Obwohl weniger Geflüchtete nach Niedersachsen und Deutschland kommen, ist die Zahl der Menschen auf der Flucht vor Krieg, Folter und Verfolgung weltweit unverändert hoch.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen begrüßen und unterstützen einen gemeinsamen Aufbruch einer humanitären Koalition von Kommunen, die sich solidarisch mit Geflüchteten zeigen und zusätzlich zur Verteilungsquote aus Seenot Gerettete aufnehmen wollen. Wir sind solidarisch mit Menschen auf der Flucht und mit Schutzsuchenden, die in Niedersachsen Aufnahme finden.
Und wir stehen an der Seite der Menschen, die in Niedersachsen Solidarität leben und tagtäglich den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land stärken, die sich seit Jahren ehrenamtlich oder beruflich für ein solidarisches Miteinander einsetzen. Wir GRÜNE erklären uns solidarisch mit der „Seebrücke“-Bewegung und unterstützen ihre Bestrebungen für eine humanitäre Asyl- und Einwanderungspolitik sowie sicherer Häfen in Europa und sicherer Fluchtwege nach Europa. Die „Seebrücke“ ist eine bundes- und inzwischen auch europaweite Bewegung, die sich gegen die menschenverachtende Abschottungspolitik der EU, das Sterben im Mittelmeer und gegen den gesamteuropäischen Rechtsruck einsetzt.
Sichere Flucht nach Europa fast unmöglich
Der europäische Kontinent ist für viele Menschen auf der Flucht mittlerweile unerreichbar geworden, weil die Europäische Union sich mit menschenrechtswidrigen Maßnahmen mehr und mehr abschottet. Legale und sichere Fluchtrouten nach Europa sind nunmehr nahezu allesamt verschlossen. Die Regierungen der Länder mit Außengrenzen zum Mittelmeer, wie Italien und Malta, die meist Ziel der Überfahrten sind, reagieren mit der Schließung ihrer Häfen für aus Seenot gerettete Geflüchtete. Dies wird als Druckmittel in den unwürdigen Verhandlungen um ein gerechtes System des europäischen Flüchtlingsschutzes eingesetzt. Auch die Bundesregierung hält ihre Blockadehaltung auf Kosten der Geflüchteten aufrecht.
Das Mittelmeer wird zum Massengrab
Als Folge solcher Maßnahmen werden Fluchtwege auf noch gefährlichere Routen verlagert. So starben allein 2018 auf dem Mittelmeer laut UNHCR mehr als 2275 Geflüchtete bei der Überfahrt nach Europa. Damit ist das Mittelmeer die tödlichste Grenze der Welt. Europa darf nicht länger zulassen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken und Seenotrettungsschiffe tagelang im Mittelmeer auf die Einfahrt in einen Hafen warten. Doch auch für Menschen, die bei der Überfahrt gerettet werden, nimmt die Gefahr für Leib und Leben kein Ende. Seit dem Sommer 2018 spitzt sich die „Ausschiffungskrise“ im zentralen Mittelmeerraum weiter zu, besonders durch andauernden Widerstand Italiens und Maltas und anderer Staaten gegen die Rettung und Ausschiffung von Geretteten– sowohl durch NGOs, wie auch durch Handelsschiffe. Zur Verhinderung der Seenotrettung wurden zudem Schiffe festgesetzt oder gar unter dubiosen Vorwänden beschlagnahmt.
Deshalb sichere Fluchtwege schaffen und unbedingter Vorrang der Seenotrettung!
1. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen fordern sichere Fluchtwege zu schaffen und eine menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden zu gewährleisten.
2. Jeder Mensch muss aus Seenot gerettet werden und gemäß internationalem Recht in Sicherheit gebracht werden. Ein sicherer Hafen, wie ihn das Völkerrecht vorsieht, kann für im Mittelmeer Gerettete nur in der Europäischen Union liegen.
3. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen fordern deshalb eine menschenrechtsorientierte staatliche Seenotrettung. Solange dies nicht geschieht, muss die zivile Seenotrettung die uneingeschränkte Möglichkeit zur unabhängigen Lagebeobachtung bekommen und in internationalen Gewässern ungehindert Menschenleben retten können. Die Seenotretter*innen und ihre Arbeit dürfen nicht länger behindert und kriminalisiert werden. Die humanitäre Hilfe auf dem Mittelmeer muss innerhalb der Europäischen Union mit einer eigenen, unionsweit verbindlichen Rechtsgrundlage im Sinne der Erklärung der Vereinten Nationen zu den Menschenrechtsverteidiger*innen und Artikel 8, Abschnitt a) des Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration geschützt werden.
4. Wir fordern einen festen europäischen Mechanismus zur Aufnahme von Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, um wochenlange Hängepartien zu verhindern. Aufnahmebereite Mitgliedsstaaten müssen aus Seenot gerettete und in EU-Mittelmeeranrainerstaaten gestrandete Schutzsuchende solidarisch aufnehmen. Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE hat dazu einen praktikablen Vorschlag ausgearbeitet, der im Rahmen des geltenden Europarechts sofort umgesetzt werden kann.
Keine Deals mit undemokratischen Regierungen auf Kosten der Menschenrechte
Kooperationen der EU und deren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten müssen stets nach der Maßgabe der Grund- und Menschenrechte erfolgen. Mit Abkommen, wie z.B. dem EU-Türkei-Deal, wird die Verantwortung Europas ausgelagert und die Abschottung Europas vorangetrieben. Menschen, die Europa dennoch erreichen, werden in die Türkei zurückgeführt. Und selbst auf den griechischen Inseln ist die Lage in den Unterkünften katastrophal und der Zugang zu fairen Asylverfahren versperrt. Die libysche Küstenwache wird von der EU und ihren Mitgliedstaaten immer noch unterstützt und mit aufgebaut. Seit Beginn der Einsätze in 2017 wurden etwa 29.000 Menschen von Libyens Küstenwache zurück nach Libyen gebracht. Dort kommen sie in eines von insgesamt elf Internierungslagern, welche die Regierung betreibt. Aus diesen Lagern kommen immer wieder schreckliche Bilder und Beschreibungen größten Leids: Menschen müssen dort mit Gewalt, Vergewaltigung und Versklavung rechnen. So schreibt die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) in einem Bericht, dass Libyen für Geflüchtete ein Ort „unvorstellbaren Horrors“ sei. Daher dürfen die katastrophalen humanitären Zustände in Libyen und anderen Staaten nicht länger ignoriert werden.
5. Die Unterstützung der libyschen Küstenwache durch die Europäische Union muss sofort ein Ende haben. Sie ist beschämend für die Europäische Union und das europäische Projekt. Die völkerrechtswidrigen Rückführungen von Schutzsuchenden in das Bürgerkriegsland müssen sofort aufhören. Wer verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten bereichern, die angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei der Flucht über das Mittelmeer aufs Spiel setzen, muss sichere und legale Fluchtalternativen schaffen.
6. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen lehnen Massenlager in der EU und europäische Außenlager in Drittstaaten ebenso ab wie Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt werden, die die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen treten.
Sicherer Hafen Niedersachsen – zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze schaffen und Landesaufnahmeprogramm auflegen
7. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen begrüßen ausdrücklich die Initiative Seebrücke und solidarisieren sich mit allen niedersächsischen Kommunen, die sich zu sicheren Häfen erklären. Wir unterstützen Kommunen, die sich bereiterklärt haben, zusätzlich zur Verteilungsquote aus Seenot gerettete Schutzsuchende aufzunehmen, und ermutigen weitere Kommunen, sich dieser Initiative anzuschließen. Gleichzeitig setzen wir uns für zusätzliche kommunale Aufnahmeplätze im UNHCR-Resettlementprogramm ein. Dies kann durch die Aufstockung der Länderkontingente (§ 23 I AufenthG) erfolgen und/oder durch die Einführung einer neuen Gesetzesgrundlage (§ 23 X AufenthG) speziell zur Aufnahme durch Kommunen und entsprechend der Regelung zur Landesaufnahme nach § 23 I AufenthG oder durch die Möglichkeit für Kommunen, sich dem Bundesresettlementprogramm nach § 23 IV AufenthG über zusätzliche Aufnahmeplätze anzuschließen. Entsprechende Initiativen hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag eingebracht.
8. Wir fordern die Landesregierung auf, Niedersachsen zum sicheren Hafen zu erklären und dem Bund zusätzlich zur Quote Plätze für aus Seenot Gerettete anzubieten.
Höchste Zeit für Niedersachsen, mit einem neuen Landesaufnahmeprogramm wieder legale Zufluchtswege für Schutzsuchende zu ermöglichen
9. Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen fordern die Landesregierung auf, ein eigenes Landesprogramm aufzulegen und sich darüber hinaus im Bundesrat dafür einzusetzen, dass neben den Bundesprogrammen wieder nationalstaatliche humanitäre Aufnahmeprogramme und Aufnahmeprogramme der Bundesländer, die eine unkomplizierte und kurzfristige Aufnahme von größeren Kontingenten aus dem Ausland erlauben, auch ohne Zustimmung des CSU-geführten Bundesinnenministeriums, das sich in Fragen der Menschlichkeit immer wieder als Blockierer erweist, aufgelegt werden können.
Integration vor Ort unterstützen
10. Wir GRÜNE wollen Städten und Gemeinden eine Option geben, freiwillig zusätzlich geflüchtete Menschen aufzunehmen. Kommunen müssen bei der Flüchtlingsaufnahme finanziell und personell unterstützt werden. Städte und Kommunen, die sich innerhalb des neuen Relocationprogramms freiwillig melden, um Schutzsuchende aufzunehmen, sollen die Kosten für die Integration aus einem gemeinsamen EU-Fonds (bspw. AMIF) erstattet bekommen. Denn die Kommunen sind ohnehin die Orte, an denen Inklusion, Teilhabe und Partizipation in erster Linie stattfinden und sie haben den besten Überblick darüber, was möglich ist.
11. Die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zuletzt angedachten massiven Kürzungen im Bundeshaushalt 2020 für die Integration von anerkannten Flüchtlingen lehnen wir daher klar ab. Stattdessen fordern wir eine strukturelle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Aufnahme und Integration von Geflüchteten.
12. Weiterhin sind das diskriminierende Asylbewerberleistungssystem ersatzlos abzuschaffen und Geflüchtete in die Regelsysteme zu integrieren.