Diesel-Fahrverbote sind zur Reduzierung der Stickoxidbelastung in den Städten zulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Leipziger Richter*innen haben mit ihrem Urteil eine Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Entscheidungen der örtlichen Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf abgewiesen. Diese hatten aufgrund einer Klage der Deutschen Umwelthilfe entschieden, dass die Städte zur Reduzierung der Schadstoffbelastung ihrer Bürger*innen auch Fahrverbote verhängen müssen. Dieses Diesel Urteil ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Große Koalition im Bund aktuelle Herausforderungen lieber aussitzt, anstatt ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Wie haben Autohersteller mutmaßlich bei ihren Diesel-PKW betrogen?
Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes stoßen Diesel-PKW im Durchschnitt rund 770 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus. Erlaubt wären für die Euro5-Diesel 180 Milligramm und für Diesel der Euro6-Norm, die seit 2015 alle Neufahrzeuge einhalten müssen, 80 Milligramm. Gemessen wurden diese Werte bei der Typenzulassung im Labor. Dass die Laborwerte draußen auf der Straße massiv überschritten werden, ist auf unterschiedliche Manipulationen der Hersteller zurück zu führen. VW hat beispielsweise eine Software eingebaut, die erkennt, wann der Wagen auf Prüfstand steht. Im Straßenbetrieb wird die auf dem Prüfstand aktive Abgasreinigung dann abgeschaltet.
Stickoxide können beim Menschen zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen führen. Nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur sind Stickoxide die Ursache dafür, dass in Deutschland jährlich rund 10.000 Menschen vorzeitig an Atemwegserkrankungen sterben. Deshalb hat die EU einen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgesetzt, der schon seit 2010 im Jahresmittel einzuhalten ist. In 70 deutschen Städten wird dieser Grenzwert nach Angaben des Umweltbundesamtes zum Teil deutlich überschritten: Allen voran in Stuttgart, München und Köln. In Niedersachsen ist die Belastung vor allem in Oldenburg und Hannover besonders hoch. Die wesentlichen Quellen der Belastung sind in absteigender Reihenfolge der Verkehr, die Energiewirtschaft, die Landwirtschaft und die Öfen der privaten Haushalte. In den Städten hat jedoch der Verkehr die alles überragende Bedeutung als Emissionsquelle und hier mit über zwei Dritteln Anteil vor allem der Diesel-PKW.
Was unternimmt die Bundesregierung gegen den Abgas-Skandal und nach dem Diesel Urteil?
Faktisch nichts. Das dem Bundesverkehrsministerium unterstehende Kraftfahrtbundesamt hat den Fahrzeugen die Typenzulassung erteilt. Aufgeflogen ist der Betrug von VW im September 2015 aufgrund von Ermittlungen US-amerikanischer Umweltbehörden. In den Folgemonaten sind dann auch bei weiteren Herstellern Abschalteinrichtungen unterschiedlichster Art bekannt geworden. Im Juli 2017 hat der Spiegel aufgedeckt, dass sich die Deutschen Autokonzerne abgesprochen haben, um die Harnstofftanks in den Diesel-Fahrzeugen möglichst klein zu halten. Der Harnstoff kann die Stickoxide im Abgas um 90 Prozent reduzieren. Dass die Harnstofftanks niemals ausreichen würden, um zwischen den Inspektionsintervallen den verbrauchten Diesel zu „reinigen“ ist dem Kraftfahrtbundesamt ebenso wenig aufgefallen, wie die Tatsache, dass für das Erreichen dieses Ziels auch viel zu wenig Harnstoff verkauft wurde. Im August 2017 hat sich die Bundesregierung schließlich zu einem Dieselgipfel mit der Autoindustrie durchgerungen, den die Automobilindustrie als Erfolg auf ganzer Linie verbuchen kann: Statt mit der Verpflichtung zu einer technischen Nachrüstung mit Katalysatoren, kommen die Hersteller mit der Zusage davon, die Software der Autos zu ändern und 250 Millionen Euro in einen Fonds einzuzahlen, mit dem schadstoffreduzierende Maßnahmen in den Städten finanziert werden sollen.
Was tut die Große Koalition in Niedersachsen gegen den Diesel-Skandal?
Sie zuckt mit den Achseln: Als Anteilseigner mit 20 Prozent ist die Landesregierung mit zwei Mandaten im Aufsichtsrat vertreten, die vom Ministerpräsidenten Stephan Weil und vom Wirtschaftsminister Bernd Althusmann wahrgenommen werden. Nach eigenem Bekunden hat der Ministerpräsident sowohl vom VW-Betrugsskandal 2015, wie auch von den Absprachen zwischen den Autokonzernen erst aus der Presse erfahren. Und das, obwohl VW bereits rund ein Jahr vor der Aufdeckung des Kartells durch den Spiegel Selbstanzeige bei den europäischen und deutschen Kartellbehörden eingereicht hatte. Das Reaktionsmuster ist immer das Gleiche: Man zeigt sich empört und verlangt bedingungslose Aufklärung. Üppige Bonuszahlungen an den Vorstand werden aber weiterhin ebenso durchgewunken, wie Millionen-Abfindungen an Vorstandsmitglieder. Die Forderung, die betrogenen VW-Kunden zu entschädigen, kam den VW-Aufsichtsräten der Landesregierung bisher jedoch nicht über die Lippen. Ebensowenig wie die Forderung, den VW-Dieselkundinnen und -kunden durch eine Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Autoindustrie das Fahrzeug hinzustellen, das sie im Vertrauen auf die Versprechungen des Konzerns und funktionierende staatliche Kontrollen gekauft haben.
Was fordern die Grünen?
- die Diesel-Fahrzeuge der Euro5- und Euro6-Norm müssen auf Kosten der Hersteller in der Hardware so nachgerüstet werden, dass die Autos im Alltagsbetrieb die vorgegebenen Abgaswerte einhalten.
- Diesel-Fahrzeuge, die den gesetzlichen Vorgaben im Alltagsbetrieb entsprechen, müssen mit einer Blauen Plakette gekennzeichnet werden, um weiterhin uneingeschränkt in die Städte fahren zu können. Nur so sind durch das Diesel Urteil möglich gewordene Fahrverbote in den Kommunen überhaupt umsetzbar.
- ab 2030 dürfen keine PKW mit fossilen Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden
- der öffentliche Nahverkehr muss massiv ausgebaut und attraktiver gemacht werden und der Radverkehr muss ausgebaut werden.