Den Widerstand aus Korbach in die Politik tragen!

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode

  1. Ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei
    der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger. Dies
    ist unabhängig davon, ob die Rissbildung mit oder ohne den Einsatz
    giftiger Chemikalien, hydraulisch oder andersartig erzeugt wird.
  2. Ein generelles Import- und Handelsverbot von „gefrackten“ fossilen
    Energieträgern.
  3. Ein generelles Verbot der Verpressung des Rückflusses oder der
    untertägigen Ablagerung von Fluiden und Lagerstättenwässer.
  4. Eine Novellierung des Bergrechts. Die höchsten Umweltstandards und
    Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit haben im Fokus der Novellierung zu
    stehen.
  5. Ein konsequentes Umsetzen der politisch beschlossenen Energiewende, d.
    h. Abkehr von fossilen Brennstoffen, Ausbau der erneuerbaren Energien
    und Steigerung der Energieeffizienz.

Begründung der Korbacher Resolution:

Die Förderung von unkonventionellem Erdgas mittels Hydraulic Fracturing (‚Fracking‘)
und andere wirkungsgleiche Verfahren kann keinen Beitrag dazu leisten, einige der
wichtigsten globalen Probleme zu lösen: den beschleunigten Klimawandel, den
Raubbau an Ressourcen, den steigenden Energieverbrauch und die ungerechte
Verteilung von Wohlstand. Aus diesen Gründen lehnen wir den Irrweg ‚Fracking‘
entschieden ab.

Wir sind uns bewusst, dass eine sichere, nachhaltige und gerechte Energieversorgung
eine Aufgabe darstellt, die einerseits über Ländergrenzen reicht, andererseits eine
Verantwortung einfordert, die sich über Generationen in die Zukunft erstreckt. Bereits
heute gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, wie nach dem Ausstieg aus der atomaren
Energiegewinnung auch kohlenstoffhaltige Energieträger ersetzt werden können.
Jedoch mangelt es noch zu oft an dem Willen, sich als Gesellschaft auf den Weg zu
machen und die Energiewende konsequent voranzutreiben. Dabei ist es eine
existenzielle Notwendigkeit, unseren Kindern und Enkeln eine bewohnbare Erde zu
hinterlassen.
Angesichts der ethischen Verpflichtung, unsere Gesellschaft nachhaltig, gerecht und in
gemeinschaftlicher Teilhabe weiterzuentwickeln, fordern wir daher den Aufbruch in eine
neue Energiezukunft, dessen Wurzeln in einem breiten gesellschaftlichen Konsens
gründen.

Fracking als Hochrisikotechnologie zur Förderung unkonventionellen Erdgases u. -öles
ist unmittelbar mit nicht verantwortbaren negativen Eingriffen in den Naturhaushalten
verbunden und bringt ein unabsehbares Konfliktpotential in die Gesellschaft. Breite
Bevölkerungsschichten in Deutschland lehnen das Verfahren ab. Wir erwarten daher
von den Politikern in Bund und Ländern nach dem Beschluss des Atomenergieausstiegs
konsequent die Umsetzung des nächsten Schrittes: den Ausstieg aus der Nutzung
fossiler Energieträger. Dieses langfristige Ziel wird über Parteigrenzen hinweg
beschworen, jedoch nicht umgesetzt. Stattdessen ist die Jagd auf die letzten fossilen
Energiereserven eröffnet.

Dabei können selbst die vermuteten unkonventionellen Vorkommen an Öl und Gas
keinen signifikanten Beitrag zur Verringerung der Energie-Abhängigkeit Deutschlands
oder Europas leisten. Auch die Energiepreise werden auf Dauer nicht gesenkt, denn die
Aufwände zur Förderung sind deutlich höher als bei konventioneller Förderung. Die
Erfahrungen aus den USA zeigen, dass die Förderraten schnell sinken und selbst durch
ein dichteres Netz an Bohrtürmen sowie mehrfachen Fracks kaum aufrechterhalten
werden können. Darüber hinaus konterkariert unkonventionelles Erdgas durch seine
schlechte Klimabilanz die bereits beschlossenen, politisch verbindlichen nationalen und
europäischen Klimaschutzziele.

Daher ist bei volkswirtschaftlicher Abwägung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses die
unkonventionelle Gasförderung gesellschaftlich unverantwortlich, selbst wenn sie ohne
Einbringung umwelttoxikologischer Substanzen irgendwann möglich wäre. Die Floskel
vom sogenannten „clean fracking“ ist ganz entschieden zu entkräften, denn es gibt
keine saubere Ausbeutung und Nutzung fossiler Energieträger!
Die Ausbeutung dieser Vorkommen dient nur der kurzzeitigen Gewinnmaximierung
multinationaler Konzerne ohne einen nachhaltigen gesellschaftlichen Nutzen. Die
Risiken und Folgekosten, welche existenziell und irreparabel sind, liegen ausschließlich
auf Seiten der Bevölkerung:

  • verschmutztes Grund- und Trinkwasser durch Bohr- und Transportunfälle,
    unkontrollierte Rissausbreitung und mangelhafte Sicherung von Bohrlöchern
  • verseuchter Boden durch Leckagen in Rohrleitungssystemen, insbesondere durch
    Lagerstättenwässer
  • belastete Luft in den Abbaugebieten um die Bohr- und Förderplätze durch
    entweichende Kohlenwasserstoffe und andere Gifte mit großer Schadwirkung für
    die Menschen und die Atmosphäre
  • Gefährdung des Grundwassers durch verpresste Abwässer und Ausgasen
    verlassener Bohrungen
  • Zunahme von Flächenverbrauch und Bodenversiegelung durch Straßennetze und
    Bohrplätze
  • Schadstoffemissionen und Lärm durch LKW-Verkehr und Dieselaggregate auf
    den Bohrplätzen
  • Umwandlung ländlicher Regionen, die bisher durch landwirtschaftliche Nutzung
    und Tourismus geprägt sind, zu Industrielandschaften mit rigorosem Wandel und
    Niedergang vorhandener wirtschaftlicher und kultureller Strukturen
  • leichte bis mittlere Erbeben ausgelöst durch Fracking und Verpressung von
    Abwässern-Ewigkeitsschäden durch Bodensenkungen.

Die trügerische Hoffnung auf bisher unerschlossene fossile Energieträger darf nicht
weiter das Nachdenken über eine nachhaltige, risikoarme und gerechte Energieversorgung
ersetzen.