Wir GRÜNEN sind die politische Kraft der linken Mitte, die sich nicht nur in den Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit, der gleichberechtigten gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe aller in unserem Land lebenden Menschen und einer friedlichen und gerechten Welt mutig den politischen Herausforderungen stellt. In diesem Sinne haben wir in den letzten 4 ½ Jahren viele Entwicklungen vorangebracht, die Niedersachsen nachhaltiger, gerechter und menschlicher gemacht haben. Niedersachsen führt bei der Windenergieerzeugung, die Agrarwende wurde eingeleitet, die Studiengebühren wurden abgeschafft, Bildung und Prävention wurden gestärkt, öffentlicher Verkehr statt Autobahnen ausgebaut und ein menschlicherer Umgang mit Geflüchteten praktiziert.
Nach den ernüchternden Ergebnissen der Bundestagswahl vom 24. September und der Landtagswahl vom 15. Oktober letzten Jahres haben wir mit der LDK vom 11. November in Hameln einen Analyse- und Erneuerungsprozess eingeleitet: Die Einschätzungen unserer Kreis- und Ortsverbände, von über 1.400 Mitgliedern, die sich an unserer Online-Befragung beteiligt haben und die externe politikwissenschaftliche Analyse von Herrn Prof. Müller-Rommel (Leuphana Universität Lüneburg) sind umfassend in die intensiven gemeinsamen Beratungen des Parteirates, des Spitzenteams zur Landtagswahl und des Landesvorstandes eingeflossen. Wir bedanken uns bei allen, die sich bisher an diesem Prozess der Analyse und der Erörterung der daraus folgenden Konsequenzen beteiligt haben. Die Rückmeldungen sind in dieses Papier eingeflossen. Der Landesvorstand hat diese Rückmeldungen gebündelt, um einen Weg aufzuzeigen für den weiteren Prozess, unsere Programmatik breiter aufzustellen, Strukturen effizienter/arbeitsfähiger zu gestalten, unsere Kampagnenfähigkeit, Beteiligung und kritische Diskussion für möglichst viele Mitglieder zu ermöglichen und schlagkräftige Entscheidungen zu treffen.
Jetzt, als stärkste Oppositionskraft im Land werden wir auch weiterhin Antreiber sein und der Großen Koalition des Stillstands kreative Grüne Ideen entgegen setzen. Wir sind die Partei, die auf Basis unserer geteilten Werte Nachhaltigkeit, Solidarität, Gleichberechtigung, Emanzipation, Freiheit, Humanität und Frieden verantwortungsbewusste Politik macht. Seit unserer Gründung richten wir unsere politischen Antworten und unsere eigenen Strukturen immer wieder auf die jeweils aktuellen politischen und gesellschaftlichen Anforderungen aus. Dieses Papier beschreibt unsere Ziele und den Weg, den wir gemeinsam gehen wollen, um unsere Strukturen und Arbeitsweisen den sich ändernden Anforderungen anzupassen.
Im Rahmen unseres Grünen Aufbruchs sind 2018 insbesondere zu diskutieren:
- eine programmatische Weiterentwicklung, damit unsere Kompetenzen in mehr Politikfeldern stärker wahrgenommen werden
- erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten zu entwickeln und als Partei, für alle, die unsere Ziele teilen, attraktiv zu sein
- unsere Politik stärker regional auszurichten
- wie wir unsere Politik intern und extern transparenter machen können
- uns mit Bündnispartner*innen enger zu vernetzen
- Themen übergreifend auf allen politischen Ebenen gemeinsam anzugehen
- unsere Personalentwicklung sowie Frauen- und Jugendförderung zu verbessern
- unsere Kampagnenfähigkeit zu erhöhen, um Themen besser zu setzen
Ab April 2018 werden die Tagesordnungen und Beschlüsse der Gremien des Landesverbandes mitgliederöffentlich online zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Regionalforen werden u.a. folgende Themen diskutiert:
- Struktur des Landesverbandes und seiner Institutionen
- Mitgliederaktivierung und -bindung
- langfristige thematische Strategie des Landesverbandes
- interne und externe Kommunikation
- Personalentwicklung
Programmatische Weiterentwicklung
Wir GRÜNEN haben uns in Befragungen der Meinungsforschungsinstitute für die Umwelt-, Klimaschutz- und Agrarpolitik herausragende Kompetenzwerte erarbeitet. Neben diesen guten Kompetenzzuweisungen ist aber auch festzustellen, dass nicht einmal die Hälfte unserer Wähler*innen uns die Kompetenz zuschreibt, für das gesamte politische Themenspektrum die besten Lösungsansätze zu haben. Da klassische Regierungskonstellationen seltener werden, reicht es nicht aus, als Partei nur in bestimmten Politikfeldern als kompetent zu gelten. Daher ist es unerlässlich, dass wir uns programmatisch breiter aufstellen. Wir müssen unsere guten GRÜNEN Konzepte in vielen Themenbereichen– in der Mitgliederbefragung wurden u.a. soziale Gerechtigkeit, Bildung und Verkehr genannt – weiterentwickeln und mutig bewerben. Und dieses ohne unsere klassischen Kernfelder und Querschnittsthemen wie Gleichstellung zu vernachlässigen: Auch hier gilt es, unsere Antworten immer wieder kritisch zu reflektieren und sie den gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen und technischen Veränderungen anzupassen.
Wir geben uns nicht mit dem Image als reine Ökopartei mit den Themen Ökologie, Umweltschutz und Energiewende zufrieden und wollen als selbstbewusste Partei mit klarer Programmatik in allen Themenfeldern noch stärker sichtbar werden. Die Ausweitung sehr hoher Kompetenzzuweisung über die klassischen Umweltthemen in das benachbarte Thema Landwirtschaft ist ein exzellentes Beispiel, wie uns das gelingen kann.
Beteiligungsstrukturen erweitern
Die politische Landschaft, die Art wie wir kommunizieren, uns informieren, wie wir uns Positionen im Dialog mit anderen erarbeiten, verändert sich derzeit stark. Diese Veränderungen gehen auch mit einer immer geringeren Bindungswirkung und Integrationskraft politischer Parteien einher. Seit unserer Gründung ist bei uns GRÜNEN die umfassende Beteiligung unserer Basis ein existenzieller Teil unseres Selbstverständnisses. Diese gilt es weiter zu entwickeln und noch stärker auszubauen Wir wollen die bewährten Beteiligungsmöglichkeiten unserer Partei und das themenbasierte Arbeiten in fachlichen Arbeitsgemeinschaften in geeigneter Weise insbesondere durch elektronische Möglichkeiten direktdemokratischer Partizipation ergänzen und verbessern.
Wir stehen vor der Herausforderung, dass sich im Zuge des gesellschaftlichen Wandels auch die Formen von ehrenamtlichem Engagement und Mitarbeit in Organisationen geändert haben. Viele Menschen bevorzugen die Mitarbeit in thematisch oder zeitlich begrenzten Projekten, gegenüber einem Jahre andauerndem kontinuierlichen Engagement in Gremien. Für diese unterschiedlichen Herangehensweisen wollen wir in Zukunft Andockpunkte bieten. Neue und aktuelle Themen wollen wir deshalb zukünftig auch außerhalb der gewohnten Formen bearbeiten.
Politik näher an den Menschen – bewegt und vernetzt
Niedersachsen ein sehr vielfältiges Flächenland mit entsprechend unterschiedlichen politischen Herausforderungen. Diese Herausforderungen werden teilweise nicht genügend berücksichtigt. Auch greift die klassische Unterteilung in ländliche Räume und urbane Ballungsgebiete deutlich zu kurz: Jenseits der Besiedlungsstruktur unterscheiden sich die Teilräume unseres Landes erheblich in demografischer, wirtschaftlicher und sozialstruktureller Hinsicht. Um diesen, über das Gebiet eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt hinausgehenden, regionalspezifischen politischen Fragestellungen zu begegnen, wollen wir unsere Politik auch stärker regional ausrichten. Denn: Politik wirkt in den Regionen und vor Ort. Hier wird sie diskutiert: in der Fußgängerzone, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis.
Wir GRÜNEN sind aus vielen zivilgesellschaftlichen Bewegungen hervorgegangen. Dem wollen wir in unserem Verständnis als Bewegungspartei Rechnung tragen. Deshalb wollen wir uns mit unseren Bündnispartner*innen und regionalen Akteur*innen enger vernetzen und Probleme im gemeinsamen Austausch über Generationen hinweg angehen. Wir möchten dabei erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten entwickeln, online wie offline. Auf diese Weise können wir für alle zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die unsere Ziele teilen, attraktive Ansprechpartner*innen sein, um wieder mehr Bewegung für progresssive und nachhaltige Politik zu fördern. So können Synergie genutzt und eine programmatische Weiterentwicklung, dort, wo nötig vorangetrieben werden.
Politik aus einem Guss – die politischen Ebenen stärker vernetzen
Die Zuordnung politischer Entscheidung zu einer bestimmten staatlichen Ebene für die Bürger*innen immer weniger durchschaubar. Damit wird auch immer weniger unterschieden, in welcher Situation und aus welcher Rolle heraus wir in Kommune, Land, Bund oder auf europäischer Ebene politisch agieren. Zusätzlich wirken europäische Regelungen sich direkt auf die Bürger*innen vor Ort aus. Umso wichtiger ist es für uns GRÜNE, Politik aus einem Guss zu machen und die politischen Ebenen unseres Landes stärker zu vernetzen. Dafür wollen wir den Austausch der regionalen Mandatsträger*innen, des Landesvorstandes und seiner beratenden Gremien verbessern.
Langfristige und kontinuierliche Personalentwicklung
Wir haben knapp 7.000 Mitglieder. Davon haben ca. 1450 ein kommunales Mandat, das ist ca. jedes fünfte Mitglied. . Auch bei den Vorständen in den Kreis- und Ortsverbänden verteilt sich die Arbeit oftmals auf die gleichen Personen – und dies über etliche Jahre. Allerdings gibt es hier große regionale Unterschiede. Zwar hat personelle Kontinuität viele Vorteile. Allerdings führt die insgesamt enge Personaldecke auch dazu, dass Einzelne mehrere kommunale Mandate und zusätzliche Parteipostens übernehmen (müssen).
Deshalb müssen wir das Engagement bei uns GRÜNEN attraktiver gestalten, weiter Mitglieder gewinnen und auch halten. Wir wollen auch neue Beteiligungsmöglichkeiten für bisher inaktive Mitglieder schaffen und eine wertschätzende Parteikultur weiterentwickeln.
Im Vergleich mit anderen Parteien ist unser Frauenanteil mit 40% zwar höher, doch auch für uns gibt es in Sachen Gleichberechtigung von viel zu tun. Weil Frauen nach wie vor strukturell benachteiligt werden, müssen wir auch unsere GRÜNEN Strukturen und Köpfe nach Barrieren durchforsten und Frauenförderung wieder zentraler ins Bewusstsein rücken.
Auch diese Punkte sollen dazu beitragen, unsere Kampagnenfähigkeit und damit auch unsere politische Wirksamkeit auch in Oppositionszeiten zu erhöhen.
Diese Analyse ist der erste Schritt eines auf der LDK im November gestarteten strukturellen, thematischen und personellen Erneuerungsprozess. Mit der LDK vom 10./11.3. in Oldenburg wollen wir die grundsätzliche Zielstellung festlegen, die wir mit der Modernisierung unserer Partei erreichen wollen. Mit welchen Instrumenten und konkreten Veränderungen wir diese Ziele erreichen können, werden wir zwischen Ende Mai und Mitte August in Regionaltreffen mit unseren Mitgliedern in den Kreis- und Ortsverbänden breit diskutieren. Zur Vorbereitung der Regionaltreffen wird der Landesvorstand auf der in der Landtagswahlanalyse und in der Befragung angesprochenen Probleme rechtzeitig Vorschläge und Diskussionspapiere zur Verfügung stellen. Die Ergebnisse der Regionaltreffen werden wir im Rahmen eines allen Mitglieder offen stehenden Grünen Tages zusammenführen. Die LDK im Oktober diesen Jahres in Celle wird schließlich darüber entscheiden, wie wir unsere Strukturen und Arbeitsweisen neu justieren.