I.
Die Beschäftigungsbdingungen an den Hochschulen sind geprägt durch
Kettenbefristungen, kurze Vertragslaufzeiten und damit hohe Abhängigkeiten von
Vorgesetzten. Für Beschäftigte bedeuten diese prekären Arbeisbeidungen vielfache
Unsicherheit. Viele Beschäftigten wissen nicht, ob sie in ein paar Monaten noch
einen Job haben. Diese Unsicherheiten bieten einen fruchtbaren Boden für
Machtmissbrauch.
Dies betrifft in einem besonderen Maße studentisch Beschäftigte, bei denen die
Fluktuation häufig besonders hoch ist. Viele von ihnen wissen wenig über ihre
eigentlichen Rechte als Arbeitnehmer*in und verbindliche Regelungen werden in
der Praxis oft nicht eingehalten. Viele studentisch Beschäftigte leisten
unbezahlte Überstunden, sind im unklaren über Regelungen für den Krankheitsfall
und Urlaubsansprüche und arbeiten oft zeitweise ohne Arbeitsvertrag.
Viele Daten und Zahlen zur Situation studentisch Beschäftigter hat die Studie
„Jung, akademisch, prekär? Studentische Beschäftigte an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen: eine Ausnahme vom dualen System regulierter
Arbeitsbeziehungen.“des Instituts Arbeit und Wirtschaft an der Universität
Bremen gesammelt. Insgesamt 11.000 studentische Beschäftigte wurden hierfür
befragt. Diese Studie macht das Ausmaß der Probleme deutlich und zeigt, dass es
sich eben nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass die Missachtung von
Standards und prekäre Bedingungen System haben. Zahlen und Fakten in diesem
Antrag kommen aus eben dieser Studie.
Lösungen für diese Missstände bei den Beschäftigungsbedingungen sind
Tarifverträge für Beschäftigte. Dafür setzt sich die bundesweite Bewegung TV
Stud ein. Im Rahmen der TVL Verhandlungen hat die Bewegung TV Stud einige
Forderungen für die Arbeitsbedingungen für studentisch Beschäftigte aufgestellt.
Einzelne gute Punkte konnten hier auch umgesetzt werden. Beispielsweise wurde
eine Mindestvertragslaufzeit über ein Jahr erreicht. Für studentische
Beschäftigte ohne Abschluss gibt es zum Sommersemester 2024 erstmalig einen
Mindest-Stundenlohn von 13,25 Euround zum Sommersemester 2025 von 13,98 Euro.
Darüber hinaus werden die Mindestentgelte und Arbeitsbedingungen studentischer
Beschäftigter auch in der nächsten Tarifrunde verhandelt. Aufgrund der Tatsache,
dass inzwischen die Mehrheit der Länder sich in ihren Koalitionverträgen für
Tarifverträge für studentisch Beschäftigte ausspricht, sind die genannten Punkte
allerdings ein enttäuschendes Ergebnis. Hier ist deutlich mehr nötig!
Von einer Partei, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, fordern wir nun
hier auf Landesebene nachzubessern. Wie im Koalitionsvertrag festgesetzt hat
Niedersachsen jetzt die einmalige Chance dieser Verantwortung unter einer rot-
grünen Landesregierung nachzukommen und sich für eine Tarifierung studentisch
Beschäftigter und für Verbesserung in Arbeitsbedingungen und
Mitbestimmungsrechten einzusetzen. Dies ist Politik, die das Leben von vielen
Menschen konkret verbessern kann.
II.
Als Partei Büdnis 90/Die GRÜNEN stellen wir uns, wie schon in vorherigen
Beschlüssen hinter die Ziele der TV Stud Bewegung. Wir setzen uns für bessere
Arbeitsbedingungen und eine Stärkung der Mitbestimmung für alle Beschäftigten an
den Hochschulen ein. Dafür braucht es verbindliche Regelungen. Das Hauptziel ist
daher eine Tarifierung studentisch Beschäftigter mit einem Tarifvertrag auf
Landes- oder Bundesebene. Durch Regelungen zu Mindestvertraglaufzeiten und
existenzsichernden Löhnen, steigt auch das Wissen, dass Beschäftigte über ihre
eigenen Rechte haben und damit auch die Möglichkeiten diese umzusetzen.
III.
Die rot-grüne Landesregierung plant im nächsten Jahr das niedersächsische
Hochschulgesetz (NHG) zu novellieren. Im Koalitionsvertrag wurde sich an
entscheidenden Stellen zu besseren Arbeitsbedingungen für Beschäftigte und zu
einer Tarifierung studentisch Beschäftigter, swoie mehr Mitbestimmung bekannt.
Diese wichtigen Ziele müssen nun auch in die Novelle des Hochschulgesetzes
einfließen!
Konkret bedeutet das, dass folgende Punkte Eingang in die NHG Novelle
beziehungsweise in das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz (NPersVG)
finden müssen:
– Mindestvertraglaufzeiten für studentisch Beschäftigte an den Hochschulen für
mindestens zwei Jahre
Das System studentischer Beschäftigter ist ein System permanenter Bewährung
Vertragslaufzeiten und -häufigkeiten. Im Bundesdurchschnitt (ohne Berlin, wo es
einen Tarifvertrag gibt) laufen Verträge für studentisch Beschäftigte
durchschnittlich weniger als 6 Monate (5,7 Monate). Diese kurzen
Vertragslaufzeiten führen zu Kettenbefristungen mit immer neuen Verträgen. Durch
diese Praxis der kurzen Vertragslaufzeiten entstehen exrtem unsichere und
prekäre Arbeitsverhältnisse für studentisch Beschäftigte, die nicht wissen, ob
sie in ein paar Monaten noch einen Job haben werden. Im Durchschnitt schließen
Studierende 4,6 einzelne Verträge ab, wobei beispielsweise bei
Wiederbeschäftigung als Tutor*innen die studentisch Beschäftigten in der Regel
dreimal auf der gleichen Stelle angestellt sind. Hieran zeigt sich der immense
bürokratische Aufwand, der nötig ist nach einigen Monaten immer wieder neue
Verträge aufzusetzen und diese Art der Kettenbefristung wird noch absurder und
unpragmatischer. Dieser bürokratische Aufwand ist oft so hoch, dass häufig die
Verträge zu Beginn der Beschäftigung noch gar nicht fertig sind. Das führt dazu,
dass 17,6% der studentisch Beschäftigten bereits ohne schriftlichen Vertrag
arbeiten.
Je länger die Vertragslaufzeiten sind, desto eher wissen studentisch
Beschäftigte über ihre eigenen Rechte bescheid und desto eher werden
Arbeitnehmer*innenrechte eingehalten.
Kurzzeitverträge, Vertragslücken, Kettenbefristung, sowie Arbeit ohne Vertrag
erhöhen dabei auch die Abhängigkeit von Vorgesetzten. Diese
Abhängigkeitsverhältnisse begünstigen wiederum Machtmissbrauch.
– Einführung von existenzsichernden Löhnen
Trotz Arbeit im öffentlichen Dienst sind studentische Hilfskräfte von Armut
bedroht. Das Hauptmotiv studentischer Beschäftigter für ihre Stelle ist das
verdiente Geld, noch vor anderen Faktoren wie der Auswirkungen auf den
Lebenslauf und persönliches Interesse an der Tätigkeit. Was dabei auffällig ist,
Je niedriger der Schul-/ Bildungsabschluss der Eltern ist, eine umso wichtigere
Rolle spielt das Geld verdienen für die studentisch Beschäftigten. Je höher der
Schul-/ Bildungsabschluss der Eltern, umso wichtiger der Aspekt der
Qualifizierung im studentischen Job für die Kinder.
Die Arbeit im Hochschuljob ist zumeist die Haupteinnahmequelle für die
studentisch Beschäftigten. Über ein Drittel der studentisch Beschäftigten hat
zeitweise zwei Arbeitsverträge gleichzeitig. Ein Drittel der studentischen
Beschäftigten hatte in den letzten 12 Monaten mindestens eine weitere
Nebentätigkeit außerhalb der Hochschule/ Forschungseinrichtung inne.
Trotz mehrerer Nebenjobs ist das Armutsrisiko unter studentisch Beschäftigten
dabei im Vergleich zu anderen Studierenden besonders hoch. Stundenlöhne auf
Mindestlohnniveau und Verträge mit zum Teil wenigen Stunden führen zu einer
ökonomisch prekären Lage der studentischen Beschäftigten. Das Beispiel Berlin
zeigt, wo es eine Tarifierung (studentischer) Arbeit gibt, ist die Auswirkung
auf die soziale Lage besonders positiv.
Als Grüne stehen wir für soziale Gerechtigkeit und für gute Arbeitsbedingungen.
Prekäre Beschäftigungsbedingungen und geringe Löhne stehen dem entgegen. Gegen
Armut(sgefährdung) helfen keine warmen Worte der Wertschätzung, sondern
existenzsichernde Löhne.
– Verbesserung der Mitbestimmung von studentisch Beschäftigten durch die
Einführung studentischer Personalräte oder die Vertretung studentisch
Beschäftigter durch die vorhandenen Personalräte
Mitbestimmungsrechte von studentischen Personalräten wirken sich positiv auf die
Einhaltung der Arbeitnehmer*innenrechte aus. Sie bieten studentisch
Beschäftigten außerdem eine Anlaufstelle bei Fragen und Anliegen zum
Arbeitsverhätnis.
In vielen anderen Bundesländern gibt es bereits studentische Personalräte oder
Vertretung studentisch Beschäftigter in den vorhandenen Personalräten. Diese
sind meist im Hochschulgesetz oder im jeweiligen Personalvertretungsgesetz
geregelt. Auch in Niedersachsen braucht es diese Vertretungen, die sich für die
Wahrung von Arbeitnehmer*innenrechten einsetzen und an die sich studentisch
Beschäftigte wenden können.
– verbindliche Regelungen für Urlaubs- und Krankheitsanspruch
Die Schwierigkeit bei Regelungen zu Arbeitnehmer*innerechten, wie zum Beispiel
zu Überstunden, Arbeitszeiten, Urlaubs- und Krankheitsansprüchen, ist, dass
diese häufig nicht kommuniziert werden und unklar sind. Im Zusammenspiel mit
kurzen Beschäftigungsdauern und großer Abhängigkeit von Vorgesetzen kann dieses
Unwissen über die eigenen Rechte schnell missbraucht werden und zu einer
Unterwanderung geltender Standards führen.
In der oben genannte Studie gaben 38,9% der Befragten an, regelmäßig unbezahlte
Überstunden zu leisten. Nur zwei Drittel der Befragten dokumentieren ihre
Arbeitszeit. Tun sie das, leisten sie weniger Überstunden.
Bundesweit (ohne Berlin) arbeiten 21,8% immer ihre Krankheitstage nach, 13,7%
der Befragten werden sogar von Vorgesetzten dazu angehalten ihre Krankheitstage
nachzuarbeiten. Auch zeigt sich hier ein deutliches
Geschlechterungleichverhätnis. Frauen, nicht-binäre Menschen und
intergeschlechtliche Personen arbeiten Krankheitstage häufiger nach als
männliche Befragte.
Beim Urlaubsanspruch sehen die Zahlen ähnlich aus. 39,6% der Befragten nehmen
keinen vollständigen Urlaub.
Die Nicht-Einhaltung von Arbeitnehmer*innenrechten ist durch Kurzzeitverträge
und Kettenbefristungen strukturell angelegt. Beschäftigte mit mehr
Berufserfahrung bestehen stärker auf Arbeitnehmer*innenrechte wie Urlaub und
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Längere Vertragslaufzeiten haben einen
deutlich positiven Effekt auf die Einhaltung von Arbeitnehmer*innenrechten,
außerdem sind Befragte mit längeren Vertragslaufzeiten deutlich besser über ihre
Rechte informiert. Und auch Mitbestimmungsrechte von studentischen Personalräten
wirken sich positiv auf die Einhaltung der Arbeitnehmer*innenrechte aus.
– Erhöhung des Anteils der Stellen, die offiziell ausgeschrieben werden
Die Einstellung von studentisch Beschäftigten erfolgt oft durch perönliche
Anfragen und Netzwerke. Stellen werden seltener offiziell ausgeschrieben. Nur
36,7% der Befragten der oben genannten Studie gelangen über Ausschreibung an
ihre Stelle, während 60,3% über informelle Wege rekrutiert wurden. Besonders
hoch ist der Anteil an Ausschreibungen in Berlin, wo es bereits einen
Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte gibt.
Diese sozial exklusive Praxis der Einstellungen verstärkt Ungleichheiten und
wirkt sozial selektiv. Studierende ohne Migrationsgeschichte oder mit Eltern mit
höchstem Abschluss werden signifikant häufiger angesprochen. Studentische
Beschäftigte kommen – verglichen mit der Zusammensetzung der
Gesamtstudierendenschaft – überdurchschnittlich häufig aus bildungsnahen
Familien.
Die Vergabe der Stellen ist Ausdruck einer sozial exklusiven Praxis. Dabei haben
diese Jobs häufig Schlüsselrollen im späteren akademischen Lebensweg.
Beispielsweise sieht man deutlich ihre Rolle als Türöffner zur Promotion: 75%
der Promovierenden waren zuvor als studentisch Beschäftigte an der Hochschule
angestellt. Für den sonstigen beruflichen Werdegang zeigt sich ebenfalls ein
gleichstellungspolitisches Defizit.