Die Anschläge von Paris, Brüssel, Nizza und Istanbul haben uns alle in Europa schwer getroffen. Die Terrorangriffe von Würzburg und Ansbach sowie der mutmaßlich islamistisch motivierte Angriff einer Jugendlichen auf einen Polizisten am Hauptbahnhof Hannover machen deutlich, dass auch Deutschland gegenüber dem islamistischen Terrorismus und einem erstarkten Rechtsextremismus verletzlich ist. Das Ausmaß rechter Straftaten zeigt ein Blick in die Statistik des Bundeskriminalamtes, die für das Jahr 2015 bundesweit 924 Straftaten gegen Unterkünfte von Geflüchteten ausweist – eine Vervierfachung gegenüber dem Vorjahr. Bei rund einem Viertel dieser Anschläge bestand eine direkte Gefahr für Menschenleben.
Nach einer Ende Juli veröffentlichten Umfrage von infratest-dimap erwarten bundesweit 77 Prozent der Befragten weitere terroristische Anschläge auch in Deutschland. 36 Prozent der Befragten gaben in einer anderen, ebenfalls Ende Juli veröffentlichten Umfrage an, Angst zu haben, selbst von einem Anschlag betroffen zu sein.
Dabei entsprechen die Ängste nicht immer der realen Bedrohungslage. Unser Land ist nach wie vor einer der sichersten Staaten weltweit mit einem äußerst geringen statistischen Risiko, Opfer eines Anschlags zu werden. Dennoch muss die Sicherheitspolitik der wachsenden Verunsicherung der Bevölkerung mit geeigneten Maßnahmen begegnen, die neues und begründetes Vertrauen schaffen.
Und es gilt, sich der Politik der Angst entgegenzustellen. Gerade im Diskurs um die öffentliche Sicherheit dürfen wir Ängste nicht schüren, sondern müssen sie – ruhig und sachlich – abbauen. Zwar steigt zum Beispiel die Zahl der Wohnungseinbrüche, während die Tötungs- und Gewaltdelikte seit Jahren zurückgehen. Insgesamt weist die polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland seit Jahren konstante Fallzahlen auf. Es gilt also, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.
Dazu gehört auch, Sicherheit und Freiheit in das richtige Verhältnis zu bringen. Selbstverständlich ist es die elementare staatliche Aufgabe, die Rechte seiner Bürger*innen zu schützen und sie vor Terror, Gewalt und Kriminalität bestmöglich zu bewahren. Bei Sicherheit handelt es sich jedoch um eine der Freiheit dienende Funktion. Keineswegs ist es so, dass es ein den freiheitlichen Grundrechten ebenbürtiges oder sogar vorrangiges „Recht auf Sicherheit“ gäbe. Wer bereit ist, die Freiheit für mehr Sicherheit zu opfern, wird am Ende beides verlieren.
Rechtsextreme Strukturen in Niedersachsen.
Nach aktuellen Untersuchungen haben rund 5,5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, etwa 18 Prozent sind ausländerfeindlich. Diskriminierung, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind nicht nur ein Problem der extrem Rechten. Immer größer werden antisemitische Ressentiments und die Ablehnung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie Muslime, Sinti und Roma oder Homosexuelle auch in der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Hass und Hetze breiten sich aus. Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen sind auf dem Vormarsch. Damit einher geht eine zunehmende Radikalisierung und wachsende Gewaltbereitschaft bei Personen mit rechtsextremen Einstellungen. In den vergangenen Monaten waren die rechtsextremen Aktivitäten von rassistischen Anti-Asylkampagnen geprägt, mit dem traurigen Höhepunkt eines Brandanschlages auf ein bewohntes Flüchtlingsheim im Landkreis Hameln-Pyrmont. Allein im ersten Halbjahr 2016 hat die niedersächsische Polizei 868 rechte Straftaten erfasst, davon 62 Gewaltdelikte. Die Zahl der rechten Straftaten hat damit im ersten Halbjahr 2016 um erschreckende rund 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres zugenommen. Ein wachsendes Problem sind auch die selbsternannten „Bürgerwehren“ – patrouillierende Gruppen, die angeblich für Sicherheit sorgen wollen. Hier sind die Übergänge zum subkulturellen Rechtsextremismus fließend. Dass ein massiver Anstieg rechter Gewalttaten mit einer zumindest derzeit in Niedersachsen nicht anwachsenden rechtsextremen Szene einhergeht, zeigt, dass das rechte Gewaltpotenzial über das organisierte rechtsextremistische Spektrum deutlich hinausgeht. Alle politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, nicht mit dem Feuer zu spielen. Populistischen Positionen gegenüber Geflüchteten und anderen Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund schaffen ein politisches Klima, aus dem eine Legitimation für rassistische rechtsextreme Straftaten abgeleitet wird.
Salafistische und islamistische Strukturen in Niedersachsen
Starken Zulauf hat in Niedersachsen wie auch bundesweit die islamistische Szene: Bundesweit gehen die Verfassungsschutzbehörden von rund 8.700 Islamisten aus, etwa 520 davon aus Niedersachsen. Rund 75 niedersächsische Islamisten sind oder waren nach Syrien oder in den Irak gereist, um dort den IS und andere Terrorgruppen zu unterstützen – rund 25 Personen von ihnen sind zwischenzeitlich wieder nach Deutschland zurückgekehrt, 14 weitere sind getötet worden. Die räumlichen Schwerpunkte der islamistischen Szene liegen im Raum Hannover/Hildesheim sowie im Raum Braunschweig/Wolfsburg.
Ein Problem sind vor allem professionelle Missionierungsaktivitäten, wovon sich vor allem junge Menschen angesprochen fühlen. Hier gibt es eine große Verantwortung der Moscheegemeinden zusammen mit Schulen, freien Trägern der Jugendarbeit, sozialen Einrichtungen und weiteren Akteuren klar und entschlossen gegen salafistische und islamistische Gruppen vorzugehen. Die rot-grüne Landesregierung hat zudem bereits konsequent die „Lies“-Verteilungsaktionen salafistischer Vereine in Niedersachsens Städten verboten.
Grundsätze Grüner Sicherheitspolitik – Freiheit und Sicherheit in Niedersachsen
Die Innere Sicherheit zu gewährleisten, ist eine Kernaufgabe des Staates. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben gehört nicht in private Hände, erst recht nicht in die Hände selbsternannter Bürgerwehren. Auch die Rekrutierung von Hilfspolizist*innen ist keine Lösung und sichert nicht unser Zusammenleben.
Unser Land ist nach wie vor einer der sichersten Staaten weltweit mit einem äußerst geringen statistischen Risiko, Opfer eines Anschlags zu werden. Dennoch wächst die „gefühlte Bedrohung“ und es ist Aufgabe grüner Politik, der wachsenden Verunsicherung mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen und Vertrauen neu zu begründen.
Über ihre V-Leute waren Verfassungsschützer so eng in das rechtsextreme Milieu verstrickt, dass sie der Polizei entscheidende Informationen vorenthalten haben. Wir begrüßen daher, dass es in Niedersachsen gelungen ist, eine restriktive gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten auf den Weg zu bringen. In Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft wollen wir uns auch deshalb auf den Weg begeben, die Geschichte des NSU und des Unterstützer*innen-Netzwerkes in Niedersachsen aufzuklären. Sicherheitsbehörden sollten grundsätzlich offen agieren. Staatliches Handeln mit verdeckten nachrichtendienstlichen Mitteln kann in einem Rechtsstaat nur erlaubt sein, wenn die innere Sicherheit anders nicht zu gewährleisten ist. Wir setzen daher bei der Terrorismusbekämpfung prioritär auf die Polizei und wollen eine strikte Beschränkung und Kontrolle des Verfassungsschutzes.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen entschieden die populistischen Forderungen der CDU-Länderinnenminister nach einem Burkaverbot oder einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ab. Diese Forderungen haben nichts mit der Lösung des zweifellos bestehenden Problems wachsender islamistischer Bedrohung zu tun, sie sind reine Symbolpolitik und verfolgen ausschließlich das Ziel, Stimmen am äußeren rechten Rand einzusammeln.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteilen Bestrebungen eine deutliche Absage, auf Gefährdungen mit massiver Einschränkung der Bürger*innenrechte zu reagieren und Kommunikationsmängel bei Sicherheitsbehörden auf nationaler wie europäischer Ebene auf Hindernisse durch den Datenschutz zurückzuführen. Der für den Schutz unserer Verfassung zuständige Bundesinnenminister redet darüber, dass Datenschutz zwar schön sei, aber in Krisenzeiten die Sicherheit Vorrang habe. Damit tritt er eines unserer zentralen Grundrechte mit Füßen.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gilt: Grundrechte, Datenschutz und rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung sind keine schmückende Girlande unserer Demokratie, sondern Kernelement unserer Werteordnung.
Grüne Sicherheitspolitik setzt einerseits auf eine personell und sachlich gut ausgestattete und gut ausgebildete Polizei, die länderübergreifend und europäisch vernetzt in der Lage ist, Straftaten bestmöglich zu verhindern und Täter*innen mit rechtsstaatlichen Mitteln und modernster Technik zu ermitteln. Den von der Union immer wieder geforderten verstärkten Einsatz der Bundeswehr zur Terrorismusbekämpfung lehnen wir ab. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass der Einsatz der Bundeswehr nur im Rahmen der Gefahrenabwehr bei einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung möglich ist. Sie darf nur unterstützend tätig sein, wenn Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz Aufgaben nicht mehr alleine bewältigen können.
Zentrales Instrument grüner Sicherheitspolitik ist die Prävention, denn Prävention kann, was kein Strafgesetz, kein Sicherheitsapparat und keine Technik je leisten wird: Sie kann gewaltbereite Radikalisierung und damit Straftaten – egal ob rechts, links oder islamistisch motiviert – verhindern, bevor sie entstehen. Prävention ist daher das wirksamste Mittel zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit.
Notwendige Maßnahmen in Niedersachsen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Niedersachsen stehen für eine wirksame Politik der Inneren Sicherheit. Weder im öffentlichen Raum, noch zu Hause oder in den sozialen Medien sollten Menschen sich unsicher fühlen. Die rot-grüne Landesregierung hat reagiert und die Neueinstellung von jährlich 250 zusätzlichen Polizeianwärter*innen beschlossen, sodass künftig jährlich 1000 Polizeianwärter*innen eingestellt werden. Um die Arbeit bei der Polizei attraktiver zu gestalten, erhalten die Beamten bei Dienst zu ungünstigen Zeiten eine höhere Vergütung und das auf den Weg gebrachte Stellenhebungsprogramm sorgt für raschere Beförderung inklusiv höherer Besoldung. Darüber hinaus gab es weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeit bei der Polizei. Zur Stärkung der Strafverfolgungsbehörden gehört auch, sie von bürokratischen Aufgaben zu entlasten. In diesem Sinne begrüßen wir die im Niedersächsischen Versammlungsgesetz vollzogene Einstufung eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot als Ordnungswidrigkeit. Ebenso fordern wir, die Polizeivollzugsbeamten von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, indem weiteres Tarifpersonal eingestellt wird und indem die Polizei von Maßnahmen wie Geschwindigkeitsmessungen oder die Begleitung von Schwertransporten entlastet wird. Durch den Wegfall des abstrakten Ordnungsbegriffs im bisherigen Niedersächsischen Gesetz für Sicherheit und Ordnung wird die Polizei in Niedersachsen entlastet und kann sich verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
Grüne Politik für mehr Sicherheit bedeutet aber nicht nur mehr Polizei. Wir wollen auch eine andere Polizei. Wir wollen eine Polizei, die auch in Stresssituationen rechtssicher agiert und den Schutz der Grundrechte nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zum Leitziel ihres polizeilichen Handelns macht. Wir setzen uns für eine individualisierte, anonymisierte Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizistinnen in geschlossenen Einheiten ein. Für Beschwerden über polizeiliches Handeln aber auch Beschwerden innerhalb der Polizei haben wir eine unabhängige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizeibeamtinnen und -beamte eingerichtet.
Mit der Einbringung eines modernen Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes im Landtag wurde bereits der Grundstein für ein Regelwerk als Spagat zwischen einem notwendigen hohen Sicherheitsstandard und der Wahrung von individuellen Freiheitsrechten und Datenschutz geschaffen. Wesentliche Beispiele hierfür sind die Einschränkung der Gewahrsamsdauer von zehn auf vier Tagen, das Streichen der Befugnisse zum Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte aus gefahrenabwehrenden Gründen und die bundesweit erste Umsetzung der eingrenzenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen des BKA-Gesetzes. Die von der schwarz-gelben Landesregierung durchgeführten anlasslosen Kontrollen von Moschee-Besuchern, die sog. „Moscheenkontrollen“, wurden ausdrücklich aus dem Gesetz gestrichen. Die Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe wegen ihrer religiösen Bekenntnisse und dem Besuch einer Moschee wird von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entschieden abgelehnt.
Weltoffene Gesellschaften brauchen diskriminierungsfreie Sicherheitsbehörden. Wenn wir das Vertrauen von Migrantinnen und Migranten in den Rechtsstaat und seine Polizei nicht beschädigen wollen, müssen wir jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegentreten. Deswegen arbeiten wir GRÜNE im Landtag für interkulturelle Sicherheitsbehörden, die diskriminierungsfrei arbeiten. Hierfür bringen wir Konzepte zur Stärkung interkultureller Kompetenz in den Sicherheitsbehörden voran.
Zur Stärkung der Strafverfolgungsbehörden gehört die Entlastung von bürokratischen Aufgaben. Wir begrüßen die im Niedersächsischen Versammlungsgesetz geplante Einstufung eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot als Ordnungswidrigkeit. Damit entfällt für die Polizei, in jedem Fall von Vermummung strafrechtliche Verfahren einzuleiten und Ermittlungen aufzunehmen und die Justiz wird ebenfalls entlastet.
Die weltweite Vernetzung und die zunehmende professionelle Nutzung der Medien spielt bei der Radikalisierung eine immer größere Rolle. Durch gezielte Rekrutierungsaktivitäten wird versucht, insbesondere junge Menschen, zunehmend auch junge Frauen, zu radikalisieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen die Bemühungen der rot-grünen Landesregierung, die Polizei technisch und personell so auszustatten, dass sie in der Lage ist, diesem Problem wirksam zu begegnen. Auch in den bereits bestehenden Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Computer-Kriminalität muss dieses Phänomen noch stärker in den Fokus genommen werden.
Zusätzlich zur Stärkung der Polizei müssen auch die Staatsanwaltschaften und die niedersächsische Justiz so ausgestattet werden, dass sie in der Lage ist, die Verfahren zügig abzuarbeiten. Es ist von zentraler Bedeutung gegenüber straffällig gewordenen Menschen, zeitnah deutlich zu machen, dass unser Rechtsstaat Verstöße gegen geltendes Recht nicht akzeptiert.
Internationale Zusammenarbeit verstärken
Die niedersächsische Polizei ist bereits heute international gut vernetzt. Wir wollen diese Zusammenarbeit weiter fördern und verbessern.
So trägt u. a. der bundesweite Anstieg von Wohnungseinbrüchen um 53 Prozent zwischen 2007 und 2015 zur Verunsicherung in der Bevölkerung bei. Hier gilt es im Kampf gegen organisierte Banden die Zusammenarbeit mit der Polizei in unseren europäischen Nachbarländern effizienter zu machen.
Eine symbolhafte Verschärfung der Strafdrohung für Einbruchsdiebstahl im StGB hingegen lehnen wir ab. Täter lassen sich bekanntermaßen viel mehr vom Risiko des „Erwischtwerdens“ abschrecken, als von gesetzliche Strafmaßerhöhungen.
Waffenrecht verschärfen
Der Amoklauf von Winnenden, bei dem ein Schüler im März 2009 fünfzehn Menschen und schließlich sich selbst tötete, wie auch der Amoklauf vom Juli dieses Jahres in München haben uns schmerzlich zum wiederholten Mal deutlich gemacht, dass es auch in Deutschland viel zu einfach ist, in den Besitz von Schusswaffen zu gelangen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für ein grundsätzliches Verbot der Lagerung von Schusswaffen in Privathaushalten ein. Ausnahmen sollen unter behördlicher Kontrolle möglich sein, sofern hieran ein öffentliches Interesse besteht und die Waffen sicher und getrennt von der Munition verwahrt werden. Erforderlich ist die Erarbeitung eines umfassenden Konzepts mit dem Ziel, mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Wir fordern zudem eine elektronische Registrierung sämtlicher Schusswaffen in einem bundesweiten Waffenregister, sowie eine Verbannung großkalibriger Waffen aus dem Schießsport. Der internationale Handel, auch mit eigentlich unschädlich gemachten scharfen Schusswaffen, sogenannte Dekorationswaffen, muss effektiv kontrolliert und eingeschränkt werden. Ziel muss es sein, den illegalen Handel zu unterbinden. Notwendig sind ebenfalls regelmäßige Waffenkontrollen durch Kommunen, dazu gehört nicht nur die sichere Aufbewahrung, sondern auch die persönliche gesundheitliche Eignung.
Präventionsarbeit ausbauen und stärken
Gemeinsam ist vielen Menschen, die für Radikalisierungsprozesse anfällig sind, ein Gefühl, nicht dazuzugehören und in unserer Gesellschaft abgehängt zu sein. Hinzu kommen nicht selten Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung oder familiäre oder genderbezogene Rollenkonflikte. Hier setzt die „Opferideologie“ salafistischer wie auch rechtsextremistischer Gruppen an: Es werden Schuldige für die oft sehr persönlichen Miseren der zumeist jungen Männer und zunehmend auch jungen Frauen präsentiert, vermeintlich einfache Antworten gegeben und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe vermittelt. Genau an dieser Stelle muss wirksame Prävention einsetzen: Sie muss eingebettet sein in ein gesellschaftliches Klima der Offenheit, Transparenz, Freiheit und der Liberalität, des Respekts und des entschiedenen Engagements gegen Diskriminierung und Rassismus.
Bildung und Teilhabe sind der Schlüssel für Prävention
Funktionierende Prävention gegen Radikalisierung setzt nicht primär bei den Problemen der Gesellschaft mit den potenziellen Täter*innen an, sondern versucht, sich der Probleme dieser Menschen in der Gesellschaft anzunehmen. Entscheidend ist ein Bildungssystem, das niemanden zurücklässt und allen jungen Menschen einen bestmöglichen Bildungsabschluss und damit auch soziale Anerkennung ermöglicht.
Unsere Schulen müssen als Orte der Demokratiebildung zentrale demokratische Werte vermitteln. Das ist der Schlüssel für eine effektive Prävention. Dazu gehört, dass die Schule ein Ort wird mit positiven Selbstwirksamkeitserfahrungen und in dem faire Konfliktlösung gelernt wird. Zentral für die Demokratiebildung in Schulen ist gelebte Demokratie in der Schule. Dazu gehört die Stärkung der Mitbestimmungsrechte im Unterricht genauso wie die Stärkung der Schüler*innenselbstverwaltung, also der Schüler*innenvertretungen und ihrer Gremien.
Demokratiebildung muss fester Bestandteil schulischen Alltags werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten dafür ein, die Schulen in die Lage zu versetzen, diese Aufgabe wahrnehmen zu können. Entsprechend wollen wir die Fortbildungs- und Unterstützungsangebote für Lehrer*innen ausbauen. Gleichzeitig braucht es gute Programme zur Gewaltprävention und eine Vernetzung der Akteure in diesem Feld. Wir wollen den konsequenten Ausbau der Schulsozialarbeit an sämtlichen Schulformen.
Prävention gegen Rechts
Rechtsextreme Strukturen und fremdenfeindlich oder antisemitisch motivierte Straftaten tauchen nicht aus dem Nichts auf, sondern gedeihen auf dem Nährboden einer gesellschaftlichen Ideologie der Ungleichwertigkeit und gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Da diese Einstellungen in der Gesellschaft auch in Niedersachsen weit verbreitet sind, muss eine Strategie zur Prävention vor rechtsradikalen Gewalttaten auf die sozialen Kontexte der Zivilgesellschaft zielen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Niedersachsen wenden sich entschieden gegen jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder sexuellen Orientierung. Wir unterstützen und fördern die demokratische Kultur einer lebendigen Zivilgesellschaft und vielfältiger zivilgesellschaftlicher Organisationen und Einzelpersonen, die gegen extreme Rechte aufstehen und sich mit den von Gewalt und Diskriminierung Betroffenen solidarisieren. Genau das ist das zentrale Anliegen des von der Niedersächsischen Justizministerin auf den Weg gebrachte „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus“. Das beim Landespräventionsrat angesiedelte Programm hat in erster Linie die Aufgabe, die bereits bestehenden Maßnahmen unterschiedlichster Akteure in Niedersachsen zu bündeln und aufeinander abzustimmen. Weitere zentrale Aufgabe des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus muss die Unterstützung der Schulen in ihrer Präventionsarbeit gegen rechtsextremes Gedankengut werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Niedersachsen setzen sich mit der neuen Landeszentrale für politische Bildung, der mobilen Opferberatung und dem „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus“ dafür ein, demokratiefeindliche Tendenzen zu bekämpfen, die politische Bildung als bestes Mittel der Prävention zu stärken, die vorhandenen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Niedersachsen besser zu koordinieren, die Opfer rechter Gewalt zu unterstützen und zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rechts besser einzubeziehen.
Integration und Teilhabe als wirksames Mittel gegen islamistische Gefährder*innen
Gute Integration und gesellschaftliche Teilhabe sowohl der als Geflüchtete erst vor kurzem zu uns Gekommenen wie der bereits seit Generationen in Deutschland lebenden Menschen sind unabdingbare Voraussetzungen für umfassende Prävention. BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN unterstützen die in Niedersachsen auf den Weg gebrachten Sprachförderprogramme für Geflüchtete unabhängig vom bleiberechtlichen Status und fordern die Große Koalition auf Bundesebene auf, endlich ebenfalls ihre Bemühungen für die Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu verstärken. Mit dem LDK-Beschluss vom Mai dieses Jahres „Integration gelingt nur kommunal – grüne Konzepte für Förderung, Bildung und Teilhabe“ haben wir den Weg dahin aufgezeigt.
Spätestens seit dem Anschlag auf das World-Trade-Center vom 11. September 2001, an dem mutmaßlich vier Attentäter einer islamistischen Terrorzelle aus Hamburg beteiligt waren, ist offenkundig, dass auch Deutschland zum Aktionsfeld des internationalen islamistischen Terrorismus gehört. Trotzdem hat die Bundesregierung das Thema Prävention gegen den gewaltbereiten Islamismus jahrelang verschlafen. Der Terrorismus macht nicht an Ländergrenzen Halt. Deshalb fordern wir den Bund auf, die in den Ländern laufenden Präventionsprojekte in einem bundesweiten Präventionszentrum zu bündeln und mit den Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Akteure zu vernetzen. Wir fordern zudem, die Forschung über die Radikalisierungsgründe und -prozesse auszubauen und ebenfalls über das bundesweite Präventionszentrum zu koordinieren. Zudem müssen wir endlich die systematische Beratung und Betreuung von Eltern, Angehörigen, Schulen und anderen Menschen im Umfeld der von salafistischer und islamistischer Radikalisierung betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen flächendeckend stärken, finanziell ausstatten und institutionell verankern. Mit der Einrichtung beRATen e. V. in Hannover haben wir in Niedersachsen bereits einen ersten Aufschlag gemacht. Mit der Gründung einer „Kompetenzstelle Islamismusprävention“ hat Niedersachsen diesen Schritt der Bündelung der Präventionsarbeit auf der Landesebene auf den Weg gebracht. Ziel dieser Kompetenzstelle ist es, die Aktivitäten im Land unter Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Akteure zu bündeln und die Islamismusprävention in Niedersachsen konzeptionell weiterzuentwickeln.
Rund 90 Prozent der Muslime in Deutschland bezeichnen sich selbst als religiös (Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung). Daher ist es völlig selbstverständlich, dass die unsägliche, bis in die politische Mitte hinein geführte Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört, von vielen Menschen muslimischen Glaubens als ausgrenzend empfunden wird. Diese Ausgrenzung fördert das Gefühl der Nichtzugehörigkeit zu unserer Gesellschaft und sie befördert damit islamistische Radikalisierungstendenzen. Angesichts der rund 4,5 Millionen in unserem Land lebenden Menschen muslimischen Glaubens ist für uns GRÜNE völlig klar: Der Islam ist ein Teil von Deutschland. Menschen muslimischen Glaubens müssen ihre Religion in unserem Land frei ausüben können. Wie für alle anderen Religionen gilt auch für den Islam, dass muslimisches Leben in Deutschland im Einklang mit unserer Verfassung stehen muss. Essenzielle Grundprinzipien unseres Zusammenlebens in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft, wie das Gewaltmonopol des Staates oder die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind für uns nicht verhandelbar. Wo es einen entsprechenden Bedarf gibt, muss in unseren Schulen selbstverständlich islamischer Religionsunterricht angeboten werden, solange es auch christlichen Religionsunterricht gibt.
Wie mit den christlichen Kirchen streben wir auch zu den islamischen Verbänden als Vertreterinnen der Moscheegemeinden in Niedersachsen eine vertragliche Beziehung zum Land an. Die Vorsitzende der GRÜNEN-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, hat dieses in der Forderung nach einer „Einbürgerung des Islam“ zusammengefasst. Dabei sind nicht zuletzt die islamischen Verbände ihrerseits in der Verantwortung, zu klären, ob ihre Gemeinden, ob ihre Imame wirklich in der Lage sind, einen Islam im Einklang mit unserer Werteordnung zu predigen, muslimische Jugendliche adäquat anzusprechen und ihrer Rolle bei der frühzeitigen Erkennung und Verhinderung von Radikalisierungstendenzen gerecht zu werden. Hassprediger in Moscheen, die die in unserem Rechtsstaat normierten Grundprinzipien einer freiheitlich demokratischen Grundordnung missachten, können und werden wir in Niedersachsen nicht akzeptieren. Ebenso können Moscheegemeinden und Imame, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ausländischen Regierungen stehen, kein Dauerzustand in Niedersachsen bleiben. Unser Ziel sind eigenständige Moscheegemeinden, denen in Deutschland ausgebildete Imame vorstehen. Die dafür erforderlichen Studienkapazitäten müssen an deutschen Hochschulen bedarfsgerecht ausgebaut werden.
Zusammenfassung
Angesichts islamistischer Anschläge auch in Europa und Deutschland, angesichts des rasanten Anwachsens rechtsextremer Gewalttaten und Übergriffe hat die Verunsicherung zugenommen. Für uns GRÜNE gehört die Gewährleistung der Inneren Sicherheit zu den Kernaufgaben des Staates. Der Staat muss mit geeigneten rechtsstaatlichen Mitteln das zum Teil verloren gegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen. Die gerade aus der Union geforderte Aushöhlung des Datenschutzes, eine Einschränkung unserer Grundrechte oder rechtsstaatlicher Prinzipien lehnen wir entschieden ab.
Zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist es unabdingbar, Polizei und Strafverfolgungsbehörden zu stärken. Dafür wollen wir:
- in den kommenden Jahren mindestens 250 zusätzliche Polizeianwärter*innen in Niedersachsen einstellen.
- die Polizei von Verwaltungsaufgaben und Tätigkeiten wie Geschwindigkeitskontrollen, Begleitung von Schwertransporten entlasten.
- die polizeiliche Ermittlungsarbeit in der rechtsextremistischen und islamistischen Szene stärken.
- die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, Strafverfahren zügig abzuarbeiten.
- interkulturelle Sicherheitsbehörden, die diskriminierungsfrei arbeiten.
Zentraler Ansatzpunkt zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist und bleibt für uns die Prävention. Hierbei gilt es, zuallererst Diskriminierungen, Ausgrenzung und das Gefühl des Abgehängtseins zu verhindern. Daher ist unser Bildungssystem von zentraler Bedeutung:
- Alle Schülerinnen und Schüler müssen so gefördert werden, dass sie in der Lage sind, den für sie bestmöglichen Bildungsabschluss tatsächlich zu erreichen.
- Demokratiebildung muss fester Bestandteil schulischen Alltags werden. Zentral für die Demokratiebildung in Schulen ist gelebte Demokratie in der Schule.
Zentrale Voraussetzung funktionierender Prävention ist Vernetzung und Bündelung der staatlichen Stellen untereinander und mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren. Niedersachsen hat mit dem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und der Kompetenzstelle Islamismusprävention bereits neue Weg beschritten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern auf Bundesebene die Schaffung eines bundesweiten Präventionszentrums zum Einsatz insbesondere gegen den islamistischen Terrorismus.
Eine gerade von Rechtspopulisten vertretene Ideologie der Ungleichwertigkeit und gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist einerseits der Nährboden für das Anwachsen rechtsextremer Straftaten, sie ist darüber hinaus aber auch ein Instrument der Ausgrenzung von Menschen muslimischen Glaubens mit Migrationshintergrund und damit zugleich der Nährboden, auf dem der Islamismus gedeiht.
Statt Menschen muslimischen Glaubens auszugrenzen, sagen wir klar: Der Islam ist ein Teil von Deutschland. Wir treten für eine Einbürgerung des Islam in unser Land ein. Dazu gehören:
- die freie Ausübung muslimischen Glaubens im Einklang mit unserer Rechtsordnung und den Grundpfeilern des Wertekanons unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung.
- die Gleichbehandlung islamischer und christlicher Schülerinnen und Schüler beim Religionsunterricht.
- ein geregeltes Verhältnis zwischen dem Land und den islamischen Verbänden.
- die Ablösung der Abhängigkeit der Moscheegemeinden von ausländischen Regierungen und den Einsatz in Deutschland ausgebildeter Imame in den Moscheen.