Unser herkömmliches Energieversorgungssystem ist nicht enkeltauglich: Die gesellschaftlichen Kosten für die Nutzung von Atomenergie, Kohlekraftwerken, Erdöl und Erdgas für Strom und unsere Heizungen sowie die Abhängigkeit von Erdöl im Mobilitätssektor sind weitaus höher als die Preise an Zapfsäulen oder auf der Heiz- und Stromrechnung. Durch unser fossil und Uran basiertes Energiesystem leben wir auf Pump.
Nun ist das Klimaschutzabkommen von Paris in Kraft getreten. Doch eine zerstrittene und mutlose Bundesregierung kann sich nicht auf wirkungsvolle politische Maßnahmen einigen, um die zugesagten Ziele auch einhalten zu können.
Unsere Generation und unser Land nimmt in dreierlei Hinsicht eine zentrale Rolle ein:
a) Wir sind zentrale Mitverursacher der weltweiten Auswirkungen eines klima- und umweltschädlichen Energiesystems.
b) Wir sind die erste Generation, die die volkswirtschaftlichen Folgen der globalen Erhitzung zu spüren bekommt.
c) Wir haben besondere Verantwortung, denn wir sind die letzte Generation, die etwas gegen die Klimakatastrophe unternehmen kann.
Wenn wir jedoch nicht schnellstens die Rahmenbedingungen ändern, werden zukünftige Generationen die hohen Folgekosten der Klimakrise zahlen müssen und nicht deren Verursacher*innen.
Zu grüner Umwelt-, Energie- und Klimaschutzpolitik gehört stets ein breiter Instrumentenmix aus Information und Beratung, Standards und Mindestanforderungen, finanziellen Anreizen in Form von Förderungen auf der einen und Preissignalen auf der anderen Seite. Ein gutes Beispiel ist der Wärmesektor: wer freiwillig mehr tut für energiesparendes und klimaschonendes Heizen, bekommt höhere Förderung durch die KfW oder aus dem Marktanreizprogramm Erneuerbare Wärme. Schrittweise, planbar und transparent werden die Mindeststandards für Energieeffizienz von Gebäuden anspruchsvoller. Wer seiner Zeit voraus ist, gewinnt. Doch leider hat die Bundesregierung in den letzten Jahren die Instrumente auf Bundesebene nicht weiterentwickelt und so falsche Signale gesetzt.
Die Einführung der Ökosteuer unter der rot-grünen Bundesregierung hat 1999-2003 erfolgreich Signale gesetzt: Die Nachfrage nach effizienteren PKWs stieg, die Zahl der gefahrenen Kilometer pro Haushalt ging zurück und an den Tankstellen wurde weniger Treibstoff verkauft. Zugleich konnten durch die Ökosteuer-Einnahmen die Lohnnebenkosten um 8 Mrd. Euro pro Jahr sinken. Da seitdem die Ökosteuer weder in ihrer Höhe noch in ihrer zielgerichteten Ausgestaltung an die sich verändernden Rahmenbedingungen, an technologischen Fortschritt und steigende Einkommen angepasst wurden, ist diese Lenkungswirkung leider in den letzten Jahren weitgehend verloren gegangen. Die Bundesregierung hat es versäumt, hier gegenzusteuern. Die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen taucht auf keiner Energiekostenabrechnung auf. Die sogenannten externen Kosten werden heute weder bei der Nutzung fossiler Energieträger noch z.B. bei der Landnutzung ausreichend eingepreist. Der Emissionshandel könnte erst ab ca. 30 Euro Kosten pro Tonne CO2eq tatsächlich wirken. Und erst bei einer Bepreisung von CO2eq in Höhe von mindestens 80 Euro pro Tonne gelänge eine ausreichende Internalisierung von externen Kosten.
Der Handlungsbedarf ist hoch:
• Im europäischen Emissionshandel (ETS) gibt es zu viele CO2-Zertifikate. Deswegen ist der Preis so niedrig, und er sinkt weiter, (derzeit nur um die 6 Euro pro Tonne, für das Jahr 2017 rechnet die Bundesregierung mit 5,26€), so dass es sich lohnt, zu viel Strom aus schmutzigen Kohlekraftwerken zu erzeugen.
• Auch in den Sektoren, die nicht am Emissionshandel teilnehmen (Wärme, Verkehr), müssen die Treibhausgase dringend sinken. Hier sind die Energiesteuern seit 2003 nicht mehr angepasst worden. Wenn man die Inflation gegenrechnet, sind die Steuern für Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel sogar gesunken. Durch die gesunkenen Weltmarktpreise für Erdöl sind die Verbraucherpreise für die fossilen Brennstoffe insgesamt zudem niedriger als noch vor einigen Jahren – die IHK schätzt die Einsparungen durch den gesunkenen Ölpreis auf mindestens 20 Mrd. Euro pro Jahr.
• Die Steuersätze für Heizöl und Erdgas spiegeln (umgerechnet pro Tonne CO2) nicht annähernd die externen Kosten wider. Außerdem unterscheiden sie sich zwischen den Energieträgern: Während eine Tonne CO2 beim Erdgas über die Energiesteuer umgerechnet mit ca. 27 Euro bepreist wird, kostet dieselbe Menge CO2 beim leichten Heizöl nur ca. 23 Euro, beim schweren Heizöl, das insbesondere in der Industrie genutzt wird, kostet die Tonne CO2 sogar nur rund 8 Euro. Heizöl ist dabei gerade in Deutschland besonders niedrig besteuert (leichtes Heizöl = 6,14 Cent/Liter) – im EU-Durchschnitt liegen die Steuern hierfür fast dreimal höher (17,8 Cent/Liter).
• Auch Diesel wird niedriger besteuert als Benzin, trotz höherer CO2-Emissionen pro verbranntem Liter.
• Zusätzlich zu vergleichsweise niedrigen Energiepreisen können insbesondere energieintensive Unternehmen beim Staat Ausnahmen auf Energie-Abgaben wie Steuern und Umlagen beantragen. Wer viel verbraucht, zahlt also besonders wenig. Anreize, sparsam mit Energie umzugehen, fehlen. Energieverschwendung wird sogar belohnt – und zwar zulasten von privaten Haushalten, Handwerk und Mittelstand, die bei der EEG-Umlage, der KWK-Umlage oder den Netzentgelten mehr zahlen müssen, um die von privilegierten Unternehmen verursachten Mindereinnahmen auszugleichen.
• Mit rund 52 Milliarden im Jahr subventioniert der deutsche Staat laut dem Umweltbundesamt jedes Jahr klima- und umweltschädliches Verhalten. Mit dieser falschen Prioritätensetzung werden viele sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen konterkariert. Gleichzeitig fehlt Geld für Investitionen in Klimaschutz, die Energiewende und Umweltschutz.
Es braucht also an zwei Stellschrauben mehr Kostengerechtigkeit:
a) Die Folgekosten des fossilen Zeitalters sollen nicht mehr auf die zukünftigen Generationen verlagert werden und
b) innerhalb der heutigen Generation braucht es mehr Steuer- und Umlagengerechtigkeit zwischen großen und kleinen Energieverbrauchern.
Solange der Preis für CO2eq nicht die „ökologische Wahrheit“ abbildet, sind die wirtschaftlichen Anreize, in zukunftsfähige Techniken, in Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zu investieren, gering. Das verhindert dringend notwendige Investitionen in die ökologische Transformation unserer Wirtschaft.
Stattdessen werden weiterhin Erdöl- und Erdgas-Heizungen in die Keller gebaut, oft wird Fernwärme mit Kohle erzeugt und die deutschen Autohersteller setzen weiterhin auf fossile Verbrennungsmotoren. So wird die Abhängigkeit von der fossilen Energieversorgung durch sogenannte Lock-in-Effekte dieser Investitionen zementiert. Heute ist Divestment angesagt und keine weiteren Investitionen in die alten fossilen Technologien, die unserer Gesellschaft mittelfristig sogenannte „stranded investments“ bescheren.
Stattdessen wären Investitionen in sparsame Energie-Infrastruktur die beste Versicherung gegen schwankende Energiepreise. Energieeffizienz und Erneuerbare Energien machen uns unabhängig von (fossilen) Energie-Importen, die jährlich bei ca. 100 Mrd. Euro liegen und nicht selten aus Lieferstaaten mit problematischen politischen Strukturen kommen. Eine dezentrale Energieversorgung schafft Arbeitsplätze in Handwerk und Mittelstand, regionale Wertschöpfung und mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Treibhausgase sind nicht die einzigen externen Kosten, die internalisiert werden sollten. Auch Luftschadstoffe mit erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen – z.B. Feinstaub und Stickoxide durch die Kohleverbrennung und Verkehrsabgase -, Natur-Verschmutzungen durch Öl in den Abbaugebieten, soziale Schäden durch Landvertreibungen zur Rohstoffförderung und vieles mehr gehören dazu. Hier profitieren nur wenige, aber auf Kosten der Natur, des sozialen Friedens und zukünftiger Generationen. Deswegen reicht eine einseitige Fokussierung auf die Bepreisung von CO2eq allein nicht aus.
Grüne Energiepolitik nimmt Generationengerechtigkeit und das Verursacherprinzip ernst. Wir wollen die Folgekosten unseres heutigen Energiesystems für zukünftige Generationen möglichst gering halten. Dazu gehören die Kosten für den Atommüll, die Klimakrise und Sanierungskosten der Braunkohlegebiete genauso wie die Altlasten der Erdgasförderung. Wir übernehmen dabei nicht nur Verantwortung für die Rohstoff-Abbau-Gebiete in Deutschland, sondern auch im Ausland – schließlich importieren wir zum Beispiel weit über 95% unseres Erdöl-Verbrauchs.
Immer wieder gibt es Forderungen, den heutigen Strompreis zu senken und für die Vergütung der Erneuerbaren Energien Staatsschulden aufzunehmen, z.B. über Staatsanleihen. Diesem Konzept eines „EEG-Streckungs-Fonds“ (auch „Töpfer-Fonds“ genannt) erteilen wir eine klare Absage. Den Umstieg auf eine 100 Prozent Erneuerbare Energieversorgung wollen wir weder durch Finanzgeschäfte und Zinskosten unnötig teurer machen, noch wollen wir die nächste Generation dafür bezahlen lassen. Die Klimakrise wird teuer genug für die zukünftigen Generationen, selbst wenn wir ab sofort unsere Forderungen nach einer Internalisierung der externen Kosten politisch umsetzen und wenn die globale Erhitzung unter 2 Grad Celsius bleibt.
Auch die Forderung der Abschaffung der Stromsteuer (Einnahmen im Jahr 2014: ca. 6,6 Mrd. Euro) weisen wir zurück. Uns geht es um eine gerechte Verteilung der Kosten des Energiesystems. Dafür müssen insbesondere diejenigen wieder mehr einbezogen werden, die besonders viel Energie verbrauchen und zugleich besonders niedrige Preise zahlen.
Wir fordern die Bundesregierung auf:
• sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass mindestens 2 Mrd. CO2-Zertifikate dauerhaft aus dem Emissionshandel genommen werden, um die Preise auf ein angemessenes Niveau zu führen;
• bis dies zum Erfolg führt, auf nationaler Ebene einen Mindestpreis für CO2 im Emissionshandel in Höhe von 30 Euro pro Tonne einzuführen, bei jährlicher Steigerung um 5 Euro;
• die Energiesteuern auf Heizöl und Erdgas anhand eines angemessenen CO2eq-Faktors weiterzuentwickeln (in Form von Steuer oder zweckgebundener Abgabe), sodass diese sich am Niveau des ETS bzw. des nationalen Mindestpreises für CO2-Zertifkate orientieren;
• die Einnahmen aus der Erhöhung der CO2-Bepreisung für Heizstoffe zurückfließen zu lassen, indem u.a. ein Klimawohngeld eingeführt wird, sodass alle Wohngeldberechtigten einen Klimabonus beantragen können, wenn sie in einem energetisch modernisierten Gebäude wohnen und deswegen eine höhere Kaltmiete zahlen (als Nachweis kann der Gebäudeenergiebedarfsausweis vorgelegt werden, der belegt, dass ein anspruchsvoller Mindestenergiestandard erreicht ist) – so können sich auch Menschen mit niedrigerem Einkommen das Wohnen in modernen, energiesparenden Wohnungen leisten;
• keine Fördermittel mehr über die KfW für fossile Heizungen (Erdöl, Erdgas) zu gewähren, sondern dieses Geld in das Markt-Anreizprogramm Erneuerbare Wärme umzuschichten;
• ein neues 2 Mrd. Euro Förderprogramm „energetische Quartierssanierung“ einzurichten, das insbesondere den Quartieren zugute kommt, wo besonders viele Menschen mit niedrigen Einkommen zur Miete wohnen, so schaffen wir energieeffizienten und bezahlbaren Wohnraum für alle;
• Angleichung der Besteuerung von Benzin und Diesel und gleichzeitige Angleichung der Kfz-Steuer für Benzin- und Diesel-PKW;
• Ökologisch schädliche Subventionen schnell abzubauen, insbesondere das Dienst- und Firmenwagenprivileg, die Subventionierung des Agrardiesels, die Steuerbefreiung für Erdöl und Erdgas in stofflicher Nutzung (Plastiktüten etc.), die Privilegierung der stofflichen Nutzung von Erdöl und die massive Subventionierung des Flugverkehrs;
• Die Gruppe der Unternehmen einzuschränken, die auf Energie-Steuern und –Umlagen Rabatte beantragen können, indem nur noch solche auf Privilegien zurückgreifen können, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Dafür eignet sich die (eingeschränktere) EU-Branchen-Liste für die ETS-Strompreiskompensation;
• bei sämtlichen Industrie-Rabatten auf Energie-Abgaben zunächst Energieeffizienz zur Bedingung zu machen: wer hohen Energieverbrauch hat und deswegen auf Kosten anderer weniger pro kWh zahlen will, der muss erstmal alles tun, um seinen Energieverbrauch durch Effizienzmaßnahmen zu reduzieren. Hierfür eignen sich Energieeffizienz-Benchmarks, die den Stand der Technik widerspiegeln und bei Investitionen in den Unternehmen zum Standard werden sollten;
• die Umlagen-Rabatte an die Industrie (nach Eingrenzung der Berechtigten und Effizienzanforderungen) über Steuern zu finanzieren, statt sie von übrigen Energieverbrauchern quersubventionieren zu lassen,
• die Brennelementesteuer auch über den 31.12.2016 hinaus fortzusetzen, und die Steuer um mindestens 50% zu erhöhen;
• die steuerliche Förderung von energetischer Sanierung bei Selbstnutzern einzuführen;
• die steuerliche Entlastung bei aufwändiger energetischer Sanierung von Gebäuden, die vermietet werden, insbesondere in den ersten Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes zu verbessern (Sonderabschreibungen für energetische Sanierungen über einen kürzeren Zeitraum ermöglichen als bisher, z.B. wie bei der Sanierung von Baudenkmälern, und nicht mehr als „anschaffungsnahe Herstellungskosten“ einstufen).
Wir setzen uns auf Landesebene dafür ein:
• die externen Kosten, die der Allgemeinheit durch die Förderung von Erdöl und Erdgas entstehen, über eine verursachergerechte Abgabe ausreichend zu internalisieren;
• zu prüfen, inwiefern eine Reform der Grunderwerbssteuer zu einer Differenzierung genutzt werden kann: wer im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie diese auf einen energetisch anspruchsvollen Standard saniert (Energieeffizienz und Umrüstung auf Erneuerbare Energien), erhält einen Teil der Grunderwerbssteuer erstattet.