In 4 ½ Jahren Rot-GRÜN haben wir für Niedersachsen viel erreicht und viel auf den Weg gebracht. Nach fast 20 Jahren in der Opposition konnten wir zum ersten Mal wieder mitgestalten. Wir haben in Niedersachsen einen echten Politikwechsel eingeleitet. Das Land ist heute ökologischer, solidarischer, moderner und weltoffener als 2013. Die Agrarwende ist eingeleitet, wir sind Windenergieland Nr. 1, die Studiengebühren sind Geschichte. Wir haben eine menschlichere Politik gegenüber Geflüchteten durchgesetzt, Prävention und politische Bildung groß geschrieben, sind für Bürgerrechte eingetreten und haben die Polizei gestärkt.
Dennoch bleibt viel zu tun. Für alle wichtigen Zukunftsfragen wie wirksamen Klima- und Wasserschutz, die Mobilitätswende, Digitalisierung, Bildungsgerechtigkeit, Inklusion und Gerechtigkeit wollen wir weiter die richtigen Weichen stellen. Dafür haben wir mit unglaublichem Herzblut gekämpft.
In ganz Niedersachsen haben GRÜNE in ihren Kreis- und Ortsverbänden in den letzten Monaten Großartiges geleistet. Mitten im Bundestagswahlkampf musste plötzlich die Landtagswahl vorbereitet werden. Im und für den Doppelwahlkampf haben GRÜNE überall in Niedersachsen eine unglaubliche Energieleistung abgeliefert. Wir haben von jetzt auf gleich den Schalter umgelegt und geschlossen für unsere Ziele gekämpft. Unser Dank gilt allen engagierten Mitgliedern und Unterstützer*innen vor Ort, den Kreisvorständen und den kommunalen Fraktionen und ganz besonders den Kandidat*innen, die unsere Gesichter vor Ort waren. Für dieses Engagement hätten wir uns ein besseres Wahlergebnis gewünscht.
Das Wahlergebnis ist für uns GRÜNE sehr enttäuschend und trifft uns hart. Wir danken allen Wähler*innen, die uns ihr Vertrauen gegeben und damit zu unserem zweitbesten Ergebnis bei einer Landtagswahl in Niedersachsen beigetragen haben. Damit bleiben wir die drittstärkste Kraft im Parlament. Aber wir haben 5 Prozentpunkte und damit 8 Landtagsmandate verloren. Insgesamt haben wir gut ein Drittel unseres Stimmanteils verloren. Damit können wir nicht zufrieden sein.
Es gibt eine insgesamt hohe Zufriedenheit mit der rot-grünen Landesregierung und uns als Regierungspartei. Eine große Mehrheit der Menschen in Niedersachsen wünscht sich eine GRÜNE Regierungsbeteiligung. Außerdem werden uns hohe Kompetenzwerte in zentralen Politikfeldern (Umwelt, Landwirtschaft, Tierschutz, Integration) zugesprochen, die sich über die Regierungszeit sogar noch gesteigert haben. Wir müssen uns fragen, warum wir trotz dieser Zufriedenheit Stimmanteile verloren haben – insbesondere an die SPD, aber auch an die Linken.
In den vergangenen 4 ½ Jahren ist es uns nicht gelungen die 2013 erreichte Zustimmung dauerhaft zu erhalten. Vieles spricht dafür, dass wir außerhalb unserer „Kernthemen“ Umwelt und Landwirtschaft zu wenig als eigenständige Kraft wahrgenommen wurden und vor allem die WählerInnen außerhalb unsers engen, ökologisch orientierten WählerInnenpotentialsverloren haben. Unsere programmatische und kommunikationsstrategische Schwerpunktsetzung ist daher kritisch zu hinterfragen.
Wir müssen uns jetzt der Herausforderung stellen und uns fragen, wie wir zukünftig GRÜNE Politik gestalten, kommunizieren und wie wir uns dafür aufstellen. Die Suche nach den Gründen für unser enttäuschendes Wahlergebnis bedarf einer gründlichen selbstkritischen und offenen Analyse. Mit Sicherheit haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt, nicht alle konnten wir gleichermaßen beeinflussen. Dennoch ist eine Aufarbeitung notwendig, damit wir gestärkt in die Zukunft gehen und weiter gute GRÜNE Politik für Niedersachsen gestalten.
Durch das aus den Umfragen hervorgegangene Kopf-an-Kopf-Rennen und die Zuspitzung auf die Frage „Wer wird Ministerpräsident?“ profitierte insbesondere die SPD. Die Motivation, den rot-grünen Ministerpräsidenten zu halten, war ein Antrieb für viele rot-grüne Wechselwähler*innen dieses Mal auch mit der Zweitstimme die SPD zu wählen. Dies wurde noch dadurch gestärkt, dass Rot-Grün im Vorfeld der Wahl nicht als realistische Option wahrgenommen wurde. Die Zuspitzung auf die Ministerpräsidentenfrage hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Uns ist es nicht gelungen, hier ausreichend im Fokus zu stehen.
In den drei Wochen nach der Bundestagswahl blieb zu wenig Zeit, um landespolitische Themen zum Gegenstand des Wahlkampfs zu machen, zumal davon noch zwei Wochen in den Herbstferien lagen. Gerade für uns GRÜNE, die wir zu größten Teilen über unsere Inhalte wahrgenommen werden, war dies eine schwierige Situation. Die Aufmerksamkeit für landespolitische Themen wurde auch dadurch erschwert, dass in der Öffentlichkeit, aus nachvollziehbaren Gründen, zunächst die Ergebnisse der Bundestagswahl diskutiert wurden.
Bei der Bundestagswahl ist die Bundesrepublik nach rechts gerückt. Hatte das Lager links der Mitte bestehend aus SPD, GRÜNEN und Linkspartei 2013 zumindest parlamentarisch eine Mehrheit, liegt es nun gerade mal noch bei zusammen 38,6 Prozent. Gleichzeitig sitzt mit der AfD nun eine im Kern rechtsradikale Partei im Bundestag und ebenfalls im niedersächsischen Landtag. Wir werden dies zum Anlass nehmen, noch bestimmter und mit vollem Einsatz für eine solidarische Gesellschaft, ein soziales und ökologisches Niedersachsen zu streiten. Dafür braucht es breite zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen Hass, Rassismus und Antisemitismus.
Den Blick nach vorne richten
Den verkürzten Wahlkampf mussten wir unter hohem Zeitdruck vorbereiten. Rückblickend betrachtet waren nicht alle Entscheidungen, die wir getroffen haben, richtig. Trotz der hohen Zufriedenheitswerte mit unserer Regierungsbeteiligung, hätten wir unsere Erfolge – und insbesondere unseren Anteil an Erfolgen und Kompromissen – besser kommunizieren müssen. Unsere Position als kleinerer Partner ist oft nicht ausreichend wahrgenommen worden und auch Kritik an Positionen der SPD hätten wir früher und deutlicher aussprechen müssen, um als eigenständige Partei wahrgenommen zu werden.
Wir müssen uns fragen, ob uns der richtige Mix aus Erfolgskommunikation und Zukunftsvision gelungen ist, ob wir thematisch breit genug aufgestellt sind und ob und wie wir unsere Positionen besser mit Personen verknüpfen können – nicht nur in Wahlkampfzeiten. Auch unsere Wahlkampfstrategie und die Kommunikation unserer Arbeit in Regierungsverantwortung werden wir analysieren. Darüber hinaus werden wir unsere innerparteiliche Organisation und unsere programmatische Ausrichtung überprüfen.
- Der Landesvorstand in Zusammenarbeit mit dem Parteirat wird beauftragt, eine Analyse unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Expertise und darauf aufbauend eine Bewertung des Landtagswahlergebnisses zu erarbeiten.
- Der Landesvorstand wird beauftragt, in Abstimmung mit dem Parteirat und unter Einbindung der Kreisverbände eine Bestandsaufnahme der Kritikpunkte, die unsere Landespartei betreffen, vorzunehmen.
a) Diese Kritikpunkte zu identifizieren muss neben der Analyse der erste Schritt sein für einen strukturellen, organisatorischen, thematischen und personellen Erneuerungsprozess.
b)Der Landesvorstand wird zur weiteren Ausgestaltung des Erneuerungsprozesses im Frühjahr 2018 der LDK einen Vorschlag unterbreiten. Dieser Vorschlag soll eine umfassende Beratung unter Einbeziehung der Orts- und Kreisverbände ermöglichen und regionale Konsultationen enthalten. - Sowohl die Analyse wie auch der Verfahrensvorschlag werden den Kreis- und Ortsverbänden rechtzeitig vor der Frühjahrs-LDK 2018 zur Verfügung gestellt. Damit wird ausreichende Zeit für Diskussionen und mögliche Änderungsanträge gewährleistet.