Die Bundesregierung hat zu Beginn dieser Legislatur eine Kommission beauftragt,
Vorschläge für eine zukünftige rechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen
zu erarbeiten. Mitte April dieses Jahres legte diese Kommission, bestehend aus
unabhängigen Expert*innen verschiedener Fachrichtungen, einstimmig die
Empfehlung vor, dass Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der
Schwangerschaft legal sein sollten. Für Abbrüche in der mittleren Phase sollte
der Gesetzgeber einen Regelungsrahmen festlegen können. Es sollten weiterhin
Ausnahmeregelungen bestehen, beispielsweise bei einer Gesundheitsgefahr für die
Schwangere.
Wir fordern nun, die Empfehlungen der Expert*innenkommission rasch umzusetzen
und zugleich die Versorgungslage in Niedersachsen massiv zu verbessern.
1. Legalisierung und Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Wir fordern die vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in der
Frühphase der Schwangerschaft und eine angemessene rechtliche Regelung für
Abbrüche in der mittleren und späten Phase. Der Paragraph 218 des
Strafgesetzbuches, der derzeit die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen
vorsieht, muss gestrichen werden, da er die reproduktive Selbstbestimmung
einschränkt und zur Stigmatisierung von Schwangeren und Ärzt*innen beiträgt.
2. Verbesserung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen
Noch immer gibt es in Niedersachsen mehrere Regionen in denen Menschen einen
Anfahrtsweg von mehr als 40 Minuten mit dem Auto auf sich nehmen müssen, um eine
Praxis zu erreichen, die Abbrüche vornimmt, z.B. im Harz, an der Küste oder im
Wendland (Elsa-Studie). Als Flächenland mit unterschiedlichen infrastrukturellen
Herausforderungen muss in Niedersachsen eine umfassende und zugängliche
Gesundheitsversorgung sicherstellen. Dazu gehören:
- Ausbau der medizinischen Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme:
Schwangerschaftsabbrüche müssen fester Bestandteil der Ausbildung von
Medizinstudierenden werden. Weiterhin müssen Fortbildungsmöglichkeiten für
Ärztinnen, die Abbrüche durchführen, geschaffen und gefördert werden. - Sicherstellung der regionalen Versorgung: Es muss gewährleistet sein, dass
auch in ländlichen Gebieten genügend Praxen und Kliniken vorhanden sind,
die Schwangerschaftsabbrüche sicher und legal durchführen. Hierzu ist eine
gezielte Förderung und Unterstützung durch das Land erforderlich. Die
Versorgungslage könnte erheblich dadurch verbessert werden, dass die
Ärzt*innenkammer erlaubt, dass Hausärzt*innen mit Zusatzqualifikation
einen solchen Abbruch durchführen dürfen. Derzeit ist Niedersachsen das
einzige Land, in dem das nicht erlaubt ist. Das Land Niedersachsen sollte
sich dafür einsetzen. - Kostenübernahme durch Krankenkassen: Schwangerschaftsabbrüche und damit
verbundene medizinische Leistungen sollen vollständig von den
Krankenkassen übernommen werden, um finanzielle Barrieren für Betroffene
abzubauen.
3. Freiwillige, ergebnisoffene Beratung
Die Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch soll freiwillig und ergebnisoffen
sein. Dabei ist ein breites Angebot an Beratungsstellen sicherzustellen, die
niedrigschwellig und barrierefrei erreichbar sind. Es soll ein gesetzlich
verankerter Rechtsanspruch auf Beratung bestehen, der die Rechte der Schwangeren
respektiert und unterstützt, anstatt sie zu bevormunden.
4. Kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln gewährleisten und aufklären
Für Menschen ohne und geringem Einkommen sollte der Zugange zu Verhütungsmitteln
in ganz Niedersachsen kosten- und barrierefrei gesichert sein. Dieser sollte
nicht auf ärztlich verordnete Verhütungsmittel beschränkt sein. Derzeit ist es
vom Wohnort abhängig ob und in welcher Höhe die Kosten übernommen werden. Wie
der Kommissionsbericht festhält, sind der breite Zugang und die Nutzung von
Verhütungsmitteln, gekoppelt mit einem hohen Niveau sexueller Bildung,
entscheidend, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Eine
altersangemessene umfassende Berücksichtigung der Sexualerziehung in allen
Schulstufen und -formen der niedersächsischen allgemeinbildendenden Schulen ist
daher unverzichtbar.