Mit GRÜN in die digitale Zukunft
Die Digitalisierung wirkt sich schon heute auf viele Bereiche unseres Lebens aus. Die Art wie wir kommunizieren, uns informieren, wie wir produzieren und konsumieren hat sich in den letzten Jahren bereits massiv verändert. Technische Neuerungen setzen in immer größerer Geschwindigkeit weltweit neue Maßstäbe: Von der Erfindung des Automobils bis zu dessen Masseneinführung dauerte es mehr als 60 Jahre. Das Smartphone, das heute mehr als 2/3 in unserem Land nutzen, ist dagegen erst 2007 auf den Markt gekommen. Facebook, Twitter oder Instagram – heute Massenmedien – gab es zur Jahrtausendwende noch gar nicht. Wir stehen erst am Anfang einer digitalen Revolution, die unser Leben in nur wenigen Jahren grundlegend verändern wird. Heute erfolgreiche Geschäftsmodelle verlieren ihre Grundlage, neue Produkte, Produktionsweisen, Dienstleistungen und Vermarktungswege werden entstehen. Es bleibt abzuwarten, ob beispielsweise der intelligente Kühlschrank, der automatisch Lebensmittel nachbestellt, die dann per Drohne direkt geliefert werden, kommt.
Wird uns in wenigen Jahren schlicht die Arbeit ausgehen, weil Menschen überwiegend durch Maschinen ersetzt werden oder behalten diejenigen Recht, die mit Blick auf die Geschichte der Industrialisierung seit Mitte des 18. Jahrhunderts darauf hinweisen, dass bisher noch jede Technisierung am Ende mit einem Zuwachs an Arbeitsplätzen einherging? Diese Frage dürfte aktuell kaum zu beantworten sein – nachvollziehbar begründete Prognosen gibt es für beide Szenarien. Die technologische Entwicklung ist für sich genommen weder gut noch schlecht. Sie bietet Möglichkeiten für neue hochwertige Arbeitsplätze, für höhere Arbeitsqualität, eine ökologische Lebensweise, mehr Selbstbestimmung und mehr Wohlfahrt bei sinkender Arbeitsbelastung. Gerade im Bereich der Energie- und Mobilitätswende entstehen neue Möglichkeiten mit ökologischem und ökonomischem Nutzen sowie neue Chancen für mehr Gerechtigkeit. Diese neue Wirtschaftskraft schafft neue Arbeitsplätze auf allen Ebenen, nicht nur im IT- und Entwicklungsbereich, sondern auch im Handwerk. Gleichzeitig steigen aber auch die Anforderungen an die Flexibilität und die Bereitschaft, die eigenen Fähigkeiten laufend anzupassen und sich regelmäßig fortzubilden, um mit den rasanten Entwicklungen Schritt zu halten. Das schafft bei einer wachsenden Zahl von Menschen nicht nur massive Verunsicherungen, sondern wird auch als Bedrohung empfunden. Das hat längst auch politische Auswirkungen. Das heute für die Mehrzahl der Arbeitnehmer*innen noch übliche Normalarbeitsverhältnis einer oft jahrzehntelangen abhängigen und unbefristeten Beschäftigung beim gleichen Unternehmen an einem konkreten Arbeitsplatz und mit geregelter Arbeitszeit wird an Bedeutung verlieren. Einerseits entstehen so Freiräume, z.B. von zuhause aus zu arbeiten und nicht mehr an festen Arbeitszeiten gebunden zu sein. Andererseits birgt diese Entwicklung aber auch die Gefahr einer krankmachenden Entgrenzung von Arbeit und Freizeit. Wenn Unternehmen zunehmend dazu übergehen, nicht mehr die Zeit zu entlohnen, die Mitarbeiter*innen mit der Verrichtung einer definierten Aufgabe an einem vorgegebenen Arbeitsplatz beschäftigt sind, sondern die Entlohnung am Arbeitsergebnis orientieren, schafft das einerseits mehr Selbstbestimmung, birgt aber andererseits auch neue Unsicherheiten.
Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums arbeiten besonders viele Frauen in Berufen, die sich durch die Digitalisierung in den nächsten Jahren stark verändern werden oder in denen Stellen wegfallen. Auch sind Frauen in den Bereichen unterrepräsentiert, in denen ein Job-Wachstum erwartet werde. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Frauen stärker in bisher männerdominierten Bereichen Fuß fassen können und dass Digitalisierung so gestaltet wird, dass Frauen von ihr profitieren.
Fest steht: Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen und die Risiken minimieren. Unser am Normalarbeitsverhältnis orientiertes Arbeits- und Tarifrecht, unsere sozialen Sicherungssysteme, unser Steuersystem und unser Bildungssystem müssen frühzeitig an die Entwicklungen der digitalen Revolution angepasst werden. Wir GRÜNEN stellen uns der Aufgabe, diesen Prozess aktiv politisch zu gestalten.
Eine Landesnetzgesellschaft für Bildung in Niedersachsen
Seit fast 30 Jahren gibt es in Baden-Württemberg eine Landesnetzgesellschaft (BelWü), die ausgehend von den Hochschulen im Land einen breitbandigen Internetzugang für alle Schulen und andere bildungsnahe Institutionen wie Museen und Theater bereitstellt. Hierfür betreibt sie zumeist keine eigenen Leitungen, sonder kooperiert mit Energieversorgern, kommerziellen Netzanbietern und anderen öffentlichen Netzbetreibern. Dieses Modell hat für eine beispiellos hohe Qualität der Netzanbindung gesorgt und ist zudem noch effizient gestaltet. In Niedersachsen hingegen gibt es einen Flickenteppich von verschiedensten Netzen auf Landes- und Kommunalebene, der zum einen teuer und zum anderen langsam ist. Diesen Zustand wollen wir GRÜNEN ändern und fordern daher auch in Niedersachsen die Gründung einer Landesnetzgesellschaft für den Bildungssektor.
Einen Rechtsanspruch auf Breitband schaffen
Flächendeckendes schnelles Internet ist die entscheidende Grundlage für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen. Sie ist auch essentiell für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Die rot-grüne Landesregierung hat zwischen 2013 und 2017 den Anteil der niedersächsischen Haushalte die mit Breitbandübertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s ausgestattet sind, von 57% auf 76,5% gesteigert und damit eine deutlich dynamischere Entwicklung als im Bundesdurchschnitt angestoßen. Expert*innen gehen jedoch davon aus, dass Übertragungsraten von 50 Mbit/s schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen werden. Deutlich höhere Übertragungsraten sind aber mit dem von der Deutschen Telekom bisher betriebenen Vectoring, also der Optimierung der alten Kupferleitungen, nicht mehr erreichbar. Deshalb geht an der flächendeckenden Verlegung von Glasfaserleitungen bis in die Häuser hinein kein Weg vorbei. Hier ist Deutschland bisher Entwicklungsland: Lediglich 1,8% aller Festnetz-Breitbandanschlüsse sind aus Glasfaser. Nach Schätzungen der Bundesregierung sind für eine flächendeckende Breitbandversorgung Investitionen von rund 80 Mrd. Euro erforderlich. Nach Artikel 87 f unseres Grundgesetzes werden Telekommunikationsdienstleistungen von privaten Unternehmen erbracht. Damit die Unternehmen ihrer Verpflichtung zum Netzausbau endlich gerecht werden, muss der Bund einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet schaffen, wie es etwa Großbritannien für das Jahr 2020 plant. Wenn schnelles Internet als Universaldienstleistung wie Post, Wasser- oder Telefonanschluss definiert wird, haben die Unternehmen die Möglichkeit, auch den Anschluss der wenig lukrativen ländlichen Räume über eine Umlage zu refinanzieren. Die Verfügbarkeit von schnellem Internet entscheidet darüber, ob Regionen zu den Gewinnern oder Verlierern der Digitalisierung gehören. Nur mit einer flächendeckenden Breitbandversorgung auch des ländlichen Raumes wird möglich sein, dem Auftrag des Grundgesetzes, überall für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, in Zukunft noch gerecht zu werden.
Netzneutralität uneingeschränkt sicherstellen – Zwei-Klassen-Internet verhindern!
In den USA wurde die Netzneutralität vor wenigen Wochen abgeschafft. Wer mehr zahlt, dessen Inhalte werden auch schneller durchgeleitet. Eine solche Bevorzugung zahlungskräftiger Kunden darf es in Europa bisher aufgrund der Telekom-Binnenmarkt-Verordnung nicht geben. Erste Einschränkungen sind aber auch bei uns längst Alltag: So bietet z.B. die Deutsche Telekom ihren Kunden einen extra buchbaren Streamingdienst an, mit dem beim Download von Musik und Filmen bestimmter Anbieter kein Datenvolumen verbraucht wird. Diese Anbieter werden dadurch vom Netzbetreiber zu Lasten ihrer Mitbewerber bevorteilt. Wir GRÜNEN wollen kein Zwei-Klassen-Internet! Die Gleichbehandlung aller Nutzer*innen und aller Inhalte ist unabdingbar für eine Nutzer*innen- und innovationsfreundliche Netzpolitik. Jeglichen Bestrebungen, die Netzneutralität aufzuweichen und zu unterlaufen, erteilen wir eine klare Absage. Die zuständigen Regulierungsbehörden müssen die Netzneutralität streng kontrollieren und Verstöße wirksam sanktionieren. Nicht nur die Datensicherheit ist ein großes Thema zunehmender Digitalisierung, sondern auch die Verwundbarkeit all unserer Infrastrukturen und alltäglichen Abläufe. Durch Cyberangriffe können heute ganze Firmen, Stadtteile, Versorgungsnetze und Regierungen lahmgelegt werden. Daher ist Sicherheit im Prozess der Digitalisierung ein sehr wichtiges Thema, dem wir große Bedeutung zumessen.
Ohne Bildung 4.0 keine Arbeit 4.0
Expert*innen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der aktuellen Grundschüler*innen später in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Die Qualifikationsanforderungen werden sich deutlich verändern und diese Veränderung betrifft längst nicht nur die nahe liegende Anforderung, IT-Kompetenzen und die Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien zu steigern. Die Fähigkeiten sich Wissen neu aneignen zu können, zu korrespondieren und zu kooperieren werden in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen. Die Aneignung ständig und überall verfügbaren Fachwissens tritt zugunsten der Fähigkeiten Lernen zu lernen und Zusammenhänge einzuordnen in den Hintergrund. Insgesamt erfordert die Digitalisierung substanzielle Änderungen in allen Bereichen der Bildung: Angefangen bei der Anbindung und Ausstattung der Schulen und deren Lerninhalte über die Neujustierung von Ausbildung und Studium bis hin zur beruflichen Fort- und Weiterbildung.
Leistungsfähiger Internetanschluss für alle Schüler*innen
Alle Schüler*innen müssen ein individuelles Endgerät störungsfrei im Unterricht nutzen können. Über den dafür erforderlichen Internetanschluss mit einer Bandbreite von mindestens 1 Gb/s verfügen in Niedersachsen bisher jedoch nur wenige Schulen. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, die Schulträger gesetzlich dazu zu verpflichten, alle Schulen schnellstmöglich mit einem ausreichend leistungsfähigen Breitbandanschluss, den notwendigen WLAN-Accespoints für jeden Klassenraum und stationären oder mobilen Endgeräten für jede*n Schüler*in zu versorgen. Das umzusetzen, sind die Schulträger allein jedoch nicht in der Lage. Die vom Bund im Rahmen des DigitalPakt Schule zwischen Bund und Länder bisher nur vage in Aussicht gestellten 5 Mrd. Euro für den Zeitraum von 2018 und 2022 für den digitalen Ausbau aller bundesweit rund 40.000 Schulen reichen dafür bei weitem nicht aus. Wir fordern daher, den DigitalPakt Schule mit mindestens 15 Mrd. Euro für die kommenden 5 Jahre auszustatten. Dafür muss sich die Landesregierung beim Bund einsetzen. Wir dürfen die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht alleine lassen. Sie müssen finanziell besser ausgestattet werden, um auch die wachsenden laufenden Kosten der Digitalisierung tragen zu können. Bei der Ausstattung der Schüler*innen setzen wir auf bring your own Divice, um Schüler*innen nicht auf ein Betriebssystem zu verengen und mit der Nutzung ihrer eigenen Endgeräte vertraut zu machen. Hierfür müssen an Schulen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Auch wenn heutzutage viele Schüler*innen über ein eigenes, mobiles Endgerät verfügen, muss auf die soziale Verträglichkeit geachtet werden. Auch halten wir GRÜNEN an der Forderung fest, die Lernmittelfreiheit schrittweise umzusetzen.
Unterrichtsinhalte den neuen Anforderungen anpassen
Der kritische und verantwortungsvolle Umgang mit digitalen Medien und die Etablierung der Digitalisierung als Querschnittsaufgabe müssen an unseren Schulen deutlich gestärkt und in den curricularen Vorgaben entsprechend angepasst werden. Beispielsweise vermittelt der aktuelle Digitalisierungsweltmeister und Pisa-Spitzenreiter Estland bereits ab der ersten Klasse grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit Apps und der Programmierung von Webseiten. Fast alle Lehrer*innen haben dafür an entsprechenden Fortbildungen teilgenommen, etwa 40% des Lehrpersonals an Schulen wurde zu IT-Expert*innen weitergebildet – davon ist Niedersachsen mit 1500 weitergebildeten Lehrkräften noch weit entfernt. Die psychischen Folgen des intensiven Umgangs mit sozialen Netzwerken und neuen Medien auf Kinder, Erwachsene und die Gesellschaft müssen weiter erforscht und diese Ergebnisse und die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Informationskultur in der Schule thematisiert werden.
Digitalisierung für Schüler*innen und Lehrkräfte nutzen
Die Einrichtung der Bildungscloud in Niedersachsen und im Bund bietet eine große Chance für Lehrkräfte und perspektivisch auch für Schüler*innen, Lerninhalte zu speichern, zu sammeln und zu tauschen. Hier bietet die Bildungscloud somit der Möglichkeit, gemeinsame Arbeitsblätter und Lerntipps zu teilen und Teamwork zu unterstützen. Hier kann und muss die Bildungscloud weiterentwickelt und etabliert werden, um eine echte Arbeitserleichterung und Lernunterstützung zu sein. Dafür müssen die Lizenzverabredungen mit den Verlagen endlich auch die Verbreitung und das Teilen in solchen Clouds beinhalten. Darüber hinaus muss das Thema Open Educational Resources entwickelt werden, eine Cloud wirklich nutzbar für Lehrkräfte und Schulen zu machen. Hier fordern wir die Landesregierung auf, dieses mit Hochdruck zu entwickeln. Darüber hinaus müssen die Lehrer*innen entsprechend weitergebildet und die Studienkapazitäten an den Hochschulen ausgeweitet werden, auch im Bezug auf die Möglichkeiten des Teamworks durch Digitalisierung an Schulen.
Heranführung an ein MINT-Studium verbessern
Welche Berufe bzw. Qualifikationen im Zuge der weiteren Digitalisierung besonders gefragt sein werden, lässt sich bisher kaum abschätzen. Allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie steigen wird. Daher gilt es besonders, Mädchen und Frauen bereits frühzeitig für die sog. MINT-Fächer zu begeistern. Das gilt insbesondere für Frauen, denn beispielsweise im Fach Elektronik sind nur rund 1/5 der Studienanfänger*innen Frauen. Nach einer im Frühjahr 2017 vorgelegten europaweiten Microsoft-Studie fühlen sich gerade in Deutschland Mädchen und junge Frauen in den technischen Fächern nicht genug gefördert. Ein Drittel der befragten Mädchen in Deutschland hat den Eindruck, dass der naturwissenschaftlich-technische Unterricht auf Jungen zugeschnitten ist. Das Lehrpersonal ist hier überwiegend männlich und es fehlt an Vorbildern. Wir GRÜNEN erwarten daher, dass die Lerninhalte an den niedersächsischen Schulen überprüft und überarbeitet werden.
Berufliche Bildung und Studium anpassen
Auch die berufliche Bildung muss sich auf den schnellen Wandel der Arbeitswelt einstellen. Aufgaben und Anforderungen ändern sich grundsätzlich. Kompetenzen wie Prozessmanagement und IT-Kenntnisse gewinnen an Bedeutung. Die Auszubildenden benötigen hier zusätzliches Wissen, ohne dass bisherige Inhalte durch die Digitalisierung überflüssig werden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die in Niedersachsen mehr als ¾ aller Ausbildungsplätze anbieten, haben Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kompetenzen zu vermitteln. Ihnen fehlt dazu vielfach das Know-how, die Ausstattung und die entsprechend qualifizierten Ausbilder*innen. Die frühere rot-grüne Landesregierung hat daher ab 2016 sieben sog. Smart Factories als Lernwerkstätten an Berufsbildenden Schulen eingerichtet, die an den realen Produktionsbedingungen moderner, digital arbeitender Betriebe ausgerichtet sind. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Niedersachsen fordern die neue schwarz-gelbe Landesregierung auf, das Modell der Smart Factories landesweit umzusetzen, die Berufsbildenden Schulen insgesamt den modernen Anforderungen der Arbeit 4.0 entsprechend auszustatten und die Lerninhalte in Zusammenarbeit mit den Kammern laufend fortzuschreiben. Das Duale System aus betrieblicher und berufsschulischer Ausbildung ist ein Erfolgsmodell an dem wir festhalten wollen. Dessen ungeachtet muss jedoch die überbetriebliche Ausbildung in Verantwortung der Kammern deutlich gestärkt werden. Zudem kann es nicht länger hingenommen werden, dass trotz boomender Beschäftigung der Anteil der Betriebe der keine Ausbildungsplätze anbietet immer weiter steigt. Von den Betrieben zwischen 6 und 250 Mitarbeiter*innen bildet nur noch etwa 1/3 überhaupt aus – bei den Betrieben der IT-Branche liegt die Ausbildungsbetriebsquote sogar deutlich niedriger. Wir GRÜNEN fordern daher eine Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe die keine Ausbildungsplätze anbieten. Mit dieser Abgabe wollen wir die Ausbildungsbetriebe unterstützen und die überbetriebliche Ausbildung stärken.
Im Bereich der Hochschulen fordern wir 1.000 zusätzliche Studienplätze im Bereich der Digitalisierung incl. der erforderlichen Professuren für Digitales.
Lebenslanges Lernen ermöglichen
Die Halbwertszeit der im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Fähigkeiten sinkt rapide. Damit steigt der Bedarf an Weiterbildung. Bisher bieten jedoch nur knapp die Hälfte der Betriebe überhaupt Weiterbildungsmöglichkeiten an und erreichen damit nur rund 40% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wir GRÜNEN wollen, dass alle Beschäftigten ihr Wissen und ihre Kompetenzen regelmäßig erweitern können und von der Digitalisierung profitieren. Wer sich neben der Arbeit und der Familie weiterbildet, braucht dafür nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Wir fordern daher ein Weiterbildungsgesetz, mit dem der Anspruch von Beschäftigten auf Freistellung von der Arbeitsleistung für die individuelle berufliche Weiterbildung mit einem Rückkehrrecht an den Arbeitsplatz garantiert wird.
Jobcenter 4.0 – Zukunftsagenturen für Arbeit und Bildung
Die Arbeitswelt von morgen braucht keine Arbeitsverwaltung von gestern. Neben der Unterstützung der Arbeitslosen müssen Angebote für alle Erwerbstätigen zur zweiten Säule einer modernen Arbeitsverwaltung werden. Dabei spielen Weiterbildungsberatung und -förderung eine zentrale Rolle. Die Arbeitslosenversicherung wollen wir zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln, die Beschäftigte bei der Weiterbildung und Arbeitslose gleichermaßen unterstützt.
Das Arbeitsrecht anpassen, soziale Sicherungssysteme zukunftsfest machen
Die Digitalisierung führt zu einer zunehmenden Entkoppelung der Arbeit von Zeit und Ort. In vielen Bereichen muss die Arbeitsleistung nicht notwendigerweise vom Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens und auch nicht innerhalb einer definierten Arbeitszeit erbracht werden. Dieser Souveränitätsgewinn der Arbeitnehmer*innen birgt erhebliche Vorteile u.a. bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf der anderen Seite steht jedoch ein erheblicher Verlust von Schutz und Sicherheit der Arbeitnehmer*innen. Ständige Erreichbarkeit kann zu ständigem Stress und zu einer krank machen Entgrenzung von Arbeit und Freizeit führen. Das gesamte Arbeitsrecht und die betriebliche Mitbestimmung drohen ausgehöhlt zu werden. Zudem wird das sog. Normalarbeitsverhältnis mit Festanstellung für eine tarifvertragliche Wochenarbeitszeit zunehmend unter Druck geraten. In vielen Start Ups ist das längst Realität. Internetplattformen, auf denen sich digitale Arbeitsnomaden, sog. Crowdworker, von Auftrag zu Auftrag hangeln, gibt es längst und sie verzeichnen exorbitante Zuwächse. Der Auslagerung von Arbeit ohne Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfalls sind kaum materielle Grenzen gesetzt und sie macht auch an nationalen Grenzen nicht Halt: Die Designerin in Spanien oder der Programmierer in Indien sind nur ein paar Mausklicks entfernt. Sie konkurrieren unmittelbar mit ihren Kolleg*innen in Hannover oder Bramsche. Und es sind nicht nur Tätigkeiten mit hohen Qualifikationsanforderungen, für die gute Honorare erzielt werden können, auch einfache Tätigkeiten sind auf diese Weise an ein digitales Proletariat von Soloselbstständigen auslagerbar. In einem Bereich sind die Risiken der Digitalisierung längst offenkundig: Das Einkaufen im Internet hat bei Paketdiensten einen wahren Boom erzeugt und das vielfach zu Lasten der Mitarbeiter*innen: Soloselbstständige Zusteller*innen kommen trotz harter Arbeit vielfach auf nicht einmal die Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns. Diese Beispiele zeigen: Das Arbeits- und Sozialrecht müssen dringend zum Schutz der Arbeitnehmer*innen angepasst werden.
Besserer Schutz für Soloselbständige
Rund 2,3 Millionen Menschen sind in Deutschland soloselbstständig. Sie müssen selbst für ihre Krankenversicherung und Altersvorsorge sorgen, bekommen im Krankheitsfall keine Lohnfortzahlung und keine Absicherung gegen ausbleibende Aufträge. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erzielt rund ¼ der Soloselbstständigen nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn, rund die Hälfte betreibt keine oder keine ausreichende Altersvorsorge. Daher sind folgende Maßnahmen zur Absicherung von Soloselbstständigen unerlässlich:
- Einführung eines Mindesthonorars für Soloselbstständige.
Die Tarifparteien sind aufgefordert, neben den Vereinbarungen für abhängig Beschäftigten auch ein Mindesthonorar für die Soloselbstständige ihrer jeweiligen Branche zu vereinbaren. Wo das nicht gelingt, muss eine Expertenkommission entsprechende, gesetzlich zu verankernde Festlegungen treffen. Derartige Mindesthonorare gibt es etwa für Architekt*innen oder Rechtsanwält*innen bereits. Was mit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure oder der Gebührenordnung für Rechtsanwälte längst jahrelange Praxis ist, muss für Crowdworker*innen oder Paketzusteller*innen ebenfalls umgesetzt werden - Einführung einer Bürgerversicherung für Gesundheit, Pflege und Rente, in die auch Selbstständige einbezogen werden.
Insbesondere für niedrige Einkommen aus selbstständiger Arbeit müssen die Sozialversicherungsbeiträge bezahlbar werden. - Einbeziehung der Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung.
Auch die Arbeitgeber müssen an den Sozialkosten beteiligt werden. Ein Beispiel wie das praktisch umsetzbar ist, liefert die Künstlersozialkasse: Hier ist längst gängige Praxis, dass Arbeit- bzw. Auftraggeber einen bestimmten Prozentsatz vom gezahlten Honorar als Arbeitgeberanteil an den gesetzlichen Sozialversicherungen einzahlen. Als alternative Möglichkeit wäre zu prüfen, die Sozialversicherungsbeiträge – ähnlich wie die Umsatz- oder Mehrwertsteuer – gesondert auf der Rechnung auszuweisen.
Aufweichung von Arbeitsstandards unterbinden!
Einige Startups bauen ihre Geschäftsmodelle auf der Umgehung von Arbeitsstandards auf. Das betrifft nicht nur Mindestlohnregelungen, sonder auch Regelungen zu Arbeitsschutz und Arbeitszeiten. Wir begrüßen das Verbot von Uber in Deutschland und wehren uns auch in Zukunft gegen jegliche Aufweichung von Arbeitsstandards.
Call Center Agent – wenn telefonieren krank macht
Die Arbeit in einem Call Center ist für viele sogenannten Call Center Agents eine Herausforderung. Man kann die Call Center-Tätigkeit mit der der Fließbandarbeiter*innen im industriellen Zeitalter vergleichen. Was in anderen Branchen normal ist, wie zum Beispiel feste Arbeitszeiten, Gründung eines Betriebsrates und Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen fehlt in Call Centern entweder komplett oder ist nur in Teilen vorhanden. Die Gewerkschaft Ver.di setzt sich seit Jahren für mehr Standards und Arbeitnehmer*innenrechte der Call Center Agents ein.
Die Menschen brauchen:
- Stabile Arbeitsverhältnisse. Häufig wird nach dem Prinzip „hire an fire“ gehandelt. Die Call Center Unternehmen müssen schnell und effizient ihre Kunden bedienen und möchten diese Kunden halten, dies geht meisten zu Lasten der Agents. Durch eine planbare Personalpolitik könnte man mit Vereinbarungen diese Stabilität erreichen.
- Die Call Center Agents müssen das Recht auf entsprechende Aus- und Weiterbildung erhalten. Das fördert die Mitarbeit, qualifiziert und entlastet die Mitarbeiter*innen. Es muss mehr in Weiterbildung investiert werden, als die Call Center Agents zu kontrollieren.
- Gute Bezahlung. Diese ist nur mit einem Tarifvertrag machbar. Die Entlohnung kann basierend auf basierend auf einer Grundentlohnung + Zusatzleistungen erfolgen. Die Staffelung kann anhand der Jahre im Betrieb und Art des Services erfolgen.
- Arbeitszeiten und Work-Life-Balance: Der Stress der Call Center ist extrem hoch. Diesem kann man mit einer Wochenhöchstarbeitszeit von max. 40 Stunden und einer Telefoniezeit von max. sechs Stunden/Tag entgegenwirken.
Wir GRÜNEN unterstützen die Arbeitnehmer*innen in der Durchsetzung ihrer Rechte.
Moderne Mitbestimmung
Insbesondere der Trend zu Auslagerung von Aufgaben in Form von Werk- oder Dienstverträgen stellt das System der Mitbestimmung vor große Herausforderungen. Die Arbeitswelt von morgen verlangt neue Formen der Mitbestimmung. Online-Betriebsratswahlen, regelmäßige elektronische Umfragen zur Arbeitszufriedenheit und innerbetriebliche Vernetzung können Instrumente sein, die demokratische Teilhabe und den Zusammenhalt im Unternehmen zu stärken. Wir wollen
daher das Betriebsverfassungsgesetz fit machen für die Zukunft und an die Digitalisierung anpassen. Betriebsräte sollen ein Mitbestimmungsrecht über Arbeitszeiten und Arbeitsmenge der ganz oder teilweise im Home-Office beschäftigten Mitarbeiter*innen bekommen. Auch für online-Plattformen braucht es Regeln für ein faires Miteinander durch eine Art Interessenvertretung für die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Auch in der Unternehmens- und Mitarbeiterführung ist ein Umdenken erforderlich. Die Stechuhr ist kein geeignetes Instrument für den digitalen Wandel unserer Arbeitswelt. Sie sollte durch eine Kultur des Vertrauens zwischen Unternehmensführung und motivierten Mitarbeiter*innen abgelöst werden.
Der Arbeit Grenzen setzen
Digitalisierung bedeutet für viele Menschen mehr Zeitsouveränität und neue Freiräume für Kreativität und Innovationen. Individuelle Zeitarbeitskonten, Gleitzeit, Home-Office und Vertrauensarbeitszeit bestimmen heute immer mehr unsere Arbeitswelt. Gerade für Frauen und Männer mit kleinen Kindern ist das eine große Chance, Familienleben und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen. Deshalb wollen wir den Beschäftigten die Möglichkeit geben, in Abstimmung mit ihren Arbeitgeber*innen für einen vereinbarten Zeitraum ihre Arbeitszeit und die Lage sowie den Ort ihrer Arbeitszeit mitzugestalten. Dabei muss sichergestellt werden, dass flexible Arbeitszeiten und –orte sich nicht negativ auf Aufstiegschancen auswirken.
Die Digitalisierung birgt aber auch das Risiko einer Entgrenzung von Arbeit. Smartphones rund um die Uhr und überall einsetzbare Laptops und Tablets verführen zu einer permanenten Erreichbarkeit. Viele Menschen finden keine Zeit mehr abzuschalten und aufzutanken. Bei einer Umfrage des DGB haben 46% der Arbeitnehmer*innen in stark digitalisierten Arbeitsfeldern angegeben, durch die Digitalisierung stärker belastet zu sein. Das gilt insbesondere für Frauen. Arbeit darf sich auch nicht weiter verdichten, denn die Arbeitsverdichtung ist ein wesentlicher Grund für die Zunahme psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren. Notwendig sind deshalb angepasste Rahmenbedingungen, die von Sozialpartnern oder auf betrieblicher Ebene etwa durch Festsetzungen von Zeiten der Nichterreichbarkeit oder klaren Definitionen der Arbeitsmenge mit Leben gefüllt werden müssen. Arbeitgeber, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen müssen mit einer Novelle des Arbeitsschutzgesetzes Werkzeuge an die Hand bekommen, um geeignete und passgenaue Lösungen zur Stressreduzierung zu entwickeln. Wir wollen, dass Menschen auch in Zukunft gerne und motiviert arbeiten. Das funktioniert aber nur, wenn die neuen digitalen Flexibilisierungsspielräume für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen gelten und es gelingt, Arbeit und Freizeit besser abzugrenzen.
Totalüberwachung von Arbeitnehmer*innen verhindern
Vor wenigen Wochen hat der Versandhändler Amazon zwei Patente für Armbänder mit denen sämtliche Bewegungen von Arbeitnehmer*innen nachvollzogen werden können, bei den zuständigen US-Behörden angemeldet. Dieses Beispiel zeigt: Die Komplettüberwachung der Arbeitnehmer*innen ist technisch längst machbar: Es kann sehr detailliert nachvollzogen werden, wer wann und gemeinsam mit wem eine kurze Pause einlegt, wer mal einen Schritt mehr macht als nötig, um einen kurzen Blick auf die grüne Wiese vor der Tür zu erhaschen oder wie oft und wie lange jemand zur Toilette geht. Auch vor der Privatsphäre macht diese Totalüberwachung keinen Halt mehr. Es geht aber den Arbeitgeber nichts an, wenn man sich in eine Kollegin oder Kollegen verliebt, zuhause Ärger hat oder eine Grippe verschleppt. Deshalb muss eine Totalüberwachung der Arbeitnehmer*innen durch eine Verstärkung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte wirksam verhindert werden. Die gesetzlichen gesetzlichen Grundlagen dafür müssen dringend verbessert werden.Zudem sind Betriebsräte und Arbeitnehmer*innen auch vor diesem Hintergrund bei den laufenden Digitalisierungsprozessen stärker einzubinden. Arbeitnehmer*innen, die ihren Eigensinn, ihre Individualität und Kreativität auch in digitalen optimierten Arbeitsprozessen behalten, sind schließlich auch für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg die besseren Partner*innen.
Sozialstaat weiterentwickeln – Digitalisierungsgewinne fair verteilen
Die Frage, ob die Digitalisierung zu einem erheblichen, quantitativen Verlust von Arbeit insgesamt führen wird, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Wie bei jedem Strukturwandel ist aber damit zu rechnen, dass sie massive Folgen für die Arbeitswelt haben wird. Eine Garantie dafür, dass neue Arbeitsplätze da entstehen, wo alte wegfallen, gibt es nicht. Um diese Veränderungsprozesse abzufedern, setzen wir auf Weiterqualifizierung und lebenslanges Lernen, müssen dabei aber auch im Blick behalten, dass eine wachsende Zahl von Menschen auch mit bestmöglichen Qualifizierungsanstrengungen nicht mehr in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Für uns GRÜNE steht fest: Ein immer größeres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich wollen wir nicht hinnehmen. Wir treten dafür ein, alle Menschen in unserem Land fair an der digitalen Dividende zu beteiligen und die soziale Spaltung zu verringern. Mögliche Ansätze dafür, die es entsprechend weiterzuentwickeln gilt, werden längst diskutiert: Etwa eine Arbeitszeitverkürzung zu fairen Verteilung der verbleibenden Arbeit, Modelle der Grundsicherung oder des Bedingungslosen Grundeinkommens. Diese Debatten wollen wir deutlich intensivieren und die vorhandenen Denkansätze zielgerichtet weiterentwickeln.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Niedersachsen fordern von der Niedersächsischen Landesregierung zeitnah zweijährige Modellversuche auf den Weg zu bringen und diese in Zusammenarbeit mit Kommunen und Landkreisen wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten.
Parallel setzt Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen eine Arbeitsgruppe ein unter Beteiligung der Landesarbeitsgemeinschaften Wirtschaft, Soziales, Frauen, der AG Grundsicherung, der AG Postwachstum und Gemeinwohl, des Parteirates und des Landesvorstands sowie sozialwissenschaftlicher Expertise. Ziel ist die Erarbeitung eines umfassenden Positionspapiers, dass in einer Art „Digital New Deal“ mündet und die Bereiche von Wirtschafts-, Bildungs-, Sicherheits- und Sozialpolitik umfasst.