netzentgelte in Regionen mit erneuerbaren Energien ist
ein richtiger Schritt, ebenso Maßnahmen wie dynamische Stromtarife und die
Förderung von Ladeinfrastruktur. - Industriestrompreis: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und
diverse Krisen haben die Inflation und die Energiepreise stark steigen
lassen, was besonders auch energieintensive Unternehmen belastet. Die
Forderung nach einem Industriestrompreis unterstützen wir, jedoch darf es
keine Rabatte ohne Gegenleistung geben, während Bürger*innen weiterhin
hohe Strompreise zahlen. Wir wollen Lösungen, um Unternehmen in der
Transformation, wie die Salzgitter AG bei grünem Stahl oder Volkswagen bei
der Elektrifizierung, mit günstigeren Strompreisen zu unterstützen.
5. Sondervermögen für Transformation im Grundgesetz verankern
- Die Schuldenbremse ist gleichzeitig eine Investitionsbremse und muss
reformiert werden. Nur so können große öffentliche Zukunftsaufgaben
gemeistert werden. Die privatwirtschaftlichen Investitionen müssen mit
staatlichen Infrastrukturmitteln flankiert werden, um die notwendigen
verlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. - Um den wirtschaftlichen Wandel zu finanzieren, fordern wir die Schaffung
eines kreditfinanzierten „Sondervermögens Transformation“. Dies ermöglicht
dringend notwendige Investitionen in die Ladeinfrastruktur, Forschung und
Entwicklung sowie die Dekarbonisierung, ohne die Schuldenbremse
aufzuweichen.
6. Langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern
- Volkswagen muss in neue Technologien und Märkte investieren, um
international konkurrenzfähig zu bleiben und seine Position als führender
Standort in der Automobilbranche sichern und ausbauen. Insbesondere die
Wertschöpfungspotenziale um die Batteriezellproduktion in Niedersachsen
müssen besser gehoben werden. - Eine enge Kooperation zwischen der EU und der Bundesregierung ist
notwendig, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und deutsche
Automobilhersteller im globalen Wettbewerb zu stärken.
Volkswagen ist von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Stabilität
Niedersachsens, ist Identifikationsfaktor und wichtiger Arbeitgeber für tausende
Menschen hier im Land. Um den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs und der
notwendigen Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität gerecht zu werden, muss
das Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch sozial abgesichert werden. Das
wird nur gelingen, wenn die Herausforderungen entschlossen und mit einer Vision
für die Zukunft angegangen werden: Klimagerecht, sozial und verlässlich für den
Erhalt der Industriearbeitsplätze in unserem Land.