Der Uhu ist in weiten Teilen Niedersachsens zurück, der Luchs streift wieder durch die Wälder des Harzes und in der Wümme gibt es wieder Lachse. Trotz dieser positiven Beispiele erinnert uns der heutige Tag der Artenvielfalt daran: Wir müssen die Anstrengungen im Bereich des Natur- und Artenschutzes deutlich erhöhen, wenn wir nicht in wenigen Jahren einen stummen Frühling erleben wollen. Wie nahe wir diesem Szenario – das die Biologin Rachel Carson bereits 1962 in ihrem vielbeachteten Sachbuch „Silent Spring“ beschrieben hat – inzwischen gekommen sind, zeigt eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen. Allein in den vergangenen 30 Jahren haben sich die Vogelbestände halbiert. Rund 300 Millionen Brutpaare sind EU-weit bei den Vögeln des Offenlandes in dieser Zeit verschwunden. Und das, obwohl sich die EU bereits 1979 mit der EU-Vogelschutzrichtlinie verpflichtet hat, die Lebensbedingungen der Vögel zu verbessern. Bei anderen Arten sieht es kaum besser aus: In den letzten 15 Jahren haben wir in Teilen Deutschlands 80 Prozent der Insekten verloren. Waren die Naturschutzbemühungen der letzten Jahrzehnte also erfolglos? Sicherlich nicht, wie die am Anfang genannten positiven Beispiele zeigen.
Dennoch brauchen wir deutlich mehr Wildnis! Wenn unsere Vögel ausreichend Insekten für ihre Jungen finden sollen, dann müssen wir damit aufhören, unsere Felder fast flächendeckend mit Insektenvernichtungsmittel zu besprühen. Wenn der Feldhase trotz satten Grüns nicht verhungern soll, dann muss Schluss damit sein, jedes Kräutchen im Acker durch immer höheren Herbizideinsatz zu vernichten. Wir brauchen ungenutzte, ungedüngte und ungespritzte Randstreifen entlang von Wegen und Gewässern – und zwar mehr als nur einen Meter breit. Ein Naturschutzgebiet, in dem Mais angebaut wird, ist Etikettenschwindel. Wir müssen unsere längst zur Industrielandschaft degradierten Landschaften wieder in eine vielfältige Kulturlandschaft zurückverwandeln: mit Blühstreifen, Feldgehölzen, Alleen und Kleingewässern.
Diese Forderungen lediglich an die Landwirtschaft zu richten, greift aber zu kurz. Echter Artenschutz wird Geld kosten. Die gute Botschaft: Die Mittel sind schon da, wir müssen sie nur anders einsetzen. Beispielsweise die rund 775.000 Euro, die der niedersächsische Fleischproduzent Danish Crown jährlich für seine private Lagerhaltung erhält. Würde man mit dieser Summe Blühstreifen fördern, wären dies rund 1.100 Hektar Futter für unsere Bienen. Das ist der Kern der grünen Agrarwende, für die wir uns einsetzen.
Stefan Körner im Weserkurier, Gast-Kommentar am 22. Mai 2017