Die grüne Vision für Mobilität im ländlichen Raum
Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Als Teil der Daseinsvorsorge ist es Aufgabe des Staates, die Mobilität der*des Einzelnen sicherzustellen. Diese Vorsorgeleistung ist aber gerade im ländlichen Raum zu sehr auf das Auto zugeschnitten – ein „Weiter-So“ ist nicht mit den Pariser Klimazielen zu vereinbaren und wäre fatal für diejenigen, die nicht Auto fahren können oder wollen. Wir müssen die CO2-Emissionen im Personenverkehr reduzieren und den privaten PKW-Verkehr entbehrlich machen – ohne dabei jedoch die Mobilität zu beschränken! Unser Ziel ist eine Verkehrspolitik, der es gelingt, die Verkehrsleistung von Fuß- und Radverkehr sowie öffentlicher Mobilität (Umweltverbund im Modal Split) bis 2040 im Land Niedersachsen auf 80% anzuheben.
Eine intelligent aufeinander abgestimmte Mobilität zwischen abgasfreien Autos mit alternativen Antrieben sowie einem emissionsfreien ÖPNV, Rad- und Fußverkehr aber auch Carsharing und Ridesharing muss hergestellt werden. Wenn nachhaltige Mobilität einfach und günstig ist, wird der Umstieg so nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Dabei helfen integrierte Mobilitätskonzepte, die nicht nur auf einen, sondern auf möglichst viele Verkehrsträger setzen. Diese müssen nicht nur kommunal, sondern landkreisübergreifend gestaltet werden, da Reiseketten nicht an Kreisgrenzen Halt machen. Mobilitätsangebote müssen kinderleicht miteinander kombinierbar und buchbar sein – die Chancen der digitale Vernetzung kommen uns hier zugute.
Was in den Städten bereits heute die Vielfalt an Mobilitätsangeboten widerspiegelt, wäre für den ländlichen Raum gerade gut genug. Wer dem prognostizierten wachsenden Zuzug in die Städte, dem weiteren Flächenverbrauch und steigenden Verkehren entgegensteuern will, muss politisch eine bundesweite Grundversorgung in allen Regionen durchsetzen und damit die Bundesländer und ihre Kommunen für Klimaschutz und Mobilität im ländlichen Raum stärken. Die Verkehrswende einzuleiten funktioniert nur, wenn wir die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen anpassen, um einerseits eine qualitative Verbesserung der Mobilitätsdienstleistung zu erreichen und andererseits innovative und auf die Regionen abgestimmte Konzepte zu ermöglichen.
Gerade im ländlichen Raum entsteht viel Verkehr, weil Schulen, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung heute nur noch etliche Kilometer entfernt zu erreichen sind. Eine Stärkung des ländlichen Raums im Allgemeinen führt hingegen zu einer Verkehrsvermeidung. Ob durch Telearbeit, medizinische Versorgungszentren oder die Stärkung von Dorfläden: je wohnortnäher alltäglichen Bedarfen nachgegangen werden kann, desto mehr Verkehr wird vermieden und desto eher ist es möglich, Strecken per Fuß oder Rad zurückzulegen. Mit der Stärkung des ländlichen Raums durch Verbesserung der öffentlichen Mobilität müssen viele weitere Maßnahmen zur Stärkung der Infrastruktur wie z. B. Mobilfunknetze und schnelle Internetanbindungen einhergehen.
Eine Stärkung der abgasfreien, öffentlichen Mobilität ist gut fürs Klima und sorgt für eine Stärkung des ländlichen Raums, entlastet aber gleichzeitig die im Verkehrskollaps erstickenden Städte: Wenn attraktive und verlässliche Alternativen zum eigenen Auto vorhanden sind, entscheiden sich Pendler*innen gerne dafür, umzusteigen und reduzieren damit Pendelströme auf der Straße, die derzeit die Städte an ihre Grenzen bringen.
Und schließlich gilt auch im ländlichen Raum: Die Verkehrswende ist nicht nur eine Notwendigkeit inmitten der Klimakrise, sondern auch eine Frage von Gesundheitsförderung, Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit und Gleichstellung. Unter dem derzeit oft prekären ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum leiden insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, Menschen mit Behinderungen, Senior*innen, Kinder und Jugendliche sowie Frauen, Inter- und Transpersonen.
Wir sehen unter anderem folgende Maßnahmen als geeignet an, Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern:
1) Niedersachsen zum Bahnland machen
Insbesondere der Regionalbahnverkehr ist unverzichtbar, um Menschen zwischen den Städten mobil zu machen. Unser Ziel ist es, dass der Schienenpersonennahverkehr bei etwas längeren Strecken immer eine zuverlässige, schnelle und flexible Alternative zum Auto ist. Busse und Bedarfsverkehre müssen eine verlässliche Anbindung mit aufeinander abgestimmten Umsteigezeiten an den Bahnverkehr ermöglichen. Stillgelegte Bahnstrecken und Haltepunkte müssen reaktiviert, das Schienennetz ausgebaut und Taktungen gesteigert werden. Zur Verbesserung von Bahn und Fahrrad sind mehr Fahrradstellplätze und dazugehörige Infrastruktur an den Bahnhöfen unerlässlich. Park and Ride sowie Bike and Ride-Konzepte sind weiterzuentwickeln; dabei ist eine Ausstattung mit einer Ladeinfrastruktur für Pedelecs und Elektrofahrzeuge ausreichend zu berücksichtigen.
Bis 2030 soll der Schienenverkehr im Zuständigkeitsbereich des Landes ausschließlich mittels treibhausgasneutraler Antriebe betrieben werden. Das Land Niedersachsen muss sich verpflichten, im Rahmen seiner vergaberechtlichen Möglichkeiten Anschaffungen auf die Erreichung dieses Zieles auszurichten. Ab dem Jahr 2021 sind ausschließlich Schienenfahrzeuge mit klimaschonenden Antrieben zu beschaffen. Das Land verpflichtet sich, eine Offensive für den emissionsfreien Schienenverkehr auf den Weg zu bringen: Dies beinhaltet eine weitere Elektrifizierung von Strecken und den Einsatz von emissionsfreien Triebfahrzeugen dort, wo eine Elektrifizierung nicht sinnvoll ist.
Zur Stärkung des Schienenverkehrs sind weitere Streckenreaktivierungen und Reaktivierungen von Haltepunkten voranzutreiben. Dabei sollen die Regionen in Niedersachsen bei der Erstellung von entsprechenden Entwicklungskonzepten unterstützt werden. Nach der rot-grünen Initiative zur Reaktivierung von Bahnstrecken und Haltestellen muss dieser Prozess nun zeitnah zur Stärkung des Schienenverkehrs fortgesetzt werden. Das Land Niedersachsen soll sich gegenüber der Bundesregierung für zusätzliche finanzielle Mittel einsetzen, um auch in finanzschwachen Regionen eine Streckenreaktivierung zu ermöglichen.
Bis 2024 soll eine kostenlose Fahrradmitnahme im gesamten Bahnverkehr in Niedersachsen einheitlich möglich sein. Dafür müssen entsprechende Kapazitäten in den Zügen geschaffen werden. Für mehr Qualität und Verlässlichkeit im Regionalbahnverkehr ist eine Qualitätsoffensive in Niedersachsen erforderlich. Für eine nachhaltige Qualitätssicherung ist ein landesweites Anschlusssicherungssystem nötig, um Anschlussverluste und inakzeptable Wartezeiten zu vermeiden.Das Land muss zeitnah die Ausschreibungskriterien sowie die Vergabe von Aufträgen an Eisenbahnverkehrsunternehmen verändern, um eine stärkere Gewichtung der Qualität und Verlässlichkeit zu erreichen. Dazu gehören verbindliche Ausbildungsquoten ebenso wie das Vorhalten von Personalreserven in den Unternehmen. Wenn Unternehmen mehrfach gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen, müssen Strafzahlungen deutlich erhöht werden und Aufträge zeitnah entzogen und neu vergeben werden. Die Einrichtung einer Landesbahn als Eigenbetrieb des Landes und eines Landespools für Triebfahrzeugführer*innen für ganz Niedersachsen ist zu prüfen.
Bei der Weiterentwicklung neuer Angebote im SPNV und im ÖPNV brauchen wir künftig neben nachfrageorientierten Mobilitätsangeboten deutlich mehr angebotsorientierte Mobilitätsangebote.
2) Letzter Bus um 17:00 Uhr?
Zu oft orientieren sich Busfahrpläne im ländlichen Raum lediglich an Schulzeiten – und nach Schulschluss fährt überhaupt kein Bus mehr. Hier muss ein Umdenken von Nachfrage- zu Angebotsorientierung stattfinden, denn nur so lässt sich die Abwärtsspirale von schlechtem Angebot, der daraus folgenden schlechten Nachfrage und der weiteren Angebotsstreichung durchbrechen. Insbesondere auf Hauptverkehrsachsen, die Mittelzentren miteinander verbinden, muss die Taktung von Bussen stark angehoben werden, auch in Randstunden und am Wochenende. Live-Informationen zu Busausfällen- und Verspätungen müssen genauso selbstverständlich sein wie ein barrierefreies Einsteigen.
Bus- Konzepte sind an regionale Besonderheiten anzupassen und sollten komplexe Angebote wie den kombinierten Transport und Lieferung von Waren und Personen (KombiBus-Modell) sowie die Mitnahme von Fahrrädern und die Bereitstellung von Fahrradmobilität beinhalten.
3) Sharing is Caring – Ridesharing in Niedersachsen aufbauen
Ergänzend zu Bahn und Linienbus stellt Ridesharing eine große Chance für den ländlichen Raum dar: Die Idee dahinter ist, dass Fahrten individuell und unabhängig von Fahrplänen und Haltestellen gebucht werden und Verkehre trotzdem gepoolt werden: So können mehrere Menschen, deren Fahrtziel in derselben Richtung liegt, ihren Weg gemeinsam bestreiten. Je nach bedientem Gebiet eignen sich hierfür bspw. barrierefrei zugängliche Kleinbusse, deren Route computergestützt und je nach Anfrage individuell berechnet wird. Außerdem ist Ridesharing ganz besonders dort sinnvoll, wo der Betrieb oder eine attraktive Taktung von Linienbussen aufgrund der abgelegenen Lage schlicht unwirtschaftlich und unökologisch ist. Ridesharing ermöglicht es auch Menschen, die selbst kurze Wege nicht zu Fuß oder per Rad zurückzulegen können, ohne eigenes Auto von Tür zu Tür zu kommen. Ridesharingsysteme sind für uns Teil eines innovativen ÖPNV und sollten daher tariflich in den ÖPNV eingegliedert werden.
Erfahrungen haben gezeigt, dass Ridesharing sinnvollerweise mit einer Taktverbesserung auf den Hauptverkehrsachsen verbunden wird: so kann das Ridesharingsystem als Zubringer zum Linienbus fungieren – und Verkehre auf den Hauptverkehrsachsen noch besser gebündelt werden.
Wir haben das ambitionierte Ziel, ein landesweites Ridesharing-System aufzubauen – so wird verhindert, dass Angebote an Landkreisgrenzen enden oder Gebiete nicht abgedeckt sind. Das Angebot soll landesweit dort gelten, wo eine Bündelung von Verkehren über klassischen ÖPNV nicht funktioniert.
Darüber hinaus wollen wir die Organisation von Fahrgemeinschaften nach dem Prinzip der Mitfahrzentrale stärken. Auch diese Angebote sollen unkompliziert z. B. über eine App buchbar sein, über die alle Mobilitätsangebote verglichen und gebucht werden können.
4) Freie Fahrt fürs Rad!
Wir bekennen uns zum Fahrrad als Schlüssel für die Verkehrswende in Stadt und Land. Dafür müssen wir Alltagsradwege ausbauen und ertüchtigen, sodass alle Menschen zum Rad fahren eingeladen werden. Mit der richtigen Infrastruktur und den Möglichkeiten der modernen Fahrradtechnik (Pedelecs) ist das Fahrrad für sehr viele Menschen gerade auch im ländlichen Raum eine kostengünstige und einfache Möglichkeit, individuell mobil zu sein. Damit Radwege alltagstauglich und sicher sind, sollen sie außerorts baulich von größeren Straßen getrennt sein, bspw. als reine Fahrradstraßen oder als protected bike lane. Sie benötigen gute Beleuchtung, gute Beschilderung und einen stetigen Winterdienst. Sichere Fahrradabstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum (besonders an ÖPNV-Stationen), E-Bike-Ladestationen, (E-)Bikesharing und Lastenradverleihsysteme sind Teil einer fortschrittlichen Fahrradinfrastruktur im ländlichen Raum.
Unsere Radwegeinfrastruktur benötigt dringend einen deutlichen Anschub. Die gilt sowohl für begleitende Radwege an Landstraßen als auch für Radschnellwege. Eine landesweite Fahrradinfrastrukturplanung orientiert sich an hohen Standards und der Maßgabe, dass vor dem Neubau bereits vorhandener Verkehrsraum genutzt, umgenutzt oder saniert wird.
Kommunen brauchen Gestaltungsfreiheit für eine sozial und ökologisch verträgliche Mobilität. Klassische Verwaltungsebenen, aufgegliedert nach einzelnen Ressorts, sollen zugunsten einer ressortübergreifenden und integrierten Mobilitätsplanung Chancen aufgreifen, in der vor allem die aktive Mobilität einen hohen Stellenwert haben wird. Entscheidende Funktionen zur Erreichung der Ziele sind z.B. Radverkehrsbeauftragte in direkter Zuordnung zur Behördenleitung.
5) Das Fahrrad als öffentliches Verkehrsmittel
Das Fahrrad soll Teil des ÖPNV in Niedersachsen und den Kommunen werden. Es bietet als öffentliches Verkehrsmittel Anschlussgarantie, indem es für die letzte Meile genutzt wird oder den Zugang zum ÖPNV im ländlichen Raum erst ermöglicht. Niedersachen soll hier den Schritt zu neuen und integrierten Kombinationsmöglichkeiten fördern. Die Mobilitätskette wird durch das Rad erweitert. Tariflich soll eine Kombination aus ÖPNV-Ticket und Bike-Sharing möglich und attraktiv sein.
6) Gut zu Fuß
Fußwege müssen innerorts immer vorhanden sein, auch fahrbahnbegleitend. Sie sind mehr als reine Fortbewegungsräume, sondern dienen auch der Begegnung, dem Spiel, dem Leben. Wir fördern den Bau und die Ertüchtigung von Fußwegen. Das Land unterstützt Fußverkehrsbeauftrage finanziell und die Kommunen setzen dieses Personal in den entsprechenden Ämtern in leitender Funktion ein.Darüber hinaus führen Kommunen regelmäßig Fußverkehrsaudits durch und erstellen einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung des Fußverkehrs. Abseits von Hauptverkehrsstraßen werden Dörfer zu verkehrsberuhigten Bereichen – Rad- und Fußverkehr haben hier Vorrang, Autos dürfen nur Schrittgeschwindigkeit fahren.
7) Carsharing fördern
Ein Förderprogramm soll die Einführung von Carsharing-Stationen in Klein- und Mittelstädten und hierbei insbesondere an ÖPNV-Knotenpunkten fördern. Das Carsharing-Gesetz des Bundes (CsgG) wird in das Niedersächsische Straßengesetz übernommen.
Um Carsharing-Betrieb und Privat-PKW zeitnah flächendeckend auf Elektroantrieb umstellen zu können bedarf es der Einrichtung von Ladepunkten im öffentlichen Raum – gerade im ländlichen Raum.
8) Mobilität vernetzen
Damit inter- und multimodaler Verkehr für möglichst viele Menschen Realität wird, braucht es gerade auch im ländlichen Raum deutlich mehr Angebote und zugleich eine deutlich stärkere Verknüpfung derselben.
Das Land soll die Erstellung von integrierten Mobilitätskonzepten als Komplementärförderung zur Kommunalrichtlinie (Bund) fördern. Mittelfristig sollen integrierte Mobilitätskonzepte für die Kommunen und Kreise verpflichtend werden und anstelle der bisherigen Nahverkehrspläne treten. In den Integrierten Mobilitätskonzepten sind möglichst viele Verkehrsformen/-mittel aufzunehmen bzw. zu prüfen.
Das Land fördert verstärkt die Errichtung von Mobilitätsstationen, an denen verschiedene Mobilitätsangebote miteinander verknüpft werden.
9) Die Möglichkeiten der Digitalisierung für vernetzet Mobilität ausschöpfen
Multimodalität funktioniert nur, wenn es kinderleicht ist herauszufinden, wie sich Mobilitätsangebote am cleversten kombinieren lassen. Die Chancen der Digitalisierung müssen wir in vollem Umfang nutzen: Es braucht vernetzte Systeme, die es z. B. über eine App ermöglichen, sämtliche Mobilitätsangebote vergleichen, kombinieren und buchen zu können. Egal ob mit Rad, Gepäck oder Kinderwagen unterwegs: der Algorithmus muss dazu in der Lage sein, passende Angebote vorzuschlagen. Buchungen müssen unter Einhaltung europäischer Datenschutzanforderungen mit einem Klick durchführbar sein. Auch bietet eine App die Chance, verschiedene Mobilitätsangebote zu bewerten oder Störmeldungen abzugeben – so können direkt aktuelle Alternativen angeboten und die Vorschläge verbessert werden. Das Land Niedersachsen soll sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür stark machen, dass die Europäische Union die digitale Vernetzung in ganz Europa vorantreibt, sodass Mobilitätsangebote europaweit vernetzt, genutzt und gebucht werden können – für länderübergreifende Mobilität.
10) Kommunen bei der Mobilitätswende unterstützen
Das Land richtet eine zentrale Beratungsstelle ein, die die Kommunen rund um Fragstellungen nachhaltiger Mobilität unterstützt. Dies umfasst unter anderem die Einrichtung von Carsharing-Angeboten, Fördermöglichkeiten, Mobilitätskonzepte und Verknüpfung von Mobilitätsangeboten.
11) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz novellieren
Zur Verbesserung der Mobilität ist eine Umfinanzierung der Gemeindeverkehrsfinanzierungsmittel unerlässlich. Wir brauchen eine jährliche Dynamisierung der Mittel, damit Kostensteigerungen bei kommunalen Mobilitätsprojekten berücksichtigt werden. Die Mittel für den ÖPNV in Höhe von jährlich 75 Millionen Euro müssen deutlich erhöht werden. Aus den Mitteln für Straßen- und Radinfrastruktur in Höhe von 75 Millionen Euro sind mindestens 15 Millionen Euro mit einer Zweckbindung ausschließlich für die kommunale Radinfrastruktur bereitzustellen. Mittel für kommunale Straßenprojekte werden nur noch bereitgestellt, wenn bei Planungen für Straßenprojekte ausreichend Verkehrsräume für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen berücksichtigt werden. Die bestehenden Finanzierungs- und Subventionierungstöpfe für den Verkehr sind auf die Erreichbarkeit der Klimaziele von Paris zu überprüfen. Wir fordern daher eine Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen für neue Finanzierungsmodelle zur schnellstmöglichen Umsetzung einer Mobilitätswende.
12) Weg mit dem Tarifdschungel – 365€-Ticket und „In and Out“-System jetzt!
Wir fordern umgehend die Einführung einer Jahreskarte, die am Tag 1 Euro kostet, Tarifzonen überwindet und den ÖPNV preislich attraktiver macht. Das 365€-Ticket ermöglicht ein unkompliziertes ticketloses und zonenloses Fahren mit dem ÖPNV niedersachsenweit. Das Ticket bewirkt zudem einen einfacheren Zugang bei der Wahlentscheidung für ein umweltfreundliches Verkehrsmittel und führt gleichzeitig zu kalkulierbaren Stammeinnahmen und mehr Preisgerechtigkeit im Verhältnis zum motorisierten Individualverkehr.
Darüber hinaus soll in Niedersachsen bis zum Jahr 2024 eine landesweit einheitliche Vertriebs- und Tarifstruktur hergestellt werden.
Um es auch denjenigen, die kein 365€-Ticket besitzen, so einfach und barrierefrei wie möglich zu machen, den ÖPNV zu nutzen, führt Niedersachen im
gesamten ÖPNV das sogenannte „In and Out“–System ein. Per App oder Chip loggt sich der Fahrgast vor der Fahrt ein und nach der Fahrt wieder aus. Fährt eine Person am Tag so viel, dass sich eine Tageskarte lohnt, wird dieses berechnet. Fährt die Person im Monat oder Jahr so viel, dass sich eine entsprechendes Abo gelohnt hätte, wird dieser Preis berechnet. Wie einzelne Verbünde untereinander abrechnen und Preise auseinanderdividiert werden, bleibt dem Fahrgast erspart.
Das System wird dem Anspruch an den ÖPNV gerecht, unkompliziert, spontan und ticketlos unterwegs sein zu können und kann gleichzeitig auf clevere Lösungen im Preissystem eingehen.
Darüber hinaus treffen wir folgende grundsätzliche Überlegungen und Forderungen, um Mobilität in Niedersachsen klimaneutral, sicher und inklusiv zu gestalten:
Keine Nachweispflicht für Stellplätze – Stadt- und Raumplanung neu denken.
Aktuell verhindern Stellplatzverordnungen die notwendigen Planungen und Umsetzungen für autoarme Quartiere sowie Stadtplanungen und locken geradezu private Pkw in die Quartiere und Ballungszentren. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gehören rund um die Parkraumbewirtschaftung auf den Prüfstand, um die Klimaschutztauglichkeit der Gesetze herzustellen:
Wir wollen, dass der Stellplatznachweis niedersachsenweit wegfällt und damit nicht verpflichtend ist. Die Wirksamkeit von Änderungen muss auch für bestehende Bebauungspläne mit spezifischen Anforderungen umgesetzt werden.
„Barrierefrei“ fordern, planen, bauen und durchsetzen
Es ist eine Selbstverständlichkeit, die immer noch nicht durchgesetzt wird. Alle Mobilitätsanbieter müssen durch entsprechende Richtlinien und Ausschreibungen zur barrierefreien Personenbeförderung verpflichtet werden. Barrierefreiheit bedeutet hier, den Weg mit dem Verkehrsmittel entsprechend ohne Hindernisse bewältigen zu können, die Informationen zu den Verkehrsmitteln barrierefrei abrufen zu können sowie die entsprechende Fahrerlaubnis barrierefrei mitführen zu können. Wir brauchen Barrierefreiheit nicht nur in neuen Ausschreibungen: Spätestens 2022 sollen alle Angebote des öffentlichen Personenverkehrs barrierefrei zugänglich sein. Um dies zu realisieren, müssen die verantwortlichen Kommunen, Verkehrsbetriebe und auch die Deutsche Bahn unverzüglich den bestehenden gesetzlichen Rahmen umsetzen. Das Land fordert in einer Bundesratsinitiative die massive finanzielle Unterstützung des Bundes dieser Maßnahmen.
Verkehrsräume sicher machen
Straßenverkehr muss sicher sein – Deshalb fordern wir, dass sich das Land Niedersachsen zum Ziel Vision Zero (Null Verkehrstote) bekennt.
Schon heute sind ein Großteil der innerörtlichen Straßen geschwindigkeitsbeschränkt, nur auf den wenigsten Kilometern sind 50 km/h erlaubt. Wir fordern die Landesregierung auf, eine Initiative anzustoßen, dass die Straßenverkehrsordnung so geändert wird, dass innerorts grundsätzlich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h gilt, Ausnahmen nach oben oder unten können Kommunen dann eigenständig beschließen. Auch für Straßen außerorts müssen Kommunen und Land freie Hand für Geschwindigkeitsbegrenzungen erhalten, um so Geschwindigkeiten deutlich reduzieren zu können.
Die Straßenverkehrsordnung kennt bislang keine Prävention. Das muss sich ändern. Hier ist das Ziel, auch abseits von Unfallschwerpunkten eingreifen zu können, damit Unfälle und „Beinaheunfälle“ sowie brenzliche Situationen überall vermieden werden können. Präventive Maßnahmen wirken positiv auf die Sicherheit, das Wohlbefinden, die Lärmemission und die Luftverschmutzung. Kommunen müssen die Möglichkeit erhalten, in Eigenverantwortung Verkehrssicherheitszonen einzurichten, in die LKW ohne Abbiegeassistenten nicht einfahren dürfen.