Kooperationsoffensive für Sportvereine im Ganztag

Beschluss der LDK Wolfsburg 08./09.November 2025

Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen übernehmen das von der
Landesarbeitsgemeinschaft Sport am 20.03.2025 beschlossene Positionspapier
„Kooperationsoffensive für Sportvereine im Ganztag“:

Im September 2021 hat auch der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Ganztagsförderungsgesetz zugestimmt. Dieses tritt zum 01.08.2026 in Kraft und enthält erstmals einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler*innen. Das Gesetz regelt den Betreuungsanspruch schrittweise. Ab dem Schuljahr 26/27 haben alle Erstklässler*innen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, zum Schuljahr 27/28 werden es dann also zwei Jahrgänge sein, zum Schuljahr 28/29 drei Jahrgänge und ab dem Schuljahr 29/30 dann alle vier Jahrgänge bzw. alle Grundschüler*innen.

Diese Bundesgesetzgebung stellt die Länder und die Kommunen vor erhebliche Herausforderungen, so auch das Land Niedersachsen. Der Rechtsanspruch, der fortan im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt werden soll, sieht einen Betreuungsanspruch von acht Stunden an fünf Schultagen in der Woche vor. Aktuell sind ca. 70% der ca. 1700 Grundschulen in Niedersachsen Ganztagsgrundschulen, 30% noch nicht. Doch für den weiteren Ausbau der Ganztagsgrundschulen benötigt es auch außerschulische Kooperationspartner*innen, die Ganztagsangebote schaffen oder sogar Träger*in des Ganztagsangebotes werden. Ein wichtiger Schlüssel dazu ist der Sport bzw. sind die über 9.000 Sportvereine in Niedersachsen.

Durch den Rechtsanspruch werden viele Grundschüler*innen noch deutlich mehr Zeit in der Schule verbringen. Umso wichtiger ist es, dass ein erheblicher Anteil dieser Zeit zu Bewegungszeit wird. Besonders Grundschüler*innen brauchen viel Bewegung und Sport, um gesund aufzuwachsen. Diese Bewegungszeit muss sich vermehrt auch in der regulären Schulzeit bzw. in bewegten Pausen, Schulsport etc., aber vor allem in den Ganztagsangeboten wiederfinden. Ob Bewegung allgemein oder ein frühes Kennenlernen verschiedener Sportarten: Beides ist wichtig, damit der Zugang zu Bewegung schon in jungen Jahren gegeben ist. Das vom Niedersächsischen Kultusministerium initiierte Programm „Bewegte, gesunde Schule Niedersachsen“ unterstützen wir daher ausdrücklich.

Gleichzeitig kann die Begeisterung für eine Sportart ein guter Grundstein für künftige Spitzensportler*innen aus Niedersachsen sein, der unsere volle Unterstützung verdient. Grundschulen, die diese Bewegungsangebote nicht aus sich selbst heraus ausreichend leisten können, sind auf außerschulische Partner*innen angewiesen. An dieser Stelle sind die Sportvereine gefragt. Schon jetzt zeigen viele Sportvereine, wie sie den Ganztag an Schulen sinnvoll unterstützen oder sogar in Gänze organisieren können. Prominente Beispiele dafür sind der ASC Göttingen und der Turn-Klubb zu Hannover, die beide mittlerweile an vielen Grundschulen tätig sind und somit zu einem der größten Träger in ihrer jeweiligen Kommune geworden sind. Die Situation ist allerdings regional sehr unterschiedlich. In einigen Kommunen ist die Zahl der Ganztagsgrundschulen sehr hoch, in anderen wiederum noch sehr gering. In einigen Kommunen ist der Sport schon fester Bestandteil der Träger*innenlandschaft, in anderen spielt er noch gar keine Rolle. Besonders in ländlichen Regionen sind Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen im Ganztagsbereich noch sehr ausbaufähig. Die fehlenden Kooperationen im ländlichen Raum scheitern häufig nicht am fehlenden Willen der Beteiligten, sondern an den Umständen. Das Niedersächsische Kultusministerium erarbeitet daher bereits in Zusammenarbeit mit den wichtigen Stakeholdern Fortbildungsmöglichkeiten für das nichtlehrende Personal an Schulen. Diese Initiative unterstützen wir sehr.

Wir wollen sowohl die Grundschul- als auch die Sportvereinslandschaft stärken. Das gelingt nur, wenn alle Grundschulen und alle Sportvereine die Herausforderungen des Rechtsanspruchs bewältigen und für sich nutzen können. Alle Grundschulen brauchen ein attraktives Ganztagsangebot, alle Sportvereine müssen die Chance bekommen, sich in diesem Bereich einzubringen. Wir verfolgen einen quartiersbezogenen Ansatz, nach dem versucht werden soll, dass Grundschulen mit den Sportvereinen, die bei ihnen in der Nähe sind, zu kooperieren. Es kann nicht das Ziel sein, dass nur Großsportvereine zu Kooperationspartnern des Ganztags werden und mittlere und kleinere Vereine somit an Bedeutung und Zuwachs verlieren. Der erste Schritt muss sein, dass alle Sportvereine zu Träger*innen der freien Jugendhilfe werden.

Modelle und Best Practices können identifiziert und umgesetzt werden. Dazu gehört die Förderung von Austauschplattformen, die Vernetzung von Schulen und Sportvereinen sowie die Bereitstellung von Unterstützungs- und Beratungsangeboten für interessierte Akteur*innen. Dazu gehören die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Kooperationsprojekte, die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte und Übungsleiter*innen sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine langfristige Zusammenarbeit ermöglichen und erleichtern. Eine attraktive Vergütung des betreuenden Ganztagspersonals kann insbesondere für kleine Vereine eine Möglichkeit sein, Personal aus den eigenen Reihen zu gewinnen. Eine gute Möglichkeit für Kommunen und Schulen ist die Erprobung von peer-to-peer-Ansätzen. Schüler*innen von weiterführenden Schulen können ausgebildet werden, um im Team mit Lehrkräften oder Beschäftigten im Ganztag Bewegungs- und Sportangebote zu machen. Konzepte liegen bereits vor oder werden im Rahmen von Sporthelfer*innen in manchen Bundesländern bereits erfolgreich gelebt.

Die Zusammenarbeit von Schulen mit Sportvereinen bietet vielfältige Vorteile für Kommunen, darunter die Erweiterung des Angebots an Bewegungs- und Sportaktivitäten, die Förderung von sozialen und motorischen Kompetenzen der Schüler*innen sowie die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und der Schulidentität. Durch diese Zusammenarbeit können Schulen und Kommunen einen positiven Beitrag zur Gesundheitsförderung und zur Förderung der Lebensqualität in der Kommune leisten.

Die Sportjugend Niedersachsen hat bereits 2023 eine Arbeitsgruppe “Umgang der Sportorganisation mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung ab 2026” ins Leben gerufen. Daraus hat sich u.a. der Qualifizierungslehrgang “Berater*in im Ganztag” entwickelt – ein Erfolgsmodell, durch das ein großflächiges Beratungsangebot für alle Sportvereine entstanden ist. So können Sportvereine, die noch nicht im Ganztag tätig sind, von der Expertise anderer Vereine profitieren.

Für uns als Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen ist klar: Der organisierte Sport kann mit seinen Sportvereinen zu einem Schlüssel für eine breit aufgestellte und verlässliche Ganztagsbetreuung werden. Dafür braucht es den Sport selbst, die Kommunen und die Politik. Der Sport hat diese Chance vielerorts schon erkannt und arbeitet daran, sich in der Fläche zu qualifizieren. Kommunen und Politik sind nun gefordert, diese Bereitschaft zu nutzen und überall, wo es möglich ist, Kooperationen zwischen Kommune und Sportverein zu schaffen. Besonders in den Kommunen, in denen der Bedarf besonders groß ist, braucht es umgehend eine initiative Einbeziehung der Sportvereine durch die Kommunen und die Schulen.

Eine Kooperationsoffensive für Sportvereine im Ganztag hat für alle Beteiligten nur Vorteile:
– Die Kommunen können ihre Träger*innenlandschaft so breiter aufstellen und jede Grundschule bei der Suche nach passenden Träger*innen unterstützen
– Die Sportvereine entwickeln sich weiter und bauen ihre Attraktivität sowie ihr Mitgliedspotential aus
– Die Schüler*innen profitieren von einer breiteren Angebotsvielfalt und insbesondere von mehr Bewegungs- und Sportangeboten

Beschluss der LDK Wolfsburg 08./09.November 2025