Durch eine Pressemitteilung vom 12.09.16 hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung über die Klage von Umweltverbänden gegen die Vertiefung der Weser bekannt gemacht. Demnach ist der Planfeststellungsbeschluss der Wasser und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zur Vertiefung von Unter- und Außenweser „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses haben die Leipziger Richter*innen nicht verfügt. Damit besteht zumindest formal die Möglichkeit, die Planungen so zu ändern, dass die vom Gericht festgestellten Rechtsverstöße geheilt werden. Ob dieses möglich ist, erscheint jedoch zweifelhaft.
Da auch gegen die ebenfalls planfestgestellte Vertiefung der Unterelbe ein Verfahren mit sehr ähnlichem rechtlichen Hintergrund vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, gehen Fachleute derzeit davon aus, dass die höchsten deutschen Verwaltungsrichter*innen auch die Elbvertiefung für rechtswidrig erklären werden.
Hierzu stellen wir fest:
- Erneute Vertiefungen der Unter- und Außenweser sowie der Unterelbe würden erhebliche ökologische Schäden verursachen: Flachwasserzonen und vielfältige Gewässerstrukturen verschwinden. Die Brackwasserzone in der sich das Süßwasser der Flüsse mit dem Salzwasser der Nordsee mischt, dringt weiter in das Binnenland vor. Dieses ist Ursache für eine zunehmende Versalzung des Wassers auch in den Gräben des ökologisch wertvollen Marschengrünlandes und in den Nebenläufen der Flüsse. Neben einer Verschlechterung des ökologischen Zustandes von Elbe und Weser, wäre mit einer erneuten Flussvertiefung auch eine Verschlechterung der chemischen Gewässerqualität der Flüsse zu erwarten.
- Weitere Flussvertiefungen gefährden die Deichsicherheit, weil Sturmfluten weiter in das Binnenland vordringen können. Dieses ist nicht zuletzt angesichts eines steigenden Meeresspiegels und der Zunahme von Extremwetterlage aufgrund des Klimawandels unverantwortlich.
- Mit dem Jade-Weser-Port steht ein norddeutscher Seehafen zur Verfügung der tideunabhängig von Containerschiffen jeder Größe erreicht werden kann. Die Kapazitäten dieses im September 2012 in Betrieb genommenen Hafens sind bei weitem nicht ausgelastet. Statt die Konkurrenz der norddeutschen Seehäfen zu Lasten der Umwelt, der Deichsicherheit und der Steuerzahler*innen weiter voranzutreiben, brauchen wir ein norddeutsches Hafenkonzept, dass die Seehäfen in Hamburg, Bremen und Niedersachsen entsprechend ihrer standörtlichen Gegebenheiten gemeinsam weiterentwickelt.
Daher fordern Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen
- Der Bund muss die Anforderungen aus dem ergangenen Urteil zur Weservertiefung und dem anstehenden Urteil zur Elbvertiefung vollständig umsetzen. Das heißt: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist in der Pflicht, die Planungen entweder so zu ändern, dass ökologische Schäden zweifelsfrei vermieden werden oder die Planungen müssen eingestellt werden. Die weiteren Vertiefungen von Elbe und Weser müssen in diesem Falle aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden.
- Die Landesregierung muss ein erneutes Einvernehmen zu den Vertiefungen von Weser und Elbe versagen, sofern dieses mit einer erheblichen Änderung der Planungen erneut erforderlich wird.
Zum Hintergrund:
Im Juli 2011 hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Planfeststellung der Vertiefung von Unter- und Außenweser bekannt gemacht; die Bekanntmachung der Planfeststellung einer erneuten Elbvertiefung erfolgte im April 2012. Zu beiden Vorhaben hat die damalige schwarz-gelbe niedersächsische Landesregierung ihr Einvernehmen erteilt. Gegen beide Planfeststellungen haben die Umweltverbände BUND, NABU und WWF vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt und ihre Klage in beiden Fällen in erster Linie damit begründet, dass die Flussvertiefungen gegen das Verschlechterungsverbot der Fauna-Flora-Habitat (kurz FFH)-Richtlinie in einem ausgewiesenen FFH-Gebiet und gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie der EU verstößt. In beiden Verfahren – Weser- und Elbvertiefung – geht es rechtlich im Kern um den gleichen Sachverhalt. Daher ist davon auszugehen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung in einem Verfahren unmittelbar auf das Andere übertragbar ist.
Den Umgang mit dem Verschlechterungsverbot nach Wasserrahmenrichtlinie hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof zur Grundsatzentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat in Sachen Weservertiefung im Juli 2015 entschieden, dass das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie deutlich strenger auszulegen ist, als dieses in der nationalen Rechtspraxis bisher üblich war. Der EuGH hat die rechtliche Zulässigkeit einer Vertiefung der Weser zwar nicht grundsätzlich verneint, er hat dafür jedoch hohe Hürden aufgebaut.
Das Bundesverwaltungsgericht ist dem Luxemburger Richter*innenspruch gefolgt und hat den Planfeststellungsbeschluss zur Weservertiefung für rechtswidrig erklärt.
In Niedersachsen sprechen sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen eindeutig gegen weitere Vertiefungen von Weser und Elbe aus: „Weitere Vorhaben zur Vertiefung der Flüsse sind auch deshalb nicht notwendig, weil der JadeWeserPort als Tiefwasserhafen auch für größere und voll abgeladene Containerschiffe zur Verfügung steht“, heißt es unter der Überschrift „Weser/Elbe“ auf Seite 83 des Koalitionsvertrages.
Der JadeWeserPort ist auf den Umschlag von jährlich 2,7 Mio. TEU (Standardcontainer) ausgelegt; im Jahr 2015 wurden in Wilhelmshaven jedoch nur knapp 430.000 TEU umgeschlagen. Nach Expert*innen-Schätzungen werden rund 60% der im JadeWeserPort angelandeten Waren auf kleinere Schiffe umgeladen und als sogenannter Feeder-Verkehr nach Skandinavien, ins Baltikum und nach Russland weiter verschifft.