Die Gesellschaft verändert sich und mit ihr der Bedarf an individuellem Wohnraum. Wie in allen anderen westlichen Bundesländern ist auch in Niedersachsen die Wohnungsnot groß. Einkommensschwache und sozial bedürftige Haushalte haben große Mühe, Wohnungen zu bekommen. Der Bedarf nach bezahlbarem, angemessenem und dauerhaft gebundenem Wohnraum ist ungebrochen.
Der vor allem für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus 2003 noch zur Verfügung stehende Wohnraumförderfonds wurde von der schwarz-gelben Regierung verkauft. Vor dem Hintergrund der Hinterlassenschaft einer nahezu leeren Förderkasse und der Notwendigkeit einer intensiven Bekämpfung der Wohnungsnot hat die rot-grüne Landesregierung mit großer haushaltspolitischer Anstrengung begonnen, einen neuen Förderfonds aus Rückflussmitteln aufzubauen und die Förderkulisse vollständig verändert: Schwerpunkt ist seit 2013 die Förderung des sozial gebundenen Mietwohnungsbaus sowie die Modernisierung und Sanierung von Wohnungen im Bestand. Dabei kommt der Anpassung von Bestandswohnungen zu barrierearmen und altersgerechten Wohnungen eine besondere Bedeutung zu.
Darüber hinaus fördert die rot-grüne Landesregierung Formen des gemeinschaftlichen Wohnens sowie Wohnbaugruppen. Aber auch die Förderung von Eigentum für einkommensschwache und kinderreiche Familien steht dabei im Fokus (siehe Kapitel 6, Solidarische Gesellschaft).
Dabei wächst der verfügbare Wohnungsmarkt langsamer als die Nachfrage und die Investoren konzentrieren sich überwiegend auf das obere Preissegment, in dem ihre Investitionen durch hohe Mieteinnahmen auch in Niedrigzinsphasen noch profitabel sind. Die Konkurrenz zwischen den Wohnungssuchenden um bezahlbaren Wohnraum steigt vor allem in den Großstädten dramatisch an und setzt sich inzwischen auch in den kleineren Mittelzentren Niedersachsens fort.
Geringverdiener*innen, Sozialleistungsempfänger*innen, geflüchtete Menschen, alleinerziehende Väter und Mütter, Student*innen oder von Altersmut betroffene Rentner*innen konkurrieren heute um die gleichen Wohnungen und geraten an den Rand der Gesellschaft. Gleichzeitig sinkt der Anteil der geförderten Sozialwohnungen, da die Sozialbindungen kontinuierlich auslaufen. Mit dem von uns GRÜNEN mit angeschobenen 400-Millionen-Euro-Sofortprogramm für den sozialen Wohnungsbau sollen ab 2017 zusätzlich bis zu 8.000 Wohnungen für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen, altersgerechter und barrierefreier Wohnraum sowie Wohnraum für Geflüchtete gefördert werden. Für die Zukunft wollen wir GRÜNEN auch den Ankauf von Belegungsrechten als Instrument zur Sicherung der Sozialbindung nutzen. Auch das Sonderprogramm für studentisches Wohnen in Höhe von 6,5 Millionen Euro für den Bau von mehreren hundert zusätzlichen Plätzen in den Studierendenwohnheimen in Niedersachsen zeigt inzwischen Wirkung. Es muss in den nächsten Jahren verstetigt werden.
Um der weiterhin großen Nachfrage nach besonders günstigem Wohnraum gerecht zu werden, wollen wir die öffentliche Förderung weiterführen und ausbauen. Damit angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt die Akzeptanz der staatlichen Förderung erhöht wird, haben wir dafür gesorgt, dass die Landesförderung aktuell um echte Tilgungszuschüsse von bis zu 15 Prozent der Darlehenssumme ergänzt worden ist. Sollte das nicht ausreichend sein, werden wir uns dafür einsetzen, dass diese Quote weiter erhöht wird. Außerdem unterstützen wir Städte und Gemeinden bei der Erstellung von Leerstands- und Baukatastern, um vorhandene Flächen schneller nutzbar zu machen.
Dass auf den Ostfriesischen Inseln Dauerwohnraum in renditeträchtigere Ferienappartements umgewandelt wird, ist ein weiteres gravierendes Problem. Für die ortsansässige Inselbevölkerung ist kaum noch bezahlbarer Wohnraum vorhanden. Die betroffenen Kommunen in ganz Niedersachsen können jetzt auch wieder das Instrument der neuen Zweckentfremdungsverordnung nutzen, um Leerstände und nicht hinnehmbare Nutzungsänderungen zu unterbinden.
Die heutige finanzielle Ausgleichsförderung des Bundes reicht bei Weitem nicht aus – sie muss vor allem für die Zeit nach 2019 fortgeführt werden. Um den ständigen Wegfall der Sozialbindungen im geförderten Wohnungsbau zu vermeiden, wollen wir auf Bundesebene als Angebot für interessierte Wohnungsunternehmen eine Wiedereinführung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts, um einen dauerhaft gebundenen Wohnraum zu ermöglichen. Kommunen, die sich wohnungspolitisch engagieren und eigene Wohnungsunternehmen gründen wollen, wollen wir unterstützen.
Wohnraumaufsichtsgesetz schaffen
Immer wieder werden Mieter von Spekulanten ausgebeutet. So wurden Werksvertragsarbeiter*innen der Fleischwarenproduktion in Westniedersachsen gezwungen, zu horrenden Mieten in Mehrbettzimmern oder Zimmern mit Mehrfachbelegung der Betten zu hausen. Im Wollepark Delmenhorst wurden den Mieter*innen Strom und Wasser abgestellt, weil der Vermieter die Zahlungen der Mieter*innen an die örtlichen Stadtwerke nicht weiterleitete. Da die kommunalen Gebietskörperschaften bisher wenig Eingriffsrechte gegenüber diesen Vermietern haben, braucht das Land Niedersachsen dringend ein Wohnraumaufsichtsgesetz, wie es andere Bundesländer schon haben, damit kommunale Behörden solche Missstände auf eindeutiger rechtlicher Grundlage beseitigen und die Mieter*innen sich besser wehren können.
Zusammen leben – bedarfsgerechten Wohnraum schaffen
Der neue Wohnraum muss alle Belange und Formen des Zusammenlebens berücksichtigen: Junge Familien brauchen Platz und gute Anbindung an Schulen und Kitas. Ältere Menschen suchen oft kleinere Einheiten, die barrierefrei und komfortabel zu erreichen sind. Mit dem von uns GRÜNEN in Regierungsverantwortung eingerichteten Landesprogramm „Wohnen und Pflege im Alter“ sichern wir den Menschen mit Pflegebedarf auch den Verbleib in der eigenen Wohnung und damit in ihrer vertrauten Umgebung (siehe 6.6, Pflege). Wir wollen gemeinschaftliches Wohnen über Generations- und Einkommensgrenzen hinweg noch intensiver fördern. Die Beratung durch das Niedersachsenbüro und das „Forum für Gemeinschaftliches Wohnen“ soll fortgeführt und verstärkt werden.
Flächenverbrauch stoppen
Wir GRÜNEN stehen für einen sparsamen Umgang mit der Fläche. Innenentwicklung hat Priorität vor der Außenentwicklung. Dabei stehen Umwidmungen von ehemaligen Industrie- und Gewerbegebieten zu Wohngebieten sowie verdichtetes Bauen besonders im Fokus. Dies vermeidet unnötigen Verkehr und schafft kurze Wege. Die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten und wachsende Wohnraumansprüche lassen den durchschnittlichen Wohnraumbedarf pro Kopf weiter steigen. Dieser Trend steht im Widerspruch zu den Anforderungen ökologischer Flächen- und Ressourceneffizienz. Daher wollen wir entsprechende Projekte des gemeinschaftlichen und generationenübergreifenden Wohnens fördern und auch Ansätze wie Wohnungstauschbörsen unterstützen.
Um den Herausforderungen angemessen begegnen zu können, sind Verzahnungen von formeller und informeller Planung notwendig. Wir wollen mehr Anreize zum interkommunalen Dialog und zur Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften schaffen, um das Ziel des sparsamen Umgangs mit den Flächenressourcen über Gebietsgrenzen hinaus zu verfolgen. Außerdem wollen wir die Siedlungsentwicklung deutlich stärker als bisher auf den ÖPNV ausrichten.
Klimaschutz und bezahlbares Wohnen zusammen denken
Zu preiswertem Wohnen gehört auch eine Politik der fairen Wärme. Dabei muss den steigenden Standards bei der Gebäudedämmung auch ein Konzept der daran angepassten Wärmeversorgung gegenüberstehen. Mit großen Einsparpotenzialen bei Energieeinsatz und Kosten, etwa durch Nah- oder Fernwärmeversorgung insbesondere durch Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien, ist zu rechnen.
Wir wollen durch Sanierungen begründete spekulative Mieterhöhungen begrenzen und gleichzeitig für den Klimaschutz notwendige Investitionen ermöglichen: Dafür wollen GRÜNE Mieterhöhungen im Zuge von Modernisierungen auf maximal neun Prozent pro Jahr senken und auf energetische Sanierung sowie altersgerechten Umbau beschränken. So wollen wir verhindern, dass insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen aus bestimmten Wohnlagen verdrängt werden. Wir GRÜNEN setzen uns zudem dafür ein, energetische Sanierungen umfangreich zu fördern. Gleichzeitig wollen wir über eine Initiative im Bundesrat eine Klimakomponente beim Wohngeld einführen.
Unser Konzept der energetischen Quartierssanierung hilft den Kommunen und zeigt ihnen Wege auf, eine behutsame energetische Stadterneuerung umzusetzen und dabei die Pole Investitionsförderung und Wohnraumnachfrage besser aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig können so eine dezentrale Energieversorgung und effiziente Leitungssysteme gebaut werden. Dafür wollen wir, dass der Bund die notwendigen Mittel bereitstellt und besonders Stadtteile mit einkommensschwachen Haushalten fördert.
Zur Umsetzung von Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und Energieeinsparverordnung wollen wir die Bauaufsichtsbehörden in die Lage versetzen, dass die Vorgaben besser kontrolliert werden können.
Ökologisch bauen
Wir wollen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Bauen und Sanieren ökologischer wird – nicht nur bezogen auf die Energieeffizienz in der Nutzungsphase von Gebäuden, sondern auch bezüglich der verwendeten Baustoffe.
Wir wollen, dass mehr Häuser mit natürlichen und gesunden Baustoffen gebaut werden und idealerweise sogar CO2 speichern. Ökologische und CO2-neutrale Bauweisen (wie die Verwendung von Holz und Stroh) wollen wir unter anderem durch ein Sonderförderprogramm, durch Beratungsangebote und die Weiterbildung von Planer*innen und Handwerker*innen voranbringen.
Ökologisches Bauen beinhaltet den weitestmöglichen Verzicht auf Biozide in Baustoffen, allerdings sind Bauwillige oftmals nicht hinreichend über gesundheitsschädliche Stoffe in Baumaterialien informiert. Planer*innen sollen daher – auch mit bauaufsichtlichen Vorgaben – dazu in die Lage versetzt werden, bei technisch gleichwertigen Lösungen biozidfreie Baustoffe zu bevorzugen. Durch eine bauaufsichtliche Einführung der Holzschutznormen zum konstruktiven Holzschutz soll – wie in anderen Bundesländern schon geschehen –beispielsweise der Einsatz von chemischen Holzschutzmitteln eingeschränkt werden.
Raum- und Siedlungsentwicklung für die Menschen
Wir setzen uns für einen Abstandserlass für störende Gewerbe/Industrie nach dem Vorbild von NRW ein. Dieser sorgt für einen ausreichenden Abstand zwischen störenden und emittierenden Industrie- und Gewerbegebieten zu umliegender Wohnbebauung. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt des Schutzinteresses vor schädlichen Einflüssen.
Wir wollen die Lebensbedingungen im ländlichen Raum erhalten, indem wir die notwendige Infrastruktur, wie Basisversorgung mit Lebensmitteln, Verbesserung des ÖPNV, erhalten und sichern. Dies kann zum Beispiel durch mehr interkommunale Zusammenarbeit und durch die Nutzung von Fördermitteln des Landwirtschaftsministeriums (Dorf- und Regionalentwicklung) sowie des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr erfolgen (siehe 9.1, Ländlicher Raum). Voraussetzung dafür ist bürgerschaftliches Engagement der Bewohner*innen vor Ort.
Es wird mit uns eine Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) geben, in der zum Beispiel die Regelungen für die Stellplatznachweise so geändert werden, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, eigene Verordnungen und Konzepte bedarfsgerecht für die verschiedenen Verkehrsträger – wie motorisierter Individualverkehr (MIV), Fahrrad, Carsharing, ÖPNV-Anbindung – zu erstellen.