Für eine grüne Wohnoffensive in Niedersachsen

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 02./03.11.2024 in Gifhorn

Gutes Wohnen ist ein Grundrecht und Teil der Daseinsvorsorge. Wir sind mit dem
Slogan „So wird es besser!“ in die Regierung eingetreten und setzen uns für
bezahlbaren Wohnraum sowie für soziales und ökologisches Bauen ein. Ob junge
Familie mit Kindern, Bürgergeldempfänger, Auszubildende, Rentnerin oder
Angestellter – alle sollen in Niedersachsen gut und bezahlbar leben können.

Doch die Krise auf dem Wohnungsmarkt spitzt sich zu. Über Jahre hinweg haben
sich strukturelle Defizite aufgebaut, die jetzt schmerzlich sichtbar werden.
Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine stiegen die Zinsen in kurzer Zeit stark
an. Infolgedessen gingen Baugenehmigungen zurück, bereits erteilte Aufträge
wurden storniert und manche Planungen wurden komplett auf Eis gelegt. Für die
wachsende Zahl der Menschen, die dringend nach einer bezahlbaren Wohnung suchen,
schafft das keine Sicherheit. Für die Branche braucht es eine Perspektive und
ein politisches Bekenntnis, damit auch hier unsere Wirtschaft wieder angekurbelt
wird. Es braucht also dringend neue Ideen und Nutzungskonzepte, die beides
miteinander verbinden.

Im Durchschnitt müssen Bürger*innen mehr als ein Viertel ihres
Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden. Wer alleinstehend oder gar
armutsgefährdet ist, muss durchschnittlich ein Drittel beziehungsweise die
Hälfte des Einkommens für Wohnen aufwenden. Das erschwert es besonders
denjenigen, die ohnehin wenig zur Verfügung haben, aus der Armutsfalle zu
entkommen und sich ein gutes, sicheres Leben aufzubauen. Die Instrumente des
Staates, um diesem Problem entgegenzuwirken, wurden durch CDU/CSU und SPD
geführte Regierungen stark geschwächt, gleichzeitig werden die vorhandenen
Möglichkeiten der Kommunen nicht ausgeschöpft. Rund um die Jahrtausendwende
wurde ein Großteil des öffentlichen Wohnungsbestands privatisiert – ein Fehler,
der die heutige Wohnungskrise verschärft.

Die Zahl der Sozialwohnungen in Niedersachsen hat sich in den letzten 20 Jahren
fast gedrittelt. Laut dem Bündnis für bezahlbares Wohnen in Niedersachsen fehlen
heute bereits rund 100.000 Sozialwohnungen. Gleichzeitig wird bezahlbares Wohnen
auch für Familien des Mittelstands zum Armutsrisiko und belastet sie übermäßig.
Familien mit einem zweiten oder dritten Kind finden keine bezahlbare Wohnung,
Paare, die sich trennen können nicht auseinanderziehen, Seniorinnen finden in
der Nähe ihrer Familie keinen barrierearmen Wohnraum. Wohnen ist somit eine der
zentralen sozialen Fragen unserer Zeit.

Arbeitsmigrant*innen, insbesondere mobile Beschäftigte und Geflüchtete im
Niedriglohnsektor, zählen zu den besonders benachteiligten Gruppen auf dem
Wohnungsmarkt. Sie sind oft doppelt vom Arbeitgeber abhängig, der neben der
Arbeit auch Wohnraum stellt, der nicht selten überteuert und überbelegt ist.
Dies führt zu mehrfacher Prekarisierung: Der Verlust des Arbeitsplatzes bedroht
viele direkt mit Obdachlosigkeit, da alternative Wohnmöglichkeiten und
Sozialhilfe oft schwer zugänglich sind. Auch für Betroffene von Menschenhandel
und Arbeitsausbeutung mangelt es an sicheren Unterbringungsmöglichkeiten.
Bestehende Unterkünfte erfüllen oft nicht die erforderlichen
Sicherheitsstandards und verhindern so die Stabilisierung der Betroffenen – ein
wesentlicher Schritt, um ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen.

In Niedersachsen erleben wir die Gleichzeitigkeit von Wohnungsmangel und teuren
Mieten in einigen Regionen, während anderswo Dörfer und Städtchen aussterben.
Historische Häuser, verwilderte Höfe und leerstehende Wohnhäuser mit ungenutztem
Raum prägen das Bild vieler ländlicher Gebiete. Als GRÜNE setzen wir uns daher
für das Bauen im Bestand ein, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig Dorf- und
Stadtstrukturen zu stärken. Mit der Städtebauförderung fördern wir gezielt auch
kleine Gemeinden und ländliche Räume, damit sie wieder lebendige und lebenswerte
Orte werden. Ebenfalls ist die Anbindung an den ÖPNV erklärtes Ziel, um auch
ländliche Regionen für junge Familien attraktiv zu machen.

  • Häufigere Kontrollen zur Durchsetzung der Vorschriften zur Wohnsituation
    von mobilen Beschäftigten. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz und das
    Niedersächsische Wohnraumschutzgesetz von 2021 müssen konsequent umgesetzt
    werden. Dazu gehören systematische Kontrollen und die Verpflichtung der
    Arbeitgeber zur meldung ihrer Unterkünfte an die Behörden.
    Mietkonstruktionen, die Kontrollen umgehen, müssen unterbunden werden.
    Behörden sollen betroffene Bewohner*innen unterstützen statt zu verdrängen
    oder zu kriminalisieren.
  • Entkoppelung von Wohn- und Arbeitsverträgen: Die Verknüpfung von
    Arbeitsvertrag und Wohnrecht muss stärker reguliert werden. In
    Gemeinschaftsunterkünften dürfen die Wohnstandarts nicht von der
    Beschäftigungsdauer abhängen.
  • Kostendeckel für Unterkünfte: Unterkünfte müssen nach Arbeitsstättenrecht
    gedeckelt werden, ohne unrechtmäßige Zuatzgebühren.
  • Ausbau spezialisierter Schutzunterkünfte für Betroffene von
    Menschenhandel, besonders auch für Kinder.

Wohnen ist auch eine klimapolitische Herausforderung. Allein der Gebäudesektor
ist für mehr als 20 % der Treibhausgasemissionen in Niedersachsen
verantwortlich. Ein „Weiter so“ kann es also nicht geben. Immer wieder steht die
Frage, wie Klimaneutralität im Gebäudesektor erreicht werden kann, im
Mittelpunkt öffentlicher Debatten. Die energetische Sanierung von Gebäuden lohnt
sich. Energetische Maßnahmen machen bei Komplettmodernisierungen von Gebäuden
nur etwa ein Drittel der Gesamtkosten aus, mit Mehrkosten von rund 180 bis 360
Euro pro Quadratmeter. Bei Gebäuden die noch gut in Schuss sind, können bereits
Teilsanierungen, wie die Dämmung von Dachboden oder Keller, für nur 120 Euro pro
Quadratmeter erhebliche Energieeinsparungen bringen. Durch Förderprogramme und
die Einsparungen bei den Energiekosten amortisieren sich diese Investitionen oft
schneller als gedacht. Als GRÜNE unterstützen wir das Drittelmodell zur
warmmietenneutralen Sanierung, um Mieter*innen und Eigentümer*innen zu entlasten
Als GRÜNE kämpfen wir seit mehr als einem Jahrzehnt um eine sanfte und
sozialverträgliche Wärmewende.

Statt nur zu diskutieren, handeln wir. Damit wollen wir Planungssicherheit und
Anreize geben. Niedersachsen, aber auch der Bund, profitieren von den Menschen
in diesem Land, Handwerker*innen, Planer*innen, Architekt*innen,
Ingenieur*innen, Hersteller*innen von Baumaterialien und Bestandshalter*innen .
Unsere Devise lautet daher: Innovation und Fortschritt ermöglichen – nicht
schlechtreden.

Politische Maßnahmen für lebenswertes und bezahlbares Wohnen

Die Situation auf dem Mietmärkten in Deutschland und Niedersachsen zeigt: Mit
bloßem „Gesundbeten“ oder dem Verweis auf Zielzahlen, die immer weiter
unterschritten werden, kommen wir nicht weiter. Was wir brauchen, ist
konsequentes politisches Handeln und ein breiter Maßnahmenmix:

  • Baukosten senken: Die Baukosten müssen deutlich gesenkt werden. Das wird
    ohne eine Absenkung teurer Standards der Privatwirtschaft, die Sicherheit,
    Umweltschutz und Lebensqualität nicht betreffen, nicht zu erreichen sein.
  • Bürokratische Hürden abbauen: Dabei geht es um gesetzliche Vorgaben, um
    bautechnische Normen, aber auch um Möglichkeiten der Kommunen,
    Festsetzungen über die Bauleitplanung zu treffen. Insbesondere müssen auch
    die Baugenehmigungszeiten deutlich verringert werden. Die kommunalen
    Bauämter möchten wir GRÜNE dahingehend personell, durch Qualifikation und
    durch Abbau von unnötiger Bürokratie stärken.
  • Bauen im Bestand fördern: Das Bauen im Bestand bietet großes Potential, um
    schnell Wohnraum zu schaffen. Neubauten auf der grünen Wiese dürfen nicht
    finanziell vorteilhafter sein als Umbauten oder Erweiterungen. Um das
    Potential der Bestandsgebäude zu nutzen, haben wir die Niedersächsische
    Bauordnung zu einer Umbauordnung weiterentwickelt und wollen auch auf der
    Ebene der kommunalen Bauleitplanung Hürden abbauen.
  • Soziale, gemeinnützige und bezahlbare Wohnraumförderung priorisieren: Die
    Förderung von sozialem und bezahlbaren Wohnungsbau und Städtebau muss
    gestärkt werden, um Bauinvestitionen zu unterstützen und positive Signale
    für den gesamten Sektor zu senden. Zudem fordern wir einen angemessenen
    Anteil der Wohnraumfördermittel des Landes für studentisches Wohnen. Diese
    Mittel müssen vollständig und ausschließlich für den Bau und die Sanierung
    von Studierendenwohnheimen verwendet werden und reichen derzeit nicht
    einmal für die Sanierung. Zudem soll geprüft werden, welche Möglichkeiten
    es gibt, das Sonderprogramm „Junges Wohnen“ dafür zu verwenden. Dieses
    muss aufgestockt werden.
  • Energetische Sanierung sozial gestalten, Drittelmodell umsetzen:
    Erstmals wird die Höhe der Förderung für moderne Heizungen an das
    Haushaltseinkommen gekoppelt. Wer weniger verdient, erhält mehr Förderung:
    Dieses Prinzip sollte ebenfalls bei Maßnahmen zur Verbesserung der
    Gebäudeeffizient angewendet werden. Sanierungskosten sollen künftig so auf
    Mietende umgelegt werden, dass die Gesamtmiete nicht steigt. Mietende
    profitieren von der Warmmietenneutralität, Vermietende profitieren im
    Gegenzug von staatlichen Fördermitteln und der Wertsteigerung der Gebäude.
  • Stärkere Rolle von Bund, Land und Kommunen: Bund, Länder und Kommunen
    müssen sich wieder stärker auf dem Wohnungsmarkt engagieren und ihre Rolle
    als gemeinnützige und genossenschaftliche Akteure wahrnehmen. Die
    öffentliche Hand muss -durch Rekommunalisierung und Neubau- einen
    Wohnungsbestand aufbauen, der dauerhaft im bezahlbaren Marktsegment
    verbleibt.
    Für die Neuausweisung von Baugebieten sollten Mindestanteile von
    Kommunalwohnungen gelten. Die Förderung des kommunalen Wohnungsbaus durch
    Land und Bund muss deutlich ausgeweitet werden.
    Wohnungsunternehmen, die mehr als 3000 Wohneinheiten in Niedersachsen
    besitzen, werden verpflichtet, den Kommunen oder gemeinnützigen
    Wohnungsgesellschaften jährlich 5% ihres Bestands zum Kauf anzubieten. Der
    Verkaufspreis wird auf den Verkehrswert gedeckelt.
  • Mieter*innenrechte stärken: Die Rechte der Mieter*innen müssen gestärkt
    und die Möglichkeiten zur Anpassung der Wohnsituation an individuelle
    Lebensverhältnisse verbessert werden. Dazu gehört die Verlängerung und
    Ausweitung der Mietpreisbremse, die Regulierung von neuen
    Indexmietverträgen , die Beweislastumkehr zugunsten der Mietenden
    Indexmietverträge, und die Verhinderung der Umgehung des Mieterschutzes
    durch möbliertes Wohnen und in angespannten Wohnungsmärkten die Einführung
    eines Mietendeckels
  • Spekulation und Leerstand beenden: Spekulation mit Wohnraum und baureifen
    Grundstücken muss gestoppt werden, und Leerstand darf sich nicht mehr
    lohnen. Das schaffen wir unter anderem mit der Zweckentfremdungssatzung
    und kommunalen Baugeboten. Für uns GRÜNE gehört aktive Stadtplanung wie
    Milieuschutz, Bodenpolitik der Kommunen und die Eindämmung von Share Deals
    zu wichtigen Instrumenten, um die Mietpreisexplosion zu stoppen. Mit der
    ab dem kommenden Jahr greifenden Grundsteuerreform haben Kommunen die
    Möglichkeit, auf baureife, unbebaute Grundstücke eine Grundsteuer C zu
    erheben. Von dieser Möglichkeit wollen wir bei Bedarf auf kommunaler Ebene
    Gebrauch machen um der Spekulation mit baureifen Grundstücken Einhalt zu
    gebieten. Wir fordern die Einführung eines Gesetzes, das den Kommunen die
    Enteignung von Wohnraum ermöglicht, der länger als sechs Monate ohne
    erkennbaren Grund leer steht. Nach einer einmaligen Verwarnung und einer
    dreimonatigen Nach-Frist soll die Kommune das Recht haben, die Immobilie
    zum Verkehrswert zu übernehmen und in sozialen Wohnunraum zu überführen.
    Die Beweislast für die Nicht-Spekulation liegt beim Eigentümer. Parallel
    dazu fordern wir die Einführung einer progressiven Leerstandsteuer, die
    bereits ab dem ersten Monat des Leerstands greift. Die Einnahmen aus der
    Leerstandsteuer fließen zweckgebunden in einen kommunalen Fonds für
    sozialen Wohnungsbau.
  • Wohnungen aktivieren: In Deutschland stehen 2 Millionen Wohnungen leer,
    viele davon in Niedersachsen.Die Umbau- und Umnutzungsoffensive in der
    neuen Bauordnung hilft dabei, vorhandenen Wohnraum zu aktivieren.
  • Vorkaufsrecht für Kommunen: Das rechtssichere Vorkaufsrecht der Kommunen
    analog zum Vorkaufsrecht der Landwirtschaft muss wieder eingeführt werden.
    Wir fordern den Kanzler und Ministerin Geywitz auf, ihre Versprechen
    einzulösen
  • Baufonds für Niedersachsen: Mietpreise sollten nicht mehr grundsätzlich
    direkt an die Erstellungskosten gebunden sein. Dafür braucht es einen
    niedersächsischen Baufonds in Höhe von 500 Millionen, um zinslose Kredite
    vergeben zu können. Dadurch kann der Mietpreis für die Mitte der
    Gesellschaft auf 8,50€/qm festgesetzt werden.
  • Ökologisches und klimafreundliches Bauen fördern: Ökologisches,
    energieeffizientes und klimafreundliches Bauen und Sanieren ist nicht
    teurer. Aktuell fehlt es aber noch an Erfahrung und Wissen in der Breite.
    Gemeinsam mit dem Bund wollen wir hierfür Anreize schaffen. Dazu gehören
    die Holzbauinitiative, Lehm- und Strohbau oder neue Baustoffe aus
    Paludikulturen.
  • Zirkuläres Bauen und Sanieren stärken: Modelle wie Circular Construction,
    Cradle-to-Cradle und Urban Mining müssen stärker in den Fokus rücken, um
    nachhaltiges Bauen zu fördern. Dabei muss allerdings genau geprüft werden,
    wie es hier nicht zu unnötigem Bürokratieaufbau kommt.
  • Abriss genehmigen
    Jedes Jahr werden in Deutschland zehntausende Gebäude abgerissen und durch
    Neubauten ersetzt, anstatt sie zu sanieren. Das belastet nicht nur das
    Klima, sondern auch wertvolle Ressourcen und führt oft zur Zerstörung von
    bezahlbarem Wohnraum. Bau- und Abbruchabfälle machen zudem 54 % des
    gesamten Abfallaufkommens in Deutschland aus.
  • Regionale Besonderheiten beachten: Ländliche Räume, suburbane Gebiete und
    Ballungszentren benötigen unterschiedliche Lösungen. Es braucht passgenaue
    Förderprogramme, um überall gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.
  • Stärkung der Bauämter in den Kommunen
  • Eigentum stärken

Vermögen ist in Deutschland ungleich verteilt. Das hat auch damit zu tun, dass
viele Menschen kein Eigentum bilden können, wenn sie sich es wünschen.
Allerdings gibt es in einigen Regionen Niedersachsens Leerstand. Das ist
schlecht für Dorf- und Stadtgesellschaft, für das Klima und für den
Zusammenhalt. Wir begrüßen daher das neue Förderprogramm: „Jung kauft alt des
Bundes“. Weiterhin bitten wir die Landesregierung zu prüfen, das erste
selbstbewohnte Eigentum von der Grunderwerbssteuer zu befreien. Wir fordern die
Bundesregierung auf Makler- und Notargebühren zu begrenzen, da sie im
europäischen Vergleich am höchsten sind.

  • Soziale Kohäsion stärken, Vorurteile abbauen: Für Integration und Teilhabe
    in Niedersachsen unterstützen wir Wohnprojekte und innovative Konzepte,
    die das Zusammenleben von Einheimischen, Fachkräften und Geflüchteten
    fördern. Eine Kombination aus Wohn- und Arbeitsflächen, die Coworking-
    Spaces und Gemeinschaftsräume bieten, unterstützen wir. Genauso braucht es
    Modelle für inklusives Wohnen als Zukunftskonzept, um Menschen mit
    Behinderung und im Alter guten Wohnraum anzubieten.
  • Räume für Kultur & Begegnung schaffen: Kulturelle Nutzungen sind gegen
    Einsamkeit und als Diskursräume wichtig. Wir wollen Kultur besser in die
    Stadtentwicklung integrieren, soziokulturelle Einrichtungen schützen und
    dafür auch Hürden wie baurechtliche und lärmschutzrechtliche Vorschriften
    angehen.
  • Anreize für freiwilligen Wohnungswechsel setzen: Mit einer Kontaktstelle
    kommunaler Wohnungswechsel kann beim Wohnungswechsel beraten und
    unterstützt, ggf. auch die Kosten des Umzugs übernommen werden. Darüber
    hinaus treten wir in den Städten und Gemeinden dafür ein, zentrumsnahe
    geeignete Grundstücke oder Immobilien zur Realisierung gemeinschaftlicher
    Wohnprojekte für Senior*innen zur Verfügung zu stellen.

Niedersachsen: Das modernste Baurecht Deutschlands

Im Juni diesen Jahres hat die rot-grüne Regierung in Niedersachsen eine Zäsur
beim öffentlichen Baurecht eingeleitet: Erstmals wurde eine Novelle der
Bauordnung beschlossen, mit der bis dahin geltende Standards in erheblichem
Umfang zurückgenommen wurden: Die Pflicht zur Bereitstellung von PKW-Parkplätzen
für Wohnungen wurde abgeschafft.
Revolutionär im öffentlichen Baurecht ist auch die folgende Regelung: Wenn ein
bestehendes Gebäude umgebaut wird oder neue Wohnungen durch eine Aufstockung
oder Anbau entstehen, kann der Bestand im Prinzip bleiben wie er ist. Zuvor
musste in diesem Falle auch der Bestand den aktuellen Brand- und
Schallschutzbestimmungen entsprechend ausgebaut werden. Das hat Umbauen,
Umnutzen und Aufstocken bestehender Gebäude wirtschaftlich fast unmöglich
gemacht. Die Liste der genehmigungsfreien Vorhaben wurde erweitert und die
Genehmigung insgesamt vereinfacht. Diese Reform beschreibt den richtigen Weg:
Statt immer mehr teuren Neubau auf der grünen Wiese bei gleichzeitig sterbenden
Innenstädten, werden Werte erhalten, sanft nachverdichtet, alte Gebäude neuen
Verwendung zugeführt. Wo neu gebaut werden muss, passiert das schneller. Moderne
Bauweisen wie das serielle Sanieren werden erleichtert. Davon profitieren
Mieter*innen und Eigentümer*innen gleichermaßen, genau wie die Umwelt. Auch die
Attraktivität unserer Städte und Gemeinden in Niedersachsen steigt. Die
gesetzlichen Standards müssen weiterhin genau auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft
werden. Wir sind offen für Änderungen, wo sie mehr Hemmnis sind als Mehrwert.

Was für Autos selbstverständlich ist, kann auch im Wohnungsbau gelten: Durch
serielles Bauen können Teile industriell vorgefertigt werden: Dadurch fallen
Planungskosten weg und die industrielle Serienfertigung führt zu erheblichen
Skaleneffekten: Ein Wohngebäude das in Köln genehmigt wurde, muss grundsätzlich
so auch in Hannover, Buxtehude oder Gifhorn ohne eine erneute Genehmigung
errichtet werden dürfen. Deshalb treten wir dafür ein, die Bauordnungen der
Länder zu vereinheitlichen und auf der kommunalen Ebene die Festsetzungen in den
Bebauungsplänen so auszugestalten, dass sie dem seriellen Bauen nicht
entgegenstehen.

Besser wohnen mit weniger Normen

Viele kostentreibende Baustandards wurden von keinem Parlament und keiner
Regierung beschlossen oder verordnet, sondern wurden als DIN-Normen von
Fachleuten aus Industrie, Wissenschaft, Behörden und Prüfinstituten festgesetzt.
Im Baubereich gibt es rund 3900 DIN-Normen, die wie Gesetze wirken und deren
Nichtbeachtung als einklagbarer Mangel gilt.. Um sicher, gut und gemütlich zu
leben, braucht es aber viele dieser Normen nicht. Auch wenn einzelne Normen etwa
zum Schallschutz zweifellos ihre Berechtigung haben: In der Summe haben auch die
Normen einen erheblichen Anteil an der Steigerung der Baukosten:

Deshalb fordern wir die kritische Überprüfung aller kostentreibenden Normen.
Wenn sich die zuständigen Normenausschüsse nicht innerhalb der nächsten zwei
Jahre auf eine signifikante Reduzierung dieser Normen verständigen, müssen Bund
und Land unnötige Normen auf gesetzgeberischem Wege außer Kraft setzen. In
Niedersachsen haben wir in der neuen Landesbauordnung diese Möglichkeit durch
die Einführung einer Innovationsklausel geschaffen. Wir sehen die zuständigen
Normungsausschüsse in der Verantwortung, ihren Beitrag zur Abschaffung eines
überbordenden Regelwerks zu leisten und bestehende Normen ständig daraufhin zu
übeprüfen, ob sie auch weiterhin notwendig sind. Sollten sie dieser
Verantwortung nicht nachkommen, müssen sich Bundes- und Landesgesetzgeber
vorbehalten, ihrerseits Normen durch gesetzliche Regelungen außer Kraft zu
setzen.

Wohnen als Teil der Daseinsvorsoge

Zu Beginn der 2000er Jahre schwappte die neoliberale Privatisierungswelle durch
das Land. Die öffentlichen Wohnungsbestände wurden großflächig den
Immobilienhaien auf dem Silbertablett serviert, Bund, Länder und Kommunen haben
sich in Summe von rund 625.000 Wohnungen getrennt. 2005 verscherbelte die
schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen beispielsweise 30.000 Wohnungen
des Landes. In Osnabrück gingen 2002 durch Verkauf fast 4.000 kommunale
Wohnungen verloren, weitere Beispiele ließen sich anführen. Das war rückblickend
ein großer Fehler. Wohnen ist keine Ware, sondern Teil der Daseinsvorsorge, für
die Bund, Länder und Kommunen Verantwortung übernehmen. Deshalb begrüßen wir die
Neugründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften wie der in Osnabrück, die 2020
aufgrund eines von uns Grünen unterstützen Bürger*innenentscheides gegründet
wurde und seither 145 neue, mietpreisgebundene Wohnungen errichtet hat. Für uns
ist das ein Beispiel, das Schule machen sollte: Auf kommunaler Ebene treten wir
Grünen für eine aktivere Rolle unserer Städte, Gemeinden und Landkreise auf dem
Wohnungsmarkt ein. Dies geschieht etwa durch die Gründung von oder Beteiligung
an kommunalen Wohnungsunternehmen oder durch genossenschaftliche Modelle unter
Beteiligung der Kommune wie sie aktuell unter dem Stichwort „Detmolder Modell“
gerade in ostwestfälischen Kommunen wachsender Beliebtheit erfreuen.

Auch auf Landesebene hat Rot-Grün im Dezember letzten Jahres die Gründung der
Landeswohnungsgesellschaft WohnRaum beschlossen und zunächst mit 100 Mio. €
Startkapital ausgestattet. Diesen Weg wollen wir mit einem umfassenden
Wohnungsbeschaffungsprogramm des Landes konsequent weiter gehen.

Gemeinnütziges Wohnen stärken

Nicht jeder Immobilienbesitzer hat eine Gewinnerzielungsabsicht: Unternehmen
stellen Wohnungen zur Fachkräftesicherung bereit, junge Familien tun sich
zusammen und gründen ein Mehrgenerationenhaus oder kommunale Wohnungsunternehmen
wollen mehr bezahlbaren Wohnraumschaffen. Im Jahr 1990 hat die damalige schwarz-
gelbe Regierungsmehrheit im Bund das bis dahin geltende
Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht abgeschafft. Das war ein schwerer Fehler, wie der
Blick auf unsere Nachbarn in Österreich oder in den Niederlanden zeigt: Dort
leisten gemeinnützige Wohnungsgesellschaften aufgrund der Begrenzung der Miete
und eine strenge Begrenzung der Gewinnausschüttung einen wichtigen Beitrag zur
Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Wir begrüßen daher, dass die
Regierungskoalition im Bund auf Druck von uns Grünen mit dem Jahressteuergesetz
2024 eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit einführen wird. Was noch fehlt sind
Zuschüsse, die bundesweit in einer Größenordnung von 5 Milliarden Euro
erforderlich sind, um nachhaltige Impulse auf dem Wohnungsmarkt zu setzen. Um
diese Möglichkeit zu nutzen, wollen wir Grüne gemeinnütziges Wohnen nach Kräften
unterstützen.

Mieten, kaufen, wohnen – bezahlbar und klimafreundlich

In Niedersachsen lebt es sich gut. Noch besser lebt es sich, wenn Wohnen
bezahlbar ist, die Eigentumsquote höher wird und Gebäude in gutem Zustand sind.
Dafür braucht es eine handlungswillige Politik und eine starke, gesunde Branche.
Unter grüner Regierungsbeteiligung haben wir Missstände aufgeholt und im Dialog
mit den Akteur*innen große Schritte gemacht. Hier dürfen wir aber nicht
stehenbleiben. Damit der Markt weiter belebt wird und guter, bezahlbarer
Wohnraum zur Verfügung steht, suchen wir den Schulterschluss und
lösungsorientierten Austausch. Dass das in der Vergangenheit schon häufig gut
gelungen ist, schenkt Zuversicht. Wir sind bereit für eine echte grüne
Wohnoffensive in Niedersachsen.

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 02./03.11.2024 in Gifhorn