Für eine gerechte und klimafreundliche Wohnungspolitik
Wohnen ist ein Menschenrecht und Teil der Daseinsvorsorge, wie Nahrung, sauberes Wasser und Bildung. Wohnen ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Nicht nur in Großstädten steigen die Mieten, Immobilien- und Grundstückspreise rasant an. Immer mehr Menschen in Niedersachsen müssen mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die Kaltmiete ausgeben. Vor allem in den großen Städten verschärft sich der Wohnungsmarkt zunehmend: In Oldenburg, Hannover, Braunschweig und Osnabrück geben über 40 Prozent der Haushalte mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete aus – besonders für Menschen mit geringem Einkommen bleibt so nur noch wenig Geld zum Leben übrig. Gleichzeitig steigt auch in ländlichen Räumen die Wohnungsnot, weil dort häufig Wohnraum für Singles und Kleinfamilien fehlt und nicht sanierte Bausubstanz leer steht und verfällt.
Es gibt in Niedersachsen zu wenig bezahlbare Wohnungen und immer weniger durchmischte Quartiere. Seit 30 Jahren sinkt der Bestand an Sozialwohnungen. Jedes Jahr fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue entstehen. In Niedersachsen gibt es mittlerweile nur noch weniger als 75.000 Sozialwohnungen, davon bleiben bis 2022 nur 40.000 übrig. Die Obdachlosenzahlen steigen – auch in Niedersachsen. Auch viele Menschen mit mittleren Einkommen haben berechtigte Angst davor, sich ihre Wohnung nicht mehr leisten zu können und aus ihrem Quartier wegziehen zu müssen. Diese Entwicklungen gefährden den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und bergen Potenzial sie nicht nur finanziell, sondern auch räumlich zu spalten.
Die Ursache dafür sind auch politische Fehlentscheidungen und fehlende wirksame Regulierung und Rahmensetzungen. Dies hat zu unfairen Marktbedingungen geführt, bei denen Mieter*innen die Schwächeren sind. Je geringer die Einkommen, desto schlechter die Situation.
Die rasant steigenden Mieten und fehlende bezahlbare Wohnungen sind die Folge eines weitgehend unregulierten Wohnungsmarktes. Bund, Land und Kommunen haben das Feld in den letzten Jahren zunehmend privaten Wohnungskonzernen und Immobilienfirmen überlassen. Der Verkauf der ehemaligen Landeswohnungsbaugesellschaft NILEG war ein Fehler.
Nach Jahrzehnten relativer Wertstabilität sind Wohnraum und Boden gerade nach der Finanzmarktkrise 2008 immer mehr zur Geldanlage und Spekulationsobjekten für große Kapitalanleger*innen geworden. Den geringen Ausgaben des Bundes für den Wohnungsbau stehen Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Wohngeld in Höhe von 17 Milliarden Euro gegenüber. Anstatt Wohnraum zu schaffen, alimentieren wir überhöhte Mieten der Eigentümer*innen für diejenigen, die sich das Wohnen nicht mehr leisten können. So subventionieren wir mit Steuergeldern letztlich die Gewinne von Vermieter*innen und Wohnungskonzernen. Neue Wohnungen entstehen so nicht.
Die Wohnfläche pro Person steigt. Dieses Wachstum ist einerseits Ausdruck zunehmenden gesellschaftlichen Wohlstands. Andererseits ist der zunehmende Raumbedarf auch auf immer mehr Singlehaushalten zurückzuführen, für die es zu wenige passende Wohnungen gibt – in Niedersachsen sind das über 40 Prozent der Haushalte. Auch wohnen gerade auf dem Land Einzelpersonen in viel zu großen Gebäuden mit hohen Unterhaltskosten. Besonders kleinere und barrierefreie Wohnungen fehlen.
Außerdem ist es in Deutschland gerade bei selbstgenutztem Eigentum anders als z.B. in den Niederlanden nicht üblich, sich räumlich zu verkleinern; wenn z.B. Kinder ausgezogen sind. Oft kommt ein Umzug aus Kostengründen nicht in Betracht, weil so ein alter, kostengünstigerer Mietvertrag verloren ginge. Hier bietet sich als eine Lösung der Miettausch an, sodass bei gegenseitigem Einvernehmen zum Beispiel Familien mit Kindern in eine größere Wohnung und Alleinstehende in eine günstigere kleinere Wohnung bei Fortgeltung der Mietverträge ziehen können.
Die Ungleichheit in der Gesellschaft hat sich durch die teilweise rasanten Wertanstiege von Immobilien und Boden verstärkt. Während Mieter*innen immer größere Anteile ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen, ist das Immobilienvermögen der reichsten 10 Prozent unserer Gesellschaft in den letzten acht Jahren inflationsbereinigt um 3 Billionen Euro gestiegen – zum Vergleich: die gesamte Staatsverschuldung liegt bei 2 Billionen Euro.
Dringender politischer Handlungsbedarf in der Wohnungspolitik besteht auch aus Klimaschutzgründen. Zwei Drittel des Energiebedarfs privater Haushalte wird für das Heizen der Wohnung verbraucht – der Anteil an klimaneutraler Energie ist dabei noch verschwindend gering. Wir brauchen eine Offensive für die dringend notwendige energetische Sanierung des bestehenden Wohnraums.
Das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum ist ein Symptom verfehlter oder fehlender politischen Handlungen in vielen Politikfeldern. Aber eine zentrale Ursache ist der Rückzug der öffentlichen Hand aus dem sozialen Wohnungsbau. Die politischen Herausforderungen sind heute auch deshalb besonders groß, weil das Thema Wohnungspolitik auch wegen des falsch eingeschätzten Bedarfs lange eine Nebenrolle spielte. Der Glaube, ein ausreichendes Angebot an Wohnraum regle allein der Markt, ist und war falsch. Es ist höchste Zeit, mit einer aktiven Wohnungspolitik auf allen Ebenen grundlegend gegenzusteuern, um zu verhindern, dass sich die soziale Spaltung unserer Gesellschaft baulich zementiert. Dazu braucht es aktives politischen Handeln auf allen Ebenen und einen Mix an Maßnahmen in verschiedensten Bereichen.
GRÜNE Wohnungspolitik steht für bezahlbaren Wohnraum für alle, klimagerecht und barrierefrei, in Dörfern und Städten, mit sozial gemischten, lebenswerten und grünen Quartieren. Dafür ist ein Bündel von Maßnahmen auf unterschiedlichen politischen Ebenen nötig.
Investieren in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft: Wohnraum öffentlich besser fördern
Wir brauchen einen Neustart in der Wohnbauförderung. Dafür muss eine neue Wohngemeinnützigkeit nach dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ eingeführt werden. Vermieter*innen, die sich dazu verpflichten, dauerhaft an Menschen mit geringerem Einkommen und zu günstigen Mieten zu vermieten, erhalten eine öffentliche Förderung. Diese steht allen Akteur*innen offen. Kommunale und private Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und private Vermieter*innen, die bestehenden Wohnraum oder Neubauten gemeinnützig und sozial vermieten, sollen zusätzliche Zuschüsse und Steuererleichterungen erhalten. Durch die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung neu errichteter, erworbener oder sanierter Mietwohnungen wollen wir steuerliche Anreize zur Belebung des Mietwohnungsbaus setzen.
Insgesamt ist eine deutliche Steigerung der Wohnraumfördermittel des Landes und ein entsprechender Einsatz des Landes insbesondere für Wohnungen für Einkommensschwache Haushalte nötig. Die bisherige Förderung des Landes geht vielfach an den Bedürfnissen vorbei, denn die Neubautätigkeiten der letzten Jahre haben kaum einen Beitrag zu neuem sozialem Wohnraum geleistet. Wir wollen daher stärker auf in öffentlich-öffentliche Partnerschaften von Land und Kommunen oder gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften bauen. Um gebundenen Wohnraum abzusichern, setzen wir auch auf öffentliches Eigentum an Flächen und das Erbbaurecht auf Flächen in Landes- oder Kommunalbesitz. Den jährliche Verwaltungskostenbeitrag für Darlehen der Nbank zum Bau von preisgebundenem Wohnraum wollen wir streichen, um einen weiteren Anreiz für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen.
Eine der größten Hürde bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum liegt in der Vergabepraxis von Flächen. Meist werden öffentliche Flächen meistbietend an Investoren veräußert, ohne ausreichende städtebauliche wie mietpreisbeschränkende Rahmenbedingungen zu definieren. In der Folge wird kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen, sondern die Mieteinahmen der Investoren maximiert. Die Kommunalpolitik hat zu wenig Instrumente, um dem entgegenzuwirken. Aufgabe der Bundes- und Landespolitik ist es daher, solchen für die Wohnungsmärkte fatalen Flächenvergaben entgegenzuwirken und die Kommunen darin zu unterstützen, eine aktive Bodenpolitik zu betreiben und mehr
Transparenz zu schaffen.
Eine Landeswohnungsbaugesellschaft entwickeln
Niedersachsen braucht eine eigene Wohnungsbaugesellschaft als zusätzliches Steuerungsinstrument für den Wohnungsmarkt.Wir schlagen vor, als ersten Schritt die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) zusammen mit den Kommunen zu einer Landeswohnungsgesellschaft weiterzuentwickeln, die insbesondere nicht sanierte Immobilien aufkauft, saniert und gezielt sozialen Wohnungsbau betreibt. Die Landeswohnungsbaugesellschaft soll Partnerin für Kommunen sein und öffentlich- öffentliche Partnerschaften bei Sanierung und Neubau für bezahlbaren Wohnraum ermöglichen. Dafür können landeseigene Grundstücke und Gebäude eingebracht und sukzessive erweitert werden. Sie kann zudem Altbestand aufkaufen und ökologisch sanieren. Das sind sinnvolle Investitionen, die auch neue Werte schaffen.
Öffentliche Handlungsfähigkeit stärken – Spekulationen begrenzen
Wohnen ist zunehmend zu einer Handelsware geworden. Hohe Renditen sind möglich ohne neuen Wohnraum zu schaffen, indem Grundstücke brachliegen und Häuser leer stehen gelassen werden. Neben der weiter steigenden Nachfrage sind solche Spekulationen mit Wohnraum und mit Bauland ein weiterer Preistreiber im Wohnungsmarkt: Die Preise für Bauland seit 2010 um über 60 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich stärker. Die Öffentliche Hand muss die Spekulation mit Wohnraum begrenzen, und auch den Grundsatz durchsetzen können, dass „Eigentum verpflichtet.“ Die in Artikel 14 des Grundgesetzes geregelte Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist mehr und mehr verlorengegangen. Wir wollen sie einfordern und herstellen. Mit einer erhöhten Grundsteuer für unbebaute Grundstücke wollen wir die Spekulation mit ausgewiesenen, baureifen Grundstücken eindämmen.
Flächen in öffentlichem Eigentum, die für den Wohnungsbau in Betracht kommen, sollen nicht mehr privatisiert werden. Stattdessen sollen Bund, Land, und Kommunen das Erbbaurecht als Instrument gegen Spekulationen nutzen: Kann beispielsweise eine Kommune nicht selbst bauen, räumt sie ein Erbbaurecht ein, statt das Grundstück zu verkaufen. Nach Ablauf fallen Gebäude (gegen Entschädigung) und Grundstück an die öffentliche Hand zurück, statt zu Spekulationsobjekten zu werden. Das Land soll hier mit einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft aktiv werden, mit kommunalen Akteuren zusammenarbeiten und Kommunen bei einer aktiven Bodenpolitik unterstützen.
Missbrauch von Genossenschaftsmodellen oder Sharedeals, bei denen Konzerne nicht Immobilien, sondern Anteile kaufen und damit die Grunderwerbssteuer umgehen, müssen per Gesetz beendet werden oder zumindest angemessen besteuert werden.
Wir wollen vor allem die kommunale Handlungsfähigkeit stärken. Wir wollen die Niedersächsische Bauordnung so ändern, dass Kommunen die Gültigkeit von Baugenehmigungen besser begrenzen und somit Maßnahmen beschleunigen können. Damit Kommunen die Möglichkeit von Bauverpflichtungen auch praktisch nutzen können, muss das Baugebot im Baugesetzbuch juristisch nachgeschärft werden. Durch die Verankerung eines Entwicklungsmaßnahmengebietes sollen Bauverpflichtungen auch für größere Bereiche möglich werden. Wer das Baugebot innerhalb einer angemessenen Frist nicht erfüllt, kann in letzter Konsequenz zum Verkauf gezwungen bzw. die Grundstücke gegen Entschädigung kommunalisiert werden. Dieses Instrument kann auch genutzt werden, um langem spekulativem Leerstand entgegenzuwirken. Die Möglichkeiten zur Enteignung sowie zur Vergesellschaftung gegen Entschädigung sind in unserer Verfassung ausdrücklich vorgesehen. Enteignungen finden bereits regelmäßig statt, z.B. für den Bau von Autobahnen oder den Kohleabbau. Wenn Wohnungsunternehmen sich weigern, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, kann die öffentliche Hand die Instrumente der Enteignung und Vergesellschaftung gegen Entschädigung als letzte Mittel anwenden. Außerdem muss das kommunale Vorkaufsrecht weiter gestärkt werden. Kommunen müssen außerdem in die Lage versetzt werden, gegen Zweckentfremdung von Wohnraum (für Ferienwohnungen, Gewerbe oder spekulativen Leerstand) sowie gegen unzumutbare Wohnverhältnisse besser vorzugehen. Wir brauchen ein wirksames Wohnraumschutzgesetz mit Mindeststandards für Wohnen und einer kommunalen Handhabe gegen Ausbeutung. Zustände wie im Wollepark Delmenhorst, wo Eigentümer*innen Wohnungen verfallen ließen, oder in Unterkünftigen für Werksvertragsarbeiter*innen in der Fleischindustrie, wo hunderte Menschen auf engstem Raum ohne ausreichende sanitäre Einrichtungen und Mindeststandards untergebracht werden, dürfen nicht länger achselzuckend hingenommen werden. Zusätzlich sind harte Sanktionen bei Zweckentfremdung und spekulativen Leerstand nötig.
Kommunen können in sogenannten Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen zwar einschränken, aber durch eine Lücke im Bundesbaugesetz nicht untersagen. Bedingungen und Befristungen wollen wir deshalb weitgehend abschaffen, sodass eine Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt eine Umwandlung ausnahmslos und stadtweit untersagen kann, wenn sie es für geboten hält. Wir setzen verstärkt auf das städtebauliche Instrument des Milieuschutzes, um die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in Gebieten mit hohem Verdrängungsdruck zu erhalten.
Je stärker die Handlungsfähigkeit der Kommunen, umso leichter können sie bei angespannten Wohnungsmärkten aktiv werden: Sie können bedarfsorientierte Mindestquoten für preiswerte Mietwohnungen in Neubaugebieten verbindlich festschreiben oder über Konzeptvergaben sicherstellen, dass statt des Höchstangebots Pläne mit einem Mehrwert für das Gemeinwohl den Zuschlag erhalten. Außerdem bestärken wir Kommunen darin Flächen zu erwerben, indem sie das Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nutzen, um dem Anstieg von Baulandpreisen entgegenzuwirken.
Für fairere Marktverhältnisse: Mieter*innen stärken
Die Hälfte der Menschen in Deutschland wohnt zur Miete – das ist EU-weit der höchste Anteil. Mieter*innen sind in den letzten Jahren am Wohnungsmarkt zunehmend in schwächere Positionen geraten. Deshalb brauchen wir ordnungsrechtliche Maßnahmen, um fairere Marktbedingungen zu schaffen. Die bisherige Mietpreisbremse wirkt kaum. Nötig ist, die mögliche Preissteigerung bei Wiedervermietung von 10 Prozent auf 5 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu senken Für bestehende Mietverhältnisse wollen wir den Mietanstieg auf maximal drei Prozent im Jahr begrenzen – bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Die Logik der bisherigen Mietspiegel verschärft die Situation zusehends, da nur die abgeschlossenen Mietverträge der letzten vier Jahre für die ortsübliche Vergleichsmiete herangezogen werden. Deshalb müssen für die Berechnung des Mietspiegels die letzten zwanzig Jahre berücksichtigt werden. Um Mieter*innen wirksam zu schützen, braucht es eine rückwirkende Rückzahlungsverpflichtung bei zu hohen Mieten, eine Beweislastumkehr und starke unabhängige Beratungsstellen. Und wir brauchen klarere Grenzen bei den bislang wenig begrenzten Möglichkeiten der sogenannten Eigenbedarfskündigung. Das stärkt auch die große Zahl fairer privater Vermieter*innen im Wettbewerb. Auch beim Wechsel vom Miet- in ein Eigentumsverhältnis wollen wir die Nachfrageseite stärken, indem das Bestellerprinzip für Makler*innenleistungen auch beim Immobilienerwerb gilt und die Makler*innenprovision auf 2 % begrenzt wird.
Aktiv gegen Wohnungslosigkeit
Akute oder drohende Wohnungslosigkeit reicht bis in die Mitte der Gesellschaft und erreicht Jahr für Jahr neue Höchststände. Dennoch fehlen in Niedersachsen konkrete Maßnahmen zur Vermeidung oder Behebung von Wohnungslosigkeit. Menschen in Wohnungsnotfällen brauchen schnelle und unbürokratische Hilfen aus einer Hand. Kommunale Fachstellen, die aufsuchend arbeiten und Leistungen aus verschiedenen Hilfesystemen bündeln, können Wohnungsverluste auch in schwierigen Situationen wirksam verhindern. Denn Eines ist klar: wer heute seine Wohnung wegen Mietschulden verliert, hat kaum Chancen, eine Neue zu finden. Wir setzen darüber hinaus auf einen flächendeckenden Einsatz des „Housing First“-Ansatzes, bei dem wohnungslose Menschen in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe „qualifizieren“ zu müssen.
Anders wohnen möglich machen:
Es fehlen vor allem kleinere, bezahlbare und barrierefreie Wohnungen. Der Bau oder der Umbau solcher Wohnungen muss daher besonders gefördert werden. Außerdem sind flexible Grundrisse gefragt, die auch eine Verkleinerung von Wohnfläche ermöglichen, z.B. wenn Kinder ausgezogen sind, und so ein Umzug aus dem angestammten Wohnquartier vermieden wird. Auch alternative Wohnformen wollen wir stärken: das gilt für gemeinschaftliches Wohnen, wie für Wohngruppen, Mehrgenerationenhäuser, tiny houses als Nachverdichtung, betreutes Wohnen oder Pflege-WGs. Grünes Wohnen bedeutet Wohnen passend zur Lebenssituation. Deswegen wollen wir direkte Hilfen bei der Wohnungssuche z.B. im Rahmen des Quartiersmanagements fördern.
Nachhaltig wohnen – für Klimaschutz, der sich für Mieter*innen und Vermieter*innen lohnt
Investitionen in Energieeinsparung und -effizienz sind auf Dauer ein Schlüssel für bezahlbares Wohnen und den dringend notwendigen Klimaschutz. Das gilt nicht nur für den Neubau; auch energetische Sanierung muss sich lohnen: und zwar für Mieter*innen und Vermieter*innen. Je länger diese Investitionen ausbleiben, desto höher werden die Kosten für Klimafolgenanpassung im Verhältnis zu Investitionen in die Energiewende und in Energieeinsparungen.
Deswegen muss jetzt in Klimaschutz investiert werden – gerade im Gebäudebereich, vor allem beim Heizen. Derzeit wird jährlich etwa ein Prozent der Gebäude in Deutschland und in Niedersachsen energetisch saniert, das müssen wir deutlich steigern. Dafür brauchen wir neben Mitteln aus dem Klimainnovationsfondseine ökologische und soziale Steuerpolitik, damit die Öffentliche Hand energetische Sanierung im selbstgenutzten Eigentum endlich wirksam steuerlich fördern kann. Allerdings brauchen wir auch Zuschüsse für diejenigen, die nicht von steuerlichen Anreizen profitieren können.
Wir wollen durch gezielte Förderung und durch eine gerechte Kostenverteilung zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen und der Öffentlichen Hand die Soziale Wärmewende erreichen. Dazu bedarf es einen Instrumentenmix: Für mehr Klimaschutz bei Mietwohnungen muss die Förderung so angepasst werden, dass es sich lohnt die Häuser klimaneutral zu machen. In unserem Modell verbleibt die staatliche Förderung komplett bei den Vermieter*innen. Dafür sinkt aber die Modernisierungsumlage, welche auf die Miete aufgeschlagen werden kann: Die umlagefähigen Modernisierungskosten wollen wir auf jährlich 4 Prozent, maximal jedoch auf 1,50 € pro Quadratmeter innerhalb von 8 Jahren eindämmen. Kosten für Luxusmodernisierungen dürfen nicht weiter gegen den Mieterwillen auf die Miete umgelegt werden. Härtefälle müssen staatlich aufgefangen werden. Mieter*innen profitieren so von besser sanierten Wohnungen und deutlich sinkenden Nebenkosten durch Erneuerbare Wärme. Vermieter*innen bekommen einen Anreiz für mehr Klimaschutz und Wertsteigerung ihrer Gebäude, ohne die Mieter*innen zu belasten. Durch dieses Klimaschutzkonjunkturprogramm gewinnen auch der Mittelstand und das Handwerk. Und wir können durch eine erhöhte Sanierungsrate gerade von Altbauten die Klimaziele erreichen.
Der Einbau von Öl- und Gasheizungen wird noch immer in Millionenhöhe vom Bund gefördert. Diese klimaschädliche Form des Heizens muss ein Ende haben. Ölheizungen dürfen ab sofort nicht mehr eingebaut werden, ab 2025 ist auch auf den Neueinbau von Gasheizungen zu verzichten.
Wir denken energetische Gebäudesanierung nicht nur von Haus zu Haus, sondern in Zusammenhängen von städtischen Quartieren, Gewerbegebieten, Dörfern oder Siedlungen. Dadurch stärken wir gemeinschaftliche Versorgungslösungen, die energieeffizienter und günstiger sind als eine Vielzahl von Einzellösungen.
Gleichzeitig müssen ein wirksamer, dynamisch angelegter CO2-Preis im Wärmesektor und ein Energiegeld als pro-Kopf-Rückerstattung dafür sorgen, dass sich Energieeinsparung und der Umstieg auf Erneuerbare lohnen.
Bauvorschriften modernisieren, für schnelleres, preiswerteres und ökologischeres Bauen
Wo möglich, müssen die Landesbauordnungen vereinheitlicht werden, zum Beispiel um bundesweite Typengenehmigungen für serielles Bauen zu erleichtern. Das senkt nicht nur die Baukosten, sondern ermöglicht auch, ökologisch vorproduzierte Fertigkomponenten entsprechend dem erfolgreichen Modell der Ökodesignrichtlinie der EU zu verankern. Für Neubauten brauchen wir den Passivhausstandard. Existierende DIN-Normen müssen überprüft und so angepasst werden, dass sie ökologischen, nachhaltigen und energetischen Belangen nicht entgegenstehen.
Es braucht veränderte Rahmenbedingen, nach denen ökologisches Bauen preiswertes Bauen ist. Zum Beispiel muss die Pflicht zur Errichtung von Autostellplätzen abgeschafft und die baurechtlichen Vorgaben für Aufstockungen verringert werden. Auch der Umstieg auf nachwachsende Materialien wie Holz und Stroh muss stärker gefördert und durch Veränderungen in den Bauvorschriften gesteuert werden. Denn bislang wird die graue Energie, die in Baustoffen wie z.B. Dämmungen und Beton steckt, kaum berücksichtigt.
Um das Tempo von Wohnungsbauvorhaben zu beschleunigen, müssen die Bauämter personell besser ausgestattet werden. Nur wenn wir zukünftig wieder gut ausgestattete Bauämter haben, können sie passgenau beraten und zügig über Bauprojekte entscheiden.
Bebauung verdichten statt Flächen vernichten
Flächenversiegelung ist für Umwelt, Klima und Artenvielfalt ein riesiges Problem – und gefährdet so unsere Lebensgrundlagen. Flächen sind eine der wertvollsten Ressourcen – vor allem in Städten. Es ist notwendig sparsam mit ihnen umzugehen. Das geht nur mit mehr vertikaler Verdichtung statt Flächenfraß, zum Beispiel durch Aufstockung von Gewerbeimmobilien, wie eingeschossigen Einzelhandels- und Discounter-Märkten, Büro- und Verwaltungsgebäuden und Parkhäusern oder -plätzen. Wir wollen daher in der Niedersächsischen Bauordnung die Aufstockung von Gebäuden deutlich erleichtern. Nachverdichtung im Bestand kann durch Baulücken- und Leerstandskataster erleichtert werden; aber auch bauordnungsrechtliche Vorgaben wie die Grund- und Geschossflächenzahl sind zu überprüfen, wenn sie einer Nachverdichtung entgegenstehen. Bei Aufstockung oder Anbau an einen bestehenden Baukörper soll Bestandsschutz für die vorhandene Bausubstanz gelten, um dafür kostspielige nachträgliche Sanierungsmaßnahmen zu vermeiden.
Soviel, wie neu gebaut wird, so viel an neuem Grün wollen wir schaffen – auch und vor allem auf Dächern und Fassaden, die heute dafür weitgehend ungenutzt bleiben. Das Land muss entsprechende Maßnahmen fördern. Wir wollen das Stadtgrün schützen und erweitern, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und als Anpassungsmaßnahme an die Klimakrise, sondern auch, weil es für die Lebensqualität in den Städten, gerade für Menschen ohne Zugang zu Gärten und Freiflächen, von hoher Bedeutung ist. Wir wollen erreichen, dass für jede neue Versiegelung von Fläche eine gleich große, nicht mehr benötigtigte versiegelte Fläche renaturiert wird.