Die Menschen in unserem Land haben eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit. Im Alter noch aktiv zu sein, selbstbestimmt zu leben und aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben, ist nicht nur Wunschdenken, sondern glücklicherweise für immer mehr Menschen auch Realität: Die meisten der heute 75-Jährigen sind gesünder, leistungsfähiger und aktiver als Gleichaltrige vor 20 Jahren. Gleichwohl wird sich Prognosen zufolge die Zahl der pflegebedürftigen Menschen bis zum Jahr 2050 etwa verdoppeln – während die Zahl der Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, stagniert. Gegen den drohenden Pflegenotstand setzen wir GRÜNEN auf verbesserte Arbeitsbedingungen, weitere Qualifizierungen einschließlich Akademisierungen und eine starke Interessenvertretung der Pflegeberufe.
Grüne Pflegepolitik stellt den Menschen mit seinem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Würde sowie die solidarische Absicherung des Pflegerisikos in den Mittelpunkt des politischen Handelns. Eine gute und sichere Pflege ist unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge. Der Landespflegebericht bestätigt eindrucksvoll den stark steigenden Bedarf an qualifizierter Pflege. Gleichzeitig bestehen schon heute erhebliche personelle Engpässe in der Pflege. Es muss daher Ziel der Bildungs- und Gesundheitspolitik sein, mehr Menschen für Berufe im Bereich der Pflege zu gewinnen und die Rahmenbedingungen für bedarfsgerechte Pflege zu verbessern. Zur Unterstützung der Nachwuchsgewinnung haben wir GRÜNEN in Regierungsverantwortung beispielsweise die Schulgeldfreiheit in der Altenpflege gesetzlich abgesichert. Zudem haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Zusammenführung der Fachkraftberufe in der Pflege zu einer einheitlichen, generalistischen Pflegeausbildung vorangetrieben wird. Mit dem neuen Niedersächsischen Heimgesetz (NHeimG) und den damit verbundenen Regelungen zu unterstützenden Wohnformen hat das Land zudem die Gründung und den Betrieb innovativer selbstbestimmter Wohnformen erleichtert und Unsicherheiten bei der Abgrenzung von Heimen zu ambulant betreuten Wohnformen ausgeräumt. Es wurden gute Rahmenbedingungen geschaffen, um echte Pluralität im Bereich der alternativen Wohnformen entstehen zu lassen. Dem Ziel, für die Menschen in Niedersachsen passgenaue Angebote zu bieten, sind wir damit ein Stück weit nähergerückt. Dazu gehört unter anderem das Sonderprogramm „Wohnen und Pflege“ mit dem neue, zum Beispiel gemeinschaftliche und betreute Wohnformen bei zunehmender Unterstützungsbedürftigkeit gefördert werden. Mit dem neuen Förderprogramm des Landes „Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum“ werden Maßnahmen unterstützt, die der ambulanten Pflege und verbesserten Arbeits- und Rahmenbedingungen sowie der Kooperation und Vernetzung dienen. Dazu zählt auch eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Pflegekräfte oder die Einführung von technischen und EDV-basierten Systemen im ländlichen Raum. Diesen Bereich gilt es insbesondere in strukturschwachen Regionen zu entwickeln. Dafür setzen wir GRÜNEN uns ein.
Gute Pflege sichern und Pflegende stärken
Die Sicherung des selbstständigen und auch bei Pflegebedürftigkeit menschenwürdigen Lebens ist eine große Herausforderung. Eine große Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen will in ihrem vertrauten sozialen Umfeld wohnen bleiben. Fast drei Viertel der Betroffenen werden durch Angehörige versorgt und gepflegt, die dabei oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen. Deshalb brauchen wir Netzwerke und therapeutische Maßnahmen, die es pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, ein Höchstmaß an Selbstständigkeit zu behalten. Prävention, Therapie und Rehabilitation haben für uns Vorrang vor der Pflege. Hochwertige ambulante und teilstationäre Angebote in Wohnortnähe wollen wir GRÜNEN stärken und ausbauen. Dazu zählt besonders der Ausbau der Kurzzeitpflegeplätze in Niedersachsen, damit wir dem tatsächlichen Bedarf gerecht werden. Für den Aufbau von Netzwerken und Diensten brauchen wir ein soziales Quartiersmanagement.
Persönliches Pflegebudget
Das Gutachter*innenverfahren, mit dem die pflegebedürftigen Menschen entsprechend ihrer körperlichen und psychischen Einschränkungen in fünf verschiedene Pflegegrade eingestuft werden, muss neu strukturiert werden. Nur so kann es gelingen, neben den körperlichen und psychischen Defiziten auch die sozialen Bedürfnisse angemessen zu berücksichtigen. Entgegen der bisherigen festgeschriebenen Pflegeleistungen wollen wir ein persönliches Pflegebudget einführen, das direkt an die Betroffenen ausgezahlt wird, damit Pflegebedürftige und ihre Angehörigen selbst über Art und Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen entscheiden können.
Wir GRÜNEN setzen uns für ein neues System der Pflegeversorgung ein, indem wir neben konventionellen Pflegeheimen alternative Wohnformen für Pflegebedürftige sowie eine gut organisierte und finanzierte ambulante pflegerische Versorgung verstärkt fördern. Um diese Anforderungen gewährleisten zu können, fordern wir ein angemessenes, das heißt höheres Pflegegeld und eine bessere Ausbildung und Begleitung der pflegenden Angehörigen. Die kommunalen Pflegestützpunkte müssen zu festen Partnern bei Pflegebedürftigkeit ausgebaut werden und bei Beantragung von Pflegeeinstufung grundsätzlich aufsuchende Hilfe anbieten. Fest angestellte Gemeinde- oder Quartierspflegekräfte, die über bestehende Bedarfe und die geleisteten Hilfen informiert sind, könnten pflegende Angehörige erheblich entlasten und Überforderungssituationen rechtzeitig erkennen. Wir setzen uns dafür ein, dass in allen Einrichtungen das Einzelzimmer als individueller Rückzugsraum und zur Wahrung der Intimsphäre Standard wird.
Pflegenotstand beenden – Pflegeberufe attraktiv gestalten
Der Pflege- und Gesundheitssektor ist eine Zukunftsbranche. Der Bedarf an professioneller Pflege wird sich durch die demografische Entwicklung stetig erhöhen. Allerdings fehlt es vielerorts bereits heute an Fachkräften. Um den drohenden Notstand zu beenden, müssen wir vor allem die Arbeitsbedingungen und die Verdienstmöglichkeiten in Pflegeberufen verbessern. Wir GRÜNEN sorgen dafür, dass die Interessen der Pflegeberufe besser vertreten werden. Dazu haben wir auf Initiative und nach Befragung der Beschäftigten in der Pflege die Gründung der Pflegekammer Niedersachsen auf den Weg gebracht. Die Beschäftigten in den Pflegeberufen haben damit jetzt endlich auch eine starke Interessenvertretung an ihrer Seite, wie es sie für die Ärzt*innenschaft schon lange gibt. Wir setzen uns für einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag und einen besseren Personalschlüssel ein, der an bundeseinheitlichen Vorgaben für Pflegestandards orientiert ist. Um den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund im Pflegebereich zu erhöhen, haben wir GRÜNEN dafür gesorgt, dass die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse verbessert wird. Zusätzlich machen wir uns für die weitere Qualifizierung ausländischer Pflegekräfte durch Sprachkurse und die Förderung von Bildungsstätten stark. Die Weiterbildung Angehöriger sowie ehrenamtlich engagierter Menschen zu Alltagsbegleiter*innen kranker und pflegebedürftiger Menschen wollen wir fördern und ausbauen. Wir setzen uns dafür ein, dass junge Menschen das Freiwillige Soziale Jahr auch im Pflegebereich absolvieren und diese Zeit bei einer späteren Berufsausbildung anerkennen lassen können.
Würde bis zum Lebensende bewahren
Viele Menschen haben den Wunsch, ihre letzten Tage und Stunden mit Freund*innen und Angehörigen im gewohnten Lebensumfeld zu verbringen. Die Realität sieht anders aus: Die meisten Menschen sterben in Institutionen wie Pflegeheimen und Krankenhäusern. Wir wollen ein menschenwürdiges Lebensende schwerstkranker Menschen sicherstellen und unterstützen den Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung. Diese wurde immer schon und wird auch heute zum größten Teil von Hausärzten und Pflegediensten geleistet. Die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) als eine finanziell besonders gut ausgestattete Komplexleistung sehen wir kritisch. Um einer Spaltung zwischen Erbringern von allgemeiner und spezialisierter Palliativversorgung entgegenzuwirken und die gute Versorgung für alle Bedürftigen sicherzustellen, fordern wir von den Verhandlerkommissionen für Niedersachsen ein integratives Konzept.